Gemeinden sind nicht nur territoriale Untergliederungen, sondern auch politische und soziale Räume. In ihren Rahmenprogrammen für die bevorstehenden Gemeindewahlen beschreiben die Parteien ein wenig, wie diese politischen und sozialen Räume aussehen, und sehr viel, wie sie aussehen sollten. Dabei zeigen diese Programme mit den auf die unterschiedliche Wahlklientel zurückzuführenden Nuancen von rechts bis links eine große Ähnlichkeit.
So werden die Gemeinden weitgehend übereinstimmend in allen Wahlprogrammen als ein präzise abgegrenzter Wohnraum verstanden, in dem noch Erziehung und Freizeit stattfinden. Alle anderen Aktivitäten, etwa Arbeiten und Wirtschaften, finden zwangsläufig auf dem Boden von Gemeinden statt, aber die Wahlprogramme behandeln sie so, als ob sie sich auf einer Art exterritorialem Gebiet abwickelten.
Wobei die Kommunalverwaltungen nur einen Rahmen von Infrastrukturen für das Wohnen in den Gemeinden zur Verfügung stellen sollen. Das DP-Programm zählt auf: „Verkéiersneireegelung, Gestaltung vun ëffentleche Plazen, Fouss- a Vëlosweeër, Vernetzung tëschent Duerfkären an der Ëmgéigend, Fërderung vun der Mobilité douce, Schutz an Erhalt vu prägende Strukturen an Infrastrukturen...“.
Um das Wohnen selbst kümmert sich die Gemeinde nicht, die Unterbringung der Gemeindebürger überlässt sie dem freien Markt. Generell berufen sich sowohl CSV wie LSAP in der Kommunalpolitik explizit auf das „Subsidiaritätsprinzip“ der katholischen Soziallehre, die meisten anderen Parteien zumindest implizit. Wohnungspolitik ist eine marginal gehaltene Ergänzungsmaßnahme zugunsten von Wählern mit unzureichenden Einkommen: „Die Gemeinde investiert vor allem in soziale Mietwohnungen und greift dabei auf staatliche Hilfen zurück“, meinen die Grünen. Die CSV verspricht, zusammen mit dem Gemeindeverband Syvicol „ein Quotenverfahren für soziale Mietwohnungen“, die DP verkündet: „Wunnraum a Bebauungsflächen an ëffentlecher Hand, solle prioritär u jonk Famillen a Stéit aus der eegener Gemeng goen. An zwar iwwer Erbpacht.“ Die Lénk meint am weitesten zu gehen, sei es bei teilweise auf die CSV zurückgehenden Bebauungsplänen „im Rahmen der kommunalen Raumplanung, sei es bei der Besteuerung leerstehender Wohnungen und brachliegender Bauflächen, sei es bei der Information und dem Schutz von MieterInnen und WohnungsbesitzerInnen und natürlich beim Bau von öffentlichen Wohnungen. “
So wie beim Wohnen die Gemeinde nur jenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen verspricht, die sich sonst keinen leisten können, kümmert sich die Gemeinde um Arbeit als sozialpolitische Maßnahme. Die Arbeiterpartei verspricht: „Die LSAP wird sich deshalb verstärkt für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auf Gemeindeebene einsetzen und die Initiativen des Arbeits- und Beschäftigungsministers zur Bekämpfung der Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit unterstützen.“
Die reguläre Arbeit des freien Arbeitsmarkts dominiert zwar in der Wirklichkeit, aber sie kommt bestenfalls am Rande in den Wahlprogrammen vor, meist als Lärm, Schmutz und Stau verursachendes Mittel, um Steuern zu erheben, mit denen die Infrastruktur rund ums Wohnen in der Gemeinde finanziert wird. Nur die DP traut sich, von Industriezonen zu scheiben: „Mir wëlle weider op kommunal a regional Industrie a Gewerbezone setzen, fir datt bestoend Entreprise kënnen ausbauen an nei Betriber sech kënnen an der Gemeng etabléieren. D’Liewensqualitéit vun de Bierger an den Dierfer soll net dorënner leiden.“ Bei der CSV reicht der Mut bloß zu mittelständischen Gewerbezonen: „Die CSV will eine Kommunalpolitik gestalten, die auf die Interessen der Unternehmen und besonders der lokalen Betriebe achtet. Lokale Betriebe und Selbstständige schaffen wohnortnahe Arbeitsplätze und stärken die Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde.“ Mehr Sympathie genießen Startup-Firmen als modische Varianten mittelständischer Kleinbetriebe.
Dabei schimmert die Lage am Arbeitsmarkt in jedem Wahlprogramm durch: Weil sämtliche Eltern von der Panik erfasst sind, dass ihre Kinder am Arbeitsmarkt untergehen werden, wenn sie nicht die beste Ausbildung erfahren, und sie selbst, wenn sie keine Kinderbetreuung während der Arbeitszeit finden, beginnen die Wahlprogramme von DP und Grünen gleich mit den Kindern, und auch bei anderen Parteien nehmen sie breiten Raum ein. Wobei die CSV nebenbei die Hausfrauenehe verteidigt und sogar die DP verspricht: „D’Betreiung a Crèchë sinn allerdéngs meeschtens a privaten Hänn. Mir wëllen iwwerpréiwen op d’Crèchen a verschiddenen Uertschafte genuch Capacitéiten hunn a wann net, kommunal Crèchen ubidden.“ Die Grünen wollen „die Wartelisten in den Einrichtungen der Kinderbetreuung abschaffen, indem wir genügend öffentliche Betreuungsstrukturen schaffen“.
Die Leute, die in der Gemeinde wohnen und deshalb auch wählen, sind oft nicht die gleichen wie jene, die in der Gemeinde arbeiten. Deshalb erscheinen die Leute, die in der Gemeinde arbeiten, als Fremde. Sie kommen nicht in den Wahlprogrammen vor oder höchstens als Belastung der Lebensqualität, als Durchgangsverkehr, der die Wohnidylle stört und deshalb umgeleitet gehört. „Vill Gemenge leiden ëmmer méi ënnert dem Pendlerverkéier. Fir datt d’Gefierer iwwerhaapt net bis an d’Stied fuere mussen, wëlle mir weider Park-and-Ride-Plaze baussent den Uertschafte bauen“, verspricht die DP. „Virun allem a Wunngebidder wëlle mir de Parking résidentiel ausbauen, fir ze verhënneren, datt d’Awunner déi Leeddroend vum Pendlertrafic ginn.“ Entsprechend räumen alle Parteien der Verkehrspolitik mit allen Fortbewegungsmöglichkeiten breitesten Raum ein.
Wie die wirtschaftlichen werden die gesellschaftlichen Beziehungen in der Gemeinde weitgehend ausgeblendet. Das Soziale in der Gemeinde beschränken die Wahlprogramme auf die beiden Randgebiete Sozialarbeit und Freizeitangebote. Die CSV findet: „Gegenüber den Mitbürgern hat die Gemeinde eine soziale Verantwortung zu übernehmen. Dies betrifft vor allem auch ein aktives Engagement im Bereich der Arbeitsloseninitiativen.“
Zum Thema Flüchtlingsunterkünfte meint die LSAP: „Vielmehr müssen dezentral kleinere Wohnstrukturen für ihre Unterbringung verfügbar gemacht werden.“ Die CSV will „ein Lastenheft erstellen“ und „bei der Verteilung zwischen den Gemeinden Quoten einführen und diese national durchsetzen, falls die interkommunale Solidarität versagt.“ Grüne und Linke geben sich solidarisch, die DP sagt lieber nichts.
Dafür will die DP „Parallelgesellschafte verhënneren. Mir wëlle bestoend an nei Wunngebidder duerch baulech a urbanistesch Moossname méi attraktiv gestalten an esou fir déi néideg sozial a wirtschaftlech Villfalt suergen, déi d’Entstoe vu Parallelgesellschaften ze verhënneren.“ Für den Fall, dass das nicht reicht, verspricht sie „[m]éi Policepräsenz a Kontrollen“ und die LSAP „verstärkte Präsenz von Sicherheitskräften vor Ort und insbesondere an Brennpunkten“. Die CSV findet: „Polizeikräfte vor Ort sind unerlässlich für das Wohlbefinden der Bürger und wirken präventiv gegen Gesetzesüberschreitungen“, auch sind DP wie CSV für Platzverweise und Vermummungsverbot.
Die Gemeinde soll aber nicht nur sicher, sondern auch sauber sein, ein Idyllenalptraum voller Geranien. Weil jede Partei Sicherheit und Saubereit verspricht, gewinnen die Grünen als authentischste Partei der lokalen Hecken, Müllverwertung, Fahrräder und Sonnenenergie seit 20 Jahren jede Gemeindewahl. Mit dem messianischen Fleiß von Sauberkeits- und Sicherheitsingenieuren betreiben grüne Minister selbst auf Landesebene lokale, also kommunale Politik. So dass die DP nur noch verzweifelt versprechen kann: „Mir wäerten op vill benotzte Weeër genuch Hondstuuten an Hondstoiletten zur Verfügung stellen, fir datt eis Stroossen a Plaze propper bleiwen.“