Pinke Ledersitze, verspieltes Innendesign und so? „Nein, bloß kein Frauenauto, die meisten Frauen wollen auch nicht anders behandelt werden als die Männer.“ Alain Majerus von Hyundai in Luxemburg-Stadt ist schon 30 Jahre als Autoverkäufer im Geschäft, aber ein typisches Frauenauto, da ist er überzeugt, gibt es nicht. „Frauen achten vielleicht mehr auf das Design, und die Motorleistung kommt erst an zweiter oder dritter Stelle. Sie schauen zudem stärker auf den Preis. Da punkten wir“, sagt Majerus. Hoch im Kurs bei seiner weiblichen Kundschaft steht der SUV ix35. „Der bietet viel Platz, sieht gut aus und ist vergleichsweise preiswert.“
Ausländische Studien bestätigen, was Verkäufer Majerus beobachtet hat: Während die Mehrheit der weiblichen Autokäufer tendenziell auf Mittelklasse und Kleinwagen der Marken Renault, Fiat und Hyundai steht, greifen ihre männlichen Kollegen eher zu prestigeträchtigeren Premiummarken. Das liegt aber nicht unbedingt daran, dass Frauen sich nicht ebenfalls für BMW, Audi und Mercedes begeistern könnten – oft ist es eine Frage des Budgets. Als eine Jury aus 20 Motor-Journalistinnen aus zwölf Ländern beim internationalen Wettbewerb Women’s World Car of the Year ihr liebstes Auto küren sollte, wählten die Expertinnen unter 300 Fahrzeugen den Range Rover Evoque an die Spitze, den 3-er BMW und den Audi A3 auf den zweiten und dritten Platz. Ihr Lieblingssportwagen wurde der Porsche 911.
Frauen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten emanzipiert: Die meisten sind erwerbstätig und verdienen ihr eigenes Geld. Aber im Durchschnitt ist ihr Gehalt oft noch niedriger als das der Männer oder sie verdienen in Teilzeitjobs Geld für die Familie hinzu. Nicht selten kauft eine Ehefrau daher den Zweitwagen: zum Einkaufen und um die Kinder zur Schule zu bringen. Entsprechend weniger gibt sie für ihren fahrbaren Untersatz aus. Einer Umfrage des deutschen Versicherers Cosmos Direkt vom Oktober 2012 zufolge geben Frauen im Schnitt rund 16 700 Euro für ein Auto aus, während es bei den Männern 24 000 Euro sind. Jedem vierten Mann ist sein Auto sogar mehr als 30 000 Euro wert, während das nur bei 6,7 Prozent der Frauen der Fall ist.
Doch die Frauen holen auf, auch beim Autokauf. Laut einer Im Oktober veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin war zu Jahresbeginn mehr als jeder dritte in Deutschland zugelassene PKW in Frauenhand. In Luxemburg wurden von isgesamt 27 469 auf Privatpersonen neuzugelassenen PKWs vergangenes Jahr 11 080 von weiblichen Haltern angemeldet und 16 389 von männlichen. „Die Profile der Frauen, die bei uns ein Auto kaufen, sind sehr unterschiedlich. Das geht von der Hausfrau und Mutter bis hin zur alleinstehenden Geschäftsfrau“, weiß Alain Majerus. Diese Beobachtung hat auch René Dondelinger gemacht, Verkaufsleiter bei Losch Volkswagen in Luxemburg-Stadt. „Ob Mann, ob Frau, das Verkaufsgespräch ist identisch. Wir versuchen das Auto zu ermitteln, das am besten zu unserem Kunden passt.“ Inzwischen kaufen Frauen auch für Leasingfirmen ein, verwalten ganze Fuhrparks für Großunternehmen – offenbar, weil sie auf Aspekte wie den Spritverbrauch und mehr Wert legen und im Endeffekt kostengünstiger agieren.
Cabrios und farbige Modelle in Rot oder Weiß sind bei Frauen beliebt. Aber bitte kein Pink. Und noch etwas ist ihnen wichtig: die Funktionalität. Frauen wollen sehr wohl Technik, so fand eine Studie der Hochschule Niederrhein über geschlechtsspezifisches Verhalten beim Autokauf unlängst heraus, aber möglichst leicht und verständlich bedienbar. Im Fokus steht nicht die Super-Stereoanlage, sondern eher die Alltagsfunktionalität, wie ein gut funktionierendes Navigationssystem, verstellbare und einfach umzuklappende Sitze oder Einparkhilfen.
Anders als es das gängige Klischee behauptet, sind Frauen nicht gefühlsbetonter beim Autokauf: Sie wollen ein Auto, das nicht zu viel Sprit verbraucht, das leicht zu bedienen ist und nicht viel kostet. Wenn das keine rationale Kaufentscheidung ist. Das ist auch ein Grund, warum französische und japanische Modelle bei Frauen oft die Nase vorne haben: Sie sind preiswerter als etwa ein deutsches Auto derselben Klasse. Und sie bieten Einparkhilfe und Navigationssystem serienmäßig. Wer etwa das Handy anschließen will, um mit der Arbeitskollegin noch schnell Termine oder mit der Freundin den Treffpunkt abzuklären, muss beim neuen Golf die Comfort-Linie kaufen. Bei den Hyundai-SUVs gehört das zur Standardausrüstung.
In Luxemburg sind die Daten der Neuzulassungen von Personenkraftwagen, die das Statistikinstitut Statec veröffentlicht, prinzipiell nicht geschlechterspezifisch aufgeschlüsselt. Und die Zulassungsstelle in Sandweiler gibt auf Nachfrage nur aktuelle Daten heraus, so dass ein Vergleich, wie sich die Neuzulassungen in den vergangenen Jahren bei den Frauen entwickelt haben, nicht möglich ist. Damit fehlen Informationen über Trends, die sich in anderen Ländern empirisch nachweisen lassen. Und die für Autohändler von Bedeutung sein können. Eine Untersuchung des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen etwa führt den relativ geringen Frauenanteil an deutschen Neuwagenkäufern auf eine „Modell- und Markenpolitik der Autobauer“ zurück, „die Frauen weniger anzieht“. Will heißen: Die Autobauer schöpfen das Potenzial der Käuferinnen, obwohl wirtschaftlich immer selbständiger, „nur sehr unzureichend aus“.
Dabei spielen auch im klassischen Paar-Setting die Frauen keine unwesentliche Rolle beim Autokauf. „Wir sprechen gezielt beide an“, betont VW-Verkaufschef Dondelinger. Oft sei es der Mann, der sich eingehender mit der Technik auseinandergesetzt hat, während die Frau auf die Farben, das Design und den Verbrauch achte. „Was nützt es uns, wenn wir den Mann überzeugt haben, aber seine Frau später ein Veto einlegt, weil ihr die Farbe nicht gefällt?“, gibt Dondelinger zu bedenken. Inzwischen haben sich Luxemburgs Autohändler auf die Kaufkraft der Frauen eingestellt und umgedacht: Die Männerdomäne Autohaus bröckelt, die Showrooms sind lebendiger, farbiger gestaltet. Es kommen bewusst Verkäuferinnen zum Einsatz. Bei Kontz BMW arbeiten zwei Frauen im Verkauf, und auch bei Mini arbeiten en weibliches Verkaufsteam. Die Rollen sind aber keineswegs so, dass Frauen ausschließlich Frauen beraten. „Wir lehren unsere Verkäufer, auf beide Geschlechter eingehen zu können“, sagt Fränz Stoffel vom BMW-Autohaus Arnold Kontz.
Und auch die Autohersteller denken allmählich um: Wurde die Leiterin des Kompetenzzentrums Frau und Auto, Doris Kortus-Schultes, vom Marktforschungsinstitut der Hochschule Niederrhein früher elächelt, ist sie heute bei den großen Autofirmen oft gesehene und viel zititerte Expertin. Kortus-Scholtes hat eine Studie mit 4 200 Männern und Frauen über geschlechtsspezifisches Kaufverhalten gemacht, die im Prinzip bestätigt, was auch Luxemburger Autoverkäufer beobachten: Das typische Frauenauto gibt es nicht, aber Frauen setzen beim Autokauf andere Prioritäten. Je mehr Frauen verdienen, desto mehr werden sich womöglich auch diese Unterschiede auflösen. „BMW ist sicher ein Auto, das mehr Männer anzieht“, bestätigt Verkäufer Stoffel. „Aber wir haben immer mehr Frauen, die auch die nötigen Finanzen haben.“