Die Offiziellen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die am Montag in Luxemburg waren, um die Resultate ihrer volkswirtschaftlichen Untersuchung vorzustellen, brachten schlechte Nachrichten. Mit einem Haushaltsdefizit von 3,2 Prozent werde Luxemburg schon 2009 die Maastricht-Kriterien nicht mehr einhalten können, so der Missionsleiter Jürgen Odenius am Montag. Außerdem werde die hiesige Wirtschaft dieses Jahr um 3,8 Prozent schrumpfen, 2010 sei mit Stagnation zu rechnen. Das ist deutlich pessimistischer als die neusten Prognosen des statistischen Amts Statec, das vergangene Woche für 2009 einen Wachstumsrückgang von 1,8 Prozent in Aussicht stellte und für nächstes Jahr bereits wieder ein Wachstum von 2,1 Prozent. Das ist auch pessimistischer als die Schätzungen der Luxemburger Zentralbank (BCL), die davon ausgeht, dass Luxemburg erst nächstes Jahr zum Defizit-Sünder nach Maastrichter Art wird.
So sah sich Zentralbankchef Yves Mersch am Dienstag in einer Sitzung der Parlamentskommission Finanzen dazu veranlasst, von einem Wettlauf der Pessimisten zu sprechen – er hält die Einschätzungen des Währungsfonds für überzogen.
Der IWF schlägt vor, dass Luxemburg mit den Muttergesellschaften der hier ansässigen Banken, wie auch mit den Ländern, in denen die Mutterkonzerne zuhause sind, Gespräche beginnt, um feste Zusagen für ein so genanntes burden sharing zu verhandeln. Im Prinzip eine gute Idee. Das würde zum Beispiel heißen, Budgetminister Luc Frieden hätte im Voraus mit dem Kaupthing-Konzern und der Regierung in Reykjavik aushandeln sollen, wer welchen Teil der Rechnung zahlt. Wie das praktisch gehen soll, wie Luxemburg mit den Anteilseignern von rund 150 Banken solche Abkommen abschließen soll, lassen die Experten einstweilen offen. Ohnehin läuft auf EU-Ebene die Diskussion zu diesem Thema seit einigen Wochen.
Die Offiziellen hatten auch gute Ratschläge für Zentralbank und Finanzaufsicht CSSF: Gut zusammenarbeiten. Das sei unbedingt notwendig, um das Liquiditätsmanagement auf der Lokalebene zu kontrollieren. Diese Aussage werden nach der durchlebten Krise wohl die meisten Akteure der Branche bejahen. Vor allem Mersch unterstrich das Problem in den vergangenen Monaten immer wieder: Auch wenn die Liquiditäten meist auf Konzernebene gemanaget würden, könnten die ausländischen Muttergesellschaften in Zukunft nicht weiter ungehindert Liquiditäten aus ihren Luxemburger Filialen absaugen.
Die Bankenvereinigung ABBL ist skeptisch, will weiterhin nicht, dass sich die Zentralbank in die Mikro-Aufsicht ihrer Mitglieder einmischt. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Liquiditäten grund-los in den Filialen blockiert werden, so Gilles Pierre, ABBL, auch wenn natürlich darauf geachtet werden müsse, dass die hiesigen Banken nicht von den Muttergesellschaften ausgeblutet würden. Odenius bemängelte zudem, auch in den Luxemburger Banken habe es Fremdfinanzierungsgradexzesse (leverage) gegeben, teilweise habe das Verhältnis 1:20 betragen. Grob vereinfacht heißt das, die Finanzinstitute haben zu viel von dem Geld, das sie investiert haben, geborgt. Das verlange nach einer verbindlichen Obergrenze des leverage-Quotienten. Die Banken müssten ihre Bilanzen verkürzen – das würde notgedrungen auch zu weniger Steuereinnahmen führen.
Über eine solche verbindliche Obergrenze diskutieren derzeit auch die Basel-Komitees – zum Unmut der ABBL. Eine verbindliche Obergrenze, die das Verhältnis zwischen Eigenmitteln und der Bilanzsumme regelt, sei zum Beispiel im Falle einer Übernahme problematisch, weil sich die Bilanzsumme dann automatisch ausdehne, die Grenze überschritten würde. Würden die Banken dann gezwungen, Kunden abzugeben, um die Bilanzsumme wieder auf das geforderte Niveau zu bringen, fragt ein skeptischer Pierre.
Ein weitere Empfehlung des IWFs betrifft die in Luxemburg registrierten Geldmarktfonds. Rund 100 der 300 Milliarden Euro, die Geldmarktfonds den Banken der Eurozone an kurzfristigen Krediten zur Verfügung gestellt haben, stammten aus Luxemburg, so Odenius. Weswegen die Luxemburger Geldmarktfonds durchaus ein systemisches Risiko für das Finanzwesen der Eurozone darstellen. Daher empfiehlt der IWF auch in diesem Punkt, dass Luxemburg mit anderen EU-Ländern über Garantien für die Geldmarktfonds verhandelt. Verkaufen die Anleger nämlich aus Angst davor, dass die Banken die von den Fonds gewährten Darlehen nicht mehr zurückzahlen können, massiv Fondsanteile, gibt es Liquiditätsengpässe. Deswegen gab Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangenen Herbst den deutschen Geldmarktfonds Garantien, woraufhin Staatsminister Jean-Claude Juncker mehrmals im In- und Ausland wiederholte, Luxemburg garantiere die eigenen Geldmarktfonds. Die seien nicht weniger gut gesichert als die der Deutschen. Ein leeres Versprechen. Denn, wie Odenius am Montag unterstrich, sind solche Summen für den Luxemburger Haushalt nicht zu schaffen. Nur wie der Staatsminister seine europäischen Kollegen, die ohnehin mehr oder weniger unverhohlen auf die Luxemburger Fondsbranche eifersüchtig sind, dazu überreden soll, multilaterale Garantien für die hiesigen Fonds zu geben, sagte er nicht. Vielleicht gibt es im endgültigen Bericht der IFW-Mission, der in einigen Wochen verfügbar sein soll, darauf ja mehr Hinweise.