Es sieht so aus, als stünde Anfang nächsten Jahres eines nicht an: Beitragserhöhungen zur Krankenversicherung. Denn um das krisenbedingte Defizit der Gesundheitskasse CNS von voraussichtlich 92 Millionen Euro im kommenden Jahr zu decken, sind höhere Beiträge nicht nur für den Arbeitgeberverband UEL „in diesen Zeiten ein Tabu“. Für den OGB-L sind sie nach der Sitzung seines Nationalvorstands am Dienstag nur ein letzter Ausweg. Eher könnte das Defizit durch den Fonds de roulement der CNS aufgefangen werden. Da auch Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) sich das vorstellen kann, stehen die Chancen, dass der CNS-Vorstand sich darauf einigen könnte, politisch nicht schlecht.
Riskant wäre das aber. Laut Gesetz muss die CNS mindestens zehn und höchstens zwanzig Prozent ihrer Jahresausgaben in einer Reserve vorhalten, die vor allem dazu dient, jene Rechnungen zu begleichen, die einmal im Jahr auf einen Schlag bei der CNS eintreffen. Der Fonds ist selten mit viel mehr als dem vorgeschriebenen Minimum gefüllt. Gegenwärtig umfasst er 204 Millionen Euro.
Weil der Fonds bisher anscheinend in keinem Geschäftsjahr mit mehr als 100 Millionen Euro auf einmal belastet wurde, zeichnet sich Spielraum für einen schmerzarmen und solidarisch verteilten Anti-Krisen-Beitrag ab. Ein Griff in den Fonds ist jedoch nicht wie-derholbar und käme dem Schlachten eines Sparschweins gleich. Und mehr noch: Das Defizit wird 2010 aus dem rückläufigen Beschäftigungswachstum entstehen. Statec und Generalinspektion der Sozialversicherung (IGSS) rechnen 2009 noch mit einem Plus von einem Prozent gegenüber 2008 und 2010 mit minus 0,7 Prozent gegenüber 2009. Denn das BIP-Wachstum wird 2010 nur auf ein Prozent geschätzt, und allen Erfahrungen nach läuft die Entwicklung der Beschäftigung der der allgemeinen Wirtschaft um neun bis zwölf Monate hinterher.
Doch nicht nur die Frage, wie die Lage 2011 aussehen könnte, stellt sich. Laut IGSS-Daten nimmt vor allem die Grenzpendlerbeschäftigung stark ab. Lag ihre Wachstumsrate im März 2008 noch bei acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, waren es im März 2009 nur noch 2,5 Prozent. Dagegen fiel das Beschäftigungswachstum der Einheimischen zeitgleich nur von knapp drei auf knapp zwei Prozent. Im Wachstum der Grenzpendler-Jobs aber liegt das Geheimnis niedriger Krankenversicherungsbeiträge: Die mehrheitlich jungen Frontaliers werden nicht nur seltener krank als die Einheimischen in Luxemburg, sondern konsumieren Gesundheitsleistungen vor allem im Wohnsitzland, wo sie für die CNS preiswerter sind als hier. Gleichzeitig steigt der Leistungsverbrauch der Einheimischen stark. Während sie 2006 für 40 Millionen Euro mehr Leistungen konsumierten, als durch ihre Beiträge gedeckt war, lag diese Differenz 2008 schon bei 50 Millionen Euro. Dagegen zahlten die Grenzgänger 2006 rund 45 Millionen Euro mehr in die CNS ein, als für sie Ausgaben fällig wurden, 2008 gar 66 Millionen Euro mehr. Folglich würde ein Griff nach dem Fonds de roulement würde die Gesundheitskasse strukturell schwächen und einen immensen politischen Handlungszwang für das kommende Jahr erzeugen. Den für die Krankenversicherung Zuständigen ist zu wünschen, dass sie genau wissen, was sie tun.