Einheit macht stark, dachten sich im Vorfeld dieser Wahlen die Jugendparteien und traten gemeinsam auf, um sich Gehör bei Medien und Wählern zu verschaffen. So geschehen bei Rundtischgesprächen an Schulen und gemeinsamen Pressekonferenzen. Von dieser Strategie haben im Endeffekt alle Jugendparteien profitiert. Sowohl déi Jonk Gréng, wie auch die Chrëschtlech Sozial Jugend (CSJ), die Jeunesses socialistes luxembourgeoises (JSL), die Jeunesse démocrate et libérale (JDL) und déi jonk Lénk sind mit dem Abschneiden ihrer Kandidaten zufrieden.
Sechs KandidatInnen hatte die CSJ ins Rennen geschickt, weniger als andere Parteien, das gibt Serge Wilmes, 27, Präsident der christlich-sozialen Jugend zu. „Wir hatten vor zwei, drei Jahren einen Generationenwechsel“, so Wilmes, deswegen sei der Bestand an jungen Leuten mit Potenzial derzeit ziemlich gering. Den Ausgang der Wahlen sieht er dennoch positiv. „Mit Frank Engel stellen wir den jüngsten Europaabgeordneten“, sagt er stolz. Frei von jedweder falschen Unbescheidenheit verweist er auf seinen 14. Rang auf der Zentrumsliste, sieht in dem Ergebnis Parallelen zu dem, das Jean-Claude Juncker erzielte, als er sich 1979 zum ersten Mal zur Wahl stellte. Da stört ihn auch nicht, dass Karateka Tessy Scholtes, ebenfalls 27, es vor ihn auf dem 13. Rang schaffte. Scholtes, durch ihre sportlichen Leistungen landbekannt, konnte zwar vor den Wahlen im RTL-Interview den Unterschied zwischen einer proposition de loi und einem projet de loi nicht erklären, hat aber nun wie Wilmes gute Chancen, auf die Ersatzbank zu rutschen. Traurig ist der CSJ-Vorsitzende einzig über das Abschneiden von Fabienne Gaul, die trotz mehrmonatiger Parlamentspräsenz vor den Wahlen ihren Sitz nicht verteidigen konnte und im Zentrum drittletzte der CSV-Kandidaten wurde.
Bei den Jusos sticht vor allem das Ergebnis der JSL-Vorstizenden Taina Bofferding hervor. Der Studentin ohne politisches Mandat, die sich erstmals zur Wahl stellte, gelang im Süden auf der mit Ministern, Abgeordneten, Bürgermeistern und Schöffen prall gefüllten LSAP-Liste mit dem 13. Platz ein bemerkenswertes Resultat. Auch wenn keine Chance besteht, dass die 26-jährige ins Parlament nachrutschen kann: sie überholte ihre Juso-Kollegen Tom Jungen, Bürgermeister der Gemeinde Roeser, Dan Biancalana, Schöffe in Düdelingen, und Yves Cruchten, Gemeinderatsmitglied in Bascharage und Vize-Parteipräsident. „Ich bin selbst überrascht, dass ich als junge unbekannte Frau ein solches Resultat habe“, sagt Bofferding, „und ich bin froh, dass ich für meine Partei antreten durfte.“ Ob die Partei ebenfalls froh ist, Bofferding einen Platz auf der Liste gegeben zu haben, und die Signale in ihrer Analyse richtig deutet? Ob sie künftig anstatt auf „alte Männer in grauen Anzügen“ jungen Kandidaten und vor allem auch mehr Frauen eine Chance gibt? Denn auch Juso-Kandidatin Claudia Dall’Agnol hat ihren Sitz verteidigt, ist direkt gewählt, anders als Roger Negri, Schöffe in Mamer, und Roland Schreiner, Bürgermeister in Schifflingen. Ein Stuhl am Krautmarkt ist auch Juso Ben Scheuer so gut wie sicher. Wenn der erstgewählte Sozialist im Osten, Nico Schmit, wieder einen Regierungsposten erhält, rutscht der 28-jährige Junior-Scheuer ins Parlament nach.
Insgesamt, da stimmen Bofferding und Wilmes überein, haben die jungen Kandidaten gut abgeschnitten. Ein Erfolg, den sie auch auf das parteiübergreifende Vorgehen und das gemeinsame Bemühen um die Aufmerksamkeit der Wähler zurückführen. „Dadurch hatten wir eine massive Präsenz“, sagt Wilmes, „auch wenn nicht alle das sofort in bare Münze umsetzen konnten.“ Auch KandidatInnen wie Fabienne Lentz von déi Lénk hatten dadurch die Möglichkeit in der Öffentlichkeit aufzutreten und sich zu präsentieren. Das schlägt sich auch in ihrem Resultat nieder. Die 30-jährige Lentz, die zum ersten Mal antrat, fand sich auf der Zentrumsliste der neuen Linken gleich an dritter Stellen wieder, was sie „ziemlich überrascht.“ Weil bei der Linken Kandidaten mit 35 noch offiziell jung sind, hatte sie mit Abstand am meisten Kandidaten am Start. Michel Erpelding ging im Zentrum als Sechster aus dem Rennen, im Süden Marc Baum gar als Dritter hinter André Hoffmann und Serge Urbany. Je nachdem, wie lange Ersterer plant, sein Amt auszuüben, und ob Letzterer die Nachfolge antritt, hat Baum eventuell Chancen, gegen Ende der Legislaturperiode im Parlament antreten zu können.
Die jungen Grünen, angeführt von Philippe Schockweiler, Nadine Schmit und Marion Muller, verließen sich allerdings nicht nur auf die parteiübergreifende Öffentlichkeitsarbeit. Sie nutzen die Möglichkeiten, die das Wahlgesetz zu elektoralen Zwecken erlaubt, besorgten sich die Wählerdaten und warben bei den Erstwählern in einem persönlichen Schreiben um deren Stimmen. Der 22-jährige Schockweiler erreichte im Zentrum den 13. Platz, Laura Pregno und Nadine Schmit belegten im Süden die Ränge zehn und zwölf. Besonders freuen sich die jungen Grünen allerdings über den zweiten Platz der 24-jährigen Núria Garcia und den dritten Platz von Manuel Huss auf der Europaliste.
Claude Lamberty, Vorsitzender der JDL, ist seinerseits vom Resultat der 20-jährigen Véronique Bruck begeistert, die für das Europaparlament kandidierte und sich hinter Charles Goerens und Max Kuborn an dritter Stelle positionieren konnte. Lamberty inklusive, konnten sich insgesamt drei Jungliberale in den Top-Ten ihrer Listen platzieren. Damit habe man die eigenen Erwartungen übertroffen. Wichtiger für ihn ist allerdings, dass Xavier Bettel (35) und Claude Meisch (37), die ersten in ihrem jeweiligen Wahlbezirk dem Jugendparteialter erst knapp entwachsen sind. „2004 war Claude Meisch noch ein Kandidat der JDL. Jetzt ist er Parteipräsident und hat im Süden das bislang beste Resultat eines Liberalen überhaupt erzielt“, so Lamberty.
Würde nur das Wahlergebnis der jungen Wähler zählen, würden die Koalitionsverhandlungen derzeit wahrscheinlich von anderen Parteien geführt. Den noch vorläufigen Ergebnissen einer TNS-Ilres-Studie zufolge haben rund 30 Prozent der Wähler im Alter zwischen 18 und 24 Jahren für die CSV gestimmt, zwischen 23 und 25 Prozent für die Grünen, rund 15 Prozent gaben den Sozialisten ihre Stimmen, rund 12 Prozent der DP, knapp zehn Prozent der ADR und nur drei bis vier Prozent den Linken. „Bislang waren es eher die Eltern als ihre Kinder, die Grün wählten“, sagt Charles Margue von TNS-Ilres. Beim letzten Urnengang hatten nur 20 Prozent der Jugendlichen auf Grün gesetzt, 40 Prozent von ihnen hatten der CSV ihre Stimmen gegeben. Dieser Trend, meint Margue, drehe sich nun ins Gegenteil um.
Bemerkenswert ist auch der niedrige Stimmenanteil der Linken, besonders, da ihr gutes Ergebnis vergangenen Sonntag auch auf die breite Unterstützung der Studenten zurückgeführt wurde. Die sind zwar jung aber gleichzeitig Akademiker. Damit passen sie punktgenau ins altersübergreifende Beuteschema der Linken. Unter ihren Wählern sind besonders viele Studierte. Bei der LSAP verhält es sich genau umgekehrt, erklärt Margue. Konnte die Linke – trotz Krise – beim jungen Elektorat nur ihre natürliche Stammkundschaft begeistern? Dass immerhin zehn Prozent der Jugendlichen für die ADR stimmten führt der Liberale Lehrer Lamberty – auf Basis nicht repräsentativer Aussagen – zum Teil auf das smartvote-System zurück. „Viele Jugendliche haben mir gesagt, sie hätten sich dort dafür ausgesprochen, dass in den Geschäften Luxemburgisch gesprochen werden soll. Deswegen lautete die Wahlempfehlung von smartvote ADR“, sagt Lamberty. Um zu erkennen, dass hinter den markigen Slogans oftmals Ideologien steckten, mit denen sie sich eigentlich nicht identifizieren könnten, dafür fehle vielen Jugendlichen die politische und Allgemeinbildung, bedauert er.
Bezeichnend, dass die junge ADR-Kandidatin Tania Gibéryen, die von Gesetzeswegen ihr Mandat ohnehin nicht annehmen konnte, Fernand Kartheiser von der Association des hommes du Luxembourg ihr Mandat überlässt. Ob die vielen allein erziehenden Mütter, die man auf ADR-Listen vorfindet, an dessen Gesinnung Gefallen finden werden, sei einmal dahin gestellt.