Haben die freiberuflichen Ärzte, die große Mehrheit der hierzulande tätigen Mediziner also, im vergangenen Jahr an Einkommen eingebüßt, als sie mit einem service réduit gegen die Gesundheitsreform protestierten? Logisch wäre es, denn der Bummelstreik dauerte über vier Wochen. Arztpraxen blieben ab 13 Uhr geschlossen, und in den Krankenhäusern fanden nur die wichtigsten Operationen statt.
Die Protestaktion erkläre zumindest „teilweise“, warum die durchschnittlichen Honorareinnahmen der Mediziner im vergangenen Jahr nur um 1,6 Prozent stiegen, schreibt die Generalinspektion der Sozialversicherung (IGSS) in ihrem diese Woche veröffentlichten Jahresbericht 2010. Die Durchschnittseinnahmen der Allgemein-mediziner sanken gegenüber 2009 um drei Prozent, die der Spezialisten um 0,8 Prozent. Dass die Einnahmen aller Ärzte unterm Strich dennoch stiegen, lag einzig an dem beträchtlichen Honorarwachstum bei den Zahnärzten: Ihre mittleren Einnahmen stiegen trotz service réduit um 9,5 Prozent. Die IGSS erklärt die Zunahme mit der neuen Zusatzversicherung Denta [&] Optiplus der Caisse médico-chirurgicale mutualiste – Zahnersatz wurde dadurch erschwinglicher und entsprechend öfter in Anspruch genommen.
Allerdings sagt die Honorareinnahmen-Statistik nichts über die Einkünfte der Ärzte aus. Einerseits, weil damit nur die Einnahmen aus den Honoraren laut Konvention und Gebührenordnung mit der CNS gemeint sind, nicht aber die aus der Behandlung von Nicht-CNS-Versicherten oder Gewinne aus frei kalkulierten Preisen. Da aber gerade viele Zahnersatzleistungen frei kalkuliert werden dürfen und die CNS darauf nur einen kleinen Anteil rückerstattet, nahmen die Honorareinkünfte der Zahnärzte letztes Jahr in Wirklichkeit um mehr als nur knapp zehn Prozent zu.
Ebenfalls wenig aussagekräftig über die Verdienstlage in der Ärzteschaft sind die Honorareinkünfte aber auch, weil von ihr weitere Kosten für den Betrieb der eigenen Praxis, die Bezahlung von Angestellten und Investitionskosten abgezogen werden müssen. Allerdings: Bestimmte Spezialistenberufe werden im Grunde exklusiv im Krankenhaus ausgeübt, wo Personal, Technik und Betrieb zulasten des Spitalbudgets gehen. Zu diesen Disziplinen gehört etwa die Radiologie, in der letztes Jahr wie auch schon in den Jahren zuvor am meisten Honorar eingenommen wurde: 2006 waren das pro Radio-loge im Schnitt knapp 450 000 Euro im Jahr, 2010 knapp 550 000 Euro. Am unteren Ende der von der IGSS publizierten Skala rangieren die Durchschnitts-Honorareinnahmen der Kinder-psychiater. Sie waren 2010 mit 150 000 Euro pro Arzt um rund ein Sechstel niedriger als 2006 und lagen etwa zehn Prozent unter den mittleren Honorareinnahmen eines Generalisten.
Nach einer international gebräuchlichen OECD-Methode hat die IGSS auch den Bruttoverdienst der Mediziner vor Steuern und nach Abzug der Kosten für den Betrieb der Freiberufler errechnet. Allerdings ist die Bilanz nicht jünger als für das Jahr 2005. Sie zeigt aber die Verdienstunterschiede zwischen freiberuflichen und fest angestellten sowie zwischen männlichen und weiblichen Ärzten. Demnach verdiente 2005 in Luxemburg ein freier männlicher Generalist 136 467 Euro brutto, eine Allgemeinmedizinerin nur 90 322 Euro. Angestellte männliche Allgemeinärzte verdienten 116 923 Euro brutto, weibliche 108 112 Euro.
Weil die Statistiken der IGSS keinen Aufschluss über die Arbeitszeit geben, lassen sich die Einkommen nur eingeschränkt vergleichen. 2005 betrug das Durchschnitts-Bruttoeinkommen eines männlichen freien Spezialisten 272 777 Euro, das einer freien Spezialistin 183 443 Euro. Ob der Arzt eine 80-Stunden-Woche hatte und die Ärztin nur eine 60-Stunden-Woche, und ob ein angestellter männlicher Spezialist seine 161 756 Euro in einer 40-Stunden-Woche verdiente und eine angestellte Spezialistin ihre 111 046 Euro vielleicht in Teilzeit, bliebe noch zu beantworten.