Als vor zwei Jahren das Autofestival 2011 nahte, befand auch Luxemburg sich im Elektro-Fieber. Kurz zuvor hatte Nissan sein Kompaktmodell Leaf in Japan und in den USA auf den Markt gebracht. Mitsubishi, Peugeot und Citroën lancierten die drei baugleichen Stadtmobile iMiev, iOn und C-Zero. Der Elektro-Smart machte von sich reden, von einem E-Mini wurde geraunt, und Renault ging noch ein paar Schritt weiter als die anderen Automobilproduzenten und stellte den Start gleich einer ganzen Palette von Stromern in Aussicht. Gar nicht zu reden von Prototypen, die die Hersteller auf den internationalen Automessen auffuhren. So mächtig kündigte die Elektro-Welle sich damals an, dass es aus Luxemburger Regierungskreisen hieß, 2013 werde mit dem „Durchbruch“ der Elektromobilität zu rechnen sein.
Demnach müsste es dieses Jahr elektrisch hoch her gehen. Zumal die Lieferengpässe der Gründerzeit längst ausgeräumt sind: Der Nissan Leaf steht beim Händler, die kleinen Flitzer von Peugeot, Citroën und Mitsubishi ebenfalls, und Renault hat seinen Ankündigungen Taten folgen lassen: Aus der Rubrik mit dem Suffix Z.E., das für Zero emission steht, gingen schon in vergangenen Jahr ein Kangoo Z.E. und ein Fluence Z.E. als voll elektrisch betriebene Versionen der schon bestehenden Modelle gleichen Namens mit Verbrennungsmotor in den Handel. Desgleichen der schmale Zweisitzer Twizy Z.E. mit zehn PS starkem E-Motor. Fehlt nur noch Zoé Z.E., ein ganz neu entwickelter Elektro-PKW, der ein wenig dem Clio ähnelt. Er soll ab dem kommenden Frühjahr zu haben sein.
Die Zahl der bisher verkauften Elektro-Autos aber ist so klein, dass nicht nur der 2011 für zwei Jahre später herbei vermutete Durchbruch wenig realistisch erscheint, sondern auch das von der Regierung im Sommer 2010 in einem nationalen Aktionsplan zur Förderung der Elektromobilität festgeschriebene Ziel, bis 2020 an die 40 000 Elektrofahrzeuge im Bestand haben zu wollen. Im Ansteigen begriffen ist der E-Anteil im Fuhrpark durchaus. Betrug er Ende 2011 noch 40 PKWs und Nutzfahrzeuge, lag er Ende vergangenen Jahres bei 110. Stellte man sich die Entwicklung so vor, dass der E-Anteil Jahr für Jahr um den Faktor drei wüchse, könnten schon Ende 2018 doppelt so viele Elektro-Autos auf den Luxemburger Straßen unterwegs sein, wie der Ak-tionsplan für 2020 prognostizierte. Vermutlich aber wären Gedankenspiele Unsinn.
Die Verkaufszahlen vom letzten Jahr sehen danach aus: Von den kleinen E-Stadtautos von Citroën und Peugeot wurden hierzulande gerade mal 20 Stück neu zugelassen, darunter 14 Peugeot iOn und sechs Citroën C-Zero. Aber wenngleich ihre Verkaufspreise seit der Markteinführung gefallen sind, iOn, C-Zero und der Mitsubishi iMiev vor zwei Jahren ab 34 000 Euro kosteten und mittlerweile „nur“ noch zwischen 27 000 und 29 000 Euro in der Basisva-riante: Wer sollte sich für so viel Geld einen Elek-tro-Winzling zulegen, selbst wenn die 5 000 Euro Car-e-Prämie vom Staat den Preis noch drücken?
Günstiger erscheint da sogar der Nissan Leaf. Zwar kostet der ab 35 155 Euro. Aber den Car-e-Zuschuss eingedenk, erhielte man für knapp über 30 000 Euro einen Fünftürer der Golf-Kompaktklasse, bei dessen Konstruktion viel Wert auf Platz trotz Batterie gelegt wurde, so dass sein nutzbarer Stauraum immerhin 330 Liter beträgt. Allerdings: Verkauft wurden vom Nissan Leaf letztes Jahr nur 14 Stück.
Dann wäre da noch die Z.E.-Reihe von Renault: Die 5 000 Euro Umweltprämie eingerechnet, sinkt der Basispreis der Fluence Z.E.-Limousine auf 19 853 Euro. Wäre da nicht das Rechenspiel mit der Batteriemiete, denn Renault verkauft die Batterien nicht mit dem E-PKW, sondern verleast sie. Das kostet je nach Beschaffenheit des Vertrags und je nach den jährlich gefahrenen Kilometern ab 82 Euro monatlich. Im Endeffekt kompensiert das Car-e-Geschenk bei dreijähriger Nutzung 3 500 bis knapp 5 000 Euro Batteriekosten.
Eine Mittelklasse-Limousine, die sich über Energieeffizienzgewinne und Strompreisvorteile rechnet, ist aber offenbar den allermeisten Autokäufern noch zu teuer – oder irgendwie suspekt. Denn für Renault Luxemburg soll es nun der kleinere Zoé Z.E. richten. Der Stromer im Clio-Format soll mit einem Basispreis von 19 900 Euro an den Start gehen, um „wirklich die Privatkäufer zu interessieren“, teilt Renault Luxemburg mit. Hinzu komme eine Batterie „mit verbesserter Reichweite“: Voll aufgeladen, wären mit ihr 200 Kilometer Aktionsradius möglich. So viel erlaube derzeit „kein anderer Elektro-PKW“.
Schon möglich, dass Zoé Z.E. zum großen Rechnen einlädt. Die Batteriemiete-Bedingungen werden denen der anderen Z.E.-Renaults ähneln. Aber dennoch dürfte es eine Weile dauern, bis der neue Stromer der Créateurs d’automobiles überzeugen kann: In den Köpfen der Autofahrer hat sich nicht nur die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Batterie nach wie vor das teuerste Einzelteil eines E-Fahrzeugs ist, das derzeit um die 10 000 Euro kostet. Hinzu kommt ein Problem, das oft genug auch in unabhängigen Stu-dien festgestellt wurde: Die für E-Fahrzeuge typischen 160 Kilometer mit einer „Tankfüllung“ – und ebenso die von Renault angekündigten 200 Kilometer für Zoé Z.E. – gelten bei 20 oder 22 Grad Außentemperatur. Fällt das Quecksilber unter den Gefrierpunkt, sinkt die Reichweite um 40 bis 50 Prozent. Hieße das nicht, das das teure Gefährt in der kalten Jahreszeit vorsichtshalber in der Garage stehen zu lassen?
Aufdrängen dürfte dieser Gedanke sich so lange, wie Elektro-Autos sich nicht an quasi „jeder Ecke“ und im Handumdrehen nachladen lassen – so lange vielleicht, wie in Luxemburg nicht jene 850 Ladesäulen installiert sind, die die Regierung im letzten Jahr nach und nach einzurichten versprochen hat. Gegenwärtig gibt es an die 40 Ladestationen – bei Autohändlern, an verschiedenen Supermärkten und in einzelnen Betrieben sowie an wenigen öffentlichen Plätzen. Ende dieses Jahres, so kündigte der delegierte Nachhaltigkeitsminister Marco Schank (CSV) vor zwei Wochen an, werde mit dem Bau des Ladenetzes „begonnen“. Wie schnell er Bau vorangehen soll, erwähnte der Minister nicht.
Und letzten Endes wäre es mit dem Luxemburger Ladenetz auch nicht getan. Wünschenswert wäre ja, dass es in den Nachbarländern eine ähnlich umfangreiche Infrastruktur gäbe. Und am besten in ganz Europa, damit ein E-Mobil auch für Fahrten in die Ferien interessant wird und nicht vor allem als Zweitfahrzeug. Doch bis es so weit ist, werden noch Jahre vergehen. In der beliebten Feriendestination Frankreich zum Beispiel, wo ebenfalls ein staatlicher Aktionsplan zur Förderung der Elektromobilität gilt, seien, wie man bei Renault Luxemburg weiß, derzeit „nur im Osten“ nennenswete Nachlademöglichkeiten zu finden.
Zu all den Problemen passt, dass der Hype um die Elektromobile ziemlich abgeebbt ist. Die Hersteller kündigen zwar neue Fahrzeuge an. VW will schon im Frühjahr eine Elektro-Version seines Kleinwagens Up! herausbringen; ein E-Golf soll später folgen. Von BMW wird Ende dieses Jahres der i3 erwartet. Honda schickt derweil in Japan kleine Stadtwagen in den Feldversuch. Mag sein, dass damit die Idee von der Elektromobilität am Leben erhalten wird, die Entwicklung verbesserter Batterien nicht nachlässt und Pläne zum Aufbau öffentlicher Ladenetze nicht aufgegeben werden. Durchsetzen aber dürfte die Elektromobilität sich viel langsamer, als die Hersteller vor zwei, drei Jahren versprachen. Nicht zuletzt auch, weil deutlich mehr Entwicklungsanstrengungen in sparsamere Verbrennungsmotoren und in Hybridantriebe investiert werden als in reine E-Autos – und weil es noch kaum Mobilitätskonzepte gibt, die E-Autos da abholen, wo sie sind mit ihren Reichweitenproblemen und sie etwa mit dem öffentlichen Transport zusammendenken. Ob Luxemburg in der Hinsicht innovieren kann, bleibt abzuwarten: Für das E’Movin-Projekt in der Nordstad, das Elektro-Autos und Elektro-Fahrräder zum Car-Sharing anbieten will, hat es nun immerhin Ausschreibungen gegeben.