Luxemburg sei ein Melting pot, war kürzlich im Wort zu lesen. Farbenfrohes Indiz war dem Kommentator das Festival des migrations, wo Luxemburger und Nicht-Luxemburger gemeinsam feiern. Dieser Blick entlarvt ein Grundproblem: Ausländische Mitbürger werden eher als Exoten wahrgenommen, denn als Bürger mit gleichen Rechten. Fast so häufig wie den Melting pot bemühen Politiker und Medien das Bild, wonach Integration keine Einbahnstraße sei. Wobei oft die Bringschuld der Zugereisten betont wird, die Frage, wie aufgeschlossen Luxemburg seinen Zuwanderern begegnet, wird hingegen seltener gestellt.
Mit dem Finger wird empört auf die Schweiz gezeigt, wo eine um ihre Privilegien bangende Mittelschicht sich per Volksabstimmung gegen mehr Zuwanderung stemmte, dabei ist das Klima gegenüber Ausländern hier nicht viel besser. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz attestiert den Luxemburgern zwar regelmäßig, Rassismus spiele hierzulande keine große Rolle: Wer sich in Foren und in sozialen Netzwerken umhört, stellt Anderes fest. Ausländer sind willkommen, solange sie Steuern zahlen und eine Arbeit haben. Einem europäischen Alternativbericht nach werden ausländische Arbeitnehmer in Luxemburg öfters diskriminiert als inländische. Von Beteiligung reden Politiker immer dann pflichtschuldig, wenn Kommunal- und Europawahlen vor der Tür stehen. Rund 19 000 EU-Ausländer haben sich in die Wählerlisten eingetragen, ansonsten hat sich in puncto Partizipation wenig getan. Lieber wird das Thema an Ausländerorganisationen abgewälzt.
Die Vielfalt wird als Problem gesehen statt als Potenzial, das es zu fördern gilt. Das Schulsystem ist ein trauriges Beispiel. Luxemburgs Justizminister Felix Braz, Sohn portugiesischer Einwanderer, wird als Vorbild gelungener Integration inszeniert. Was er schaffen kann, können andere auch, so die hoffnungsfrohe Botschaft. Tatsächlich steigt der Anteil der Einwandererkinder, die erfolgreich Karriere machen. Sie verdanken ihren Erfolg ihrem Durchhaltevermögen und Eltern, die verstanden haben, dass Bildung der Schlüssel für den Zugang zur Leistungsgesellschaft ist. Die Schule dagegen macht es ihnen nicht leicht: Hohe Sprachanforderungen im Deutschen (oder Französischen) versperren den Weg in die Uni, die Berufswahl ist beschränkt, weil im ach-so-mehrsprachigen Luxemburg frankophone Ausbildungen nur mit Mühe zu organisieren sind. Engagierte Lehrer werden von der Politik allein gelassen mit einer Herkulesaufgabe, die nur mit vereinten Kräften zu lösen ist.
Bisher aber tut die neue Regierung wenig, um diese Potenziale zu bündeln. Statt Sonntagsreden zu halten und Integration per Vertrag bürokratisch zu regeln, fehlen innovative Ansätze, um ausländische Mitbürger jetzt an den Zukunftsfragen zu beteiligen. Wo sind die Portugiesen, die Ex-Jugoslawen, die Franzosen, wenn über einen neuen Sprachenunterricht oder eine Schulreform nachgedacht wird? Was tun die Ministerien, um neben Luxemburgern auch Nicht-Luxemburger in Planungen für ein verbessertes Betreuungsangebot einzubinden? Was brauchen und wollen britische, dänische, französische, portugiesische und andere Singles und Familien überhaupt an Angeboten? Eine Forschung über die Folgen der Bevölkerungsvielfalt für das staatliche Leistungsangebot gibt es kaum, dabei stellen Nicht-Luxemburger in vielen Gemeinden längst die (stille) Mehrheit in Kindergärten und Grundschulen.
Dass sie nicht Gegenstand von systematischen Analysen sind und noch immer kaum aktiv in die Politikgestaltung einbezogen werden, verträgt sich schlecht mit dem Bild eines Landes, das sich, wenn es passt, damit brüstet, ein Einwanderungsland zu sein, und das einen nicht unwesentlichen Teil seines Wohlstands eben diesen ausländischen Kollegen, Nachbarn und Mitbürgerinnen verdankt.