Die neue CSV

Rechtspartei

d'Lëtzebuerger Land du 16.12.2010

In der etwas traurigen Halle 75 in Niederkerschen wurde am Wochenende eine bemerkenswerte Ausstellung eröffnet. Nicht weil dort einige Souvenirs zusammengetragen wurden, um mit einer zum Friedens- und Freiheitssymbol umgedeuteten Siegesgöttin zu werben. Sondern weil dort die neue CSV gezeigt wird.

Sechs Wochen zuvor hatte die alte CSV im nicht minder traurigen Musiksaal der Blaskapelle Keispelt-Meispelt während einer akademischen Sitzung an Pierre Dupong erinnert, welcher „der Rechtspartei und später der CSV ihr soziales Profil“ gab. Jenes soziale Profil, das die ehemalige Rechtspartei während der Goldenen Nachkriegsdreißiger und des Kalten Kriegs brauchte, um dominierende Volkspartei zu bleiben. Dupong wurde als angebliches Gegenstück zu dem für unsozial und autoritär gehaltenen Joseph Bech als erster Sozialpolitiker an der Regierungsspitze und als Vorbild für alle folgenden CSV-Premiers gelobt.

Waren zu dem nationale Bedeutung beanspruchenden Lokal­ereignis in Niederkerschen angeblich 800 Gäste gekommen, so nahmen an der zum Lokalereignis geschrumpften nationalen Gedenkfeier in Keispelt bloß 200 Gäste teil. Und ein wenig sah die Gedenkfeier nach einem feierlichen Hochamt aus, bei dem der vor mehr als einem halben Jahrhundert verstorbene Dupong noch einmal begraben wurde – oder zumindest die christliche So­zial­politik, für die er steht.

Denn seit Politik sich zunehmend auf Hilfsdienste im inter­natio­nalen Wettbewerb der Produktionsstandorte beschränkt und die Sozialenzyklika Quadragesimo anno unaufhaltsam der Maastrichter Stabilitäts-Enzyklika weichen muss, wartet die CSV ungeduldig auf den endgültigen Abgang ihres derzeitigen Dupong-Nachfolgers. Jean-Claude Juncker, dessen Rückzug vor einem Jahr an einem französischen Veto gescheitert war, könnte dann für einige Zeit der letzte Sozialpolitiker der CSV an der Regierungsspitze gewesen sein.

Für die Zeit danach stellt nun CSV-Präsident Michel Wolter als Niederkerschener Bürgermeister die neue CSV aus: Der Vertreter des konservativen, aber wirtschaftsliberalen Flügels der Partei, der auch schon einmal gegen die ihm zu großzügige Haushaltspolitik der Regierung Juncker geputscht hatte, scheint zur Not die Tradition Pierre Dupongs der internationalen Wettbewerbsfähigkeit opfern zu wollen. Wenn der Liberalismus wieder neo ist, schimmert zwangsläufig die Rechtspartei der Vorkriegszeit wieder durch.

Unter diesen Bedingungen liegt es nahe, die zu kostspielig gewordene Sozialpolitik als Klebstoff des sozialen also politischen Zusammenhalts durch die beinahe kostenlose Vaterlandsliebe zu ersetzen. Der erste Versuch des ehemaligen Minsters, das Materielle durch das Ideelle zu ersetzten, sein Gesetzesvorschlag zur Einführung einer neuen, aggressiveren Landesflagge, war nur mühsam von den politischen Dupong-Erben abgewehrt worden.

Den zweiten Anlauf nimmt der CSV-Präsident nun in einer Großoffensive zugunsten eines Monuments, das bereits bei der Weltausstellung in Shanghai als Siegesgöttin der nationalen Exportwirtschaft diente. Voll im Trend der Zeiten, die da kommen werden, ist die Mobilmachung gegen die Exportnationen von nebenan bereits kein staatlich organisierter Patriotismus mehr, wie zu Zeiten der Volksheere. Der neue Patriotismus ist bereits privatisiert und wird von einer lokalen Brauerei und anderen Privatfirmen gesponsort.

Romain Hilgert
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