Mehrstaatenverträge treten in der Regel in Kraft, wenn zwei Drittel der Unterzeichnerstaaten die Verträge ratifiziert haben. Für den Fiskalpakt war dies am 21. Dezember 2012 der Fall. Als zwölftes Land hinterlegte Finnland an diesem Tag die Ratifizierungsurkunde. Referenzgröße ist trotz 25 teilnehmender Länder die Anzahl der Eurostaaten. Dass das immer noch 17 Länder sind, muss, kann und darf die Europäische Union durchaus als Erfolg werten. Der Fiskalpakt soll sicherstellen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Er ist seit dem 1. Januar gültig.
Die Verabschiedung des Fiskalpaktes innerhalb eines dreiviertel Jahres ist ein großer Kraftakt gewesen. Die Bevölkerung eines der am meisten von der Euroschuldenkrise gebeutelten Staaten hat dem Pakt sogar mit eindrucksvoller Mehrheit ihren Segen geben. Die sonst in Europa als so störrisch verschrienen Iren haben sich nicht nur mit über 50 Prozent an einem Referendum über den Fiskalpakt beteiligt, sie haben auch mit rund 60 Prozent zugestimmt. Und das, obwohl die Iren einen Einkommensverlust von fünf Prozent hinnehmen mussten und jeder siebte als Langzeitarbeitsloser gilt. Frankreich, das mit Hollande den Pakt so gerne entschärfen wollte, hat ihn im letzten Herbst mit großen überparteilichen Mehrheiten unverändert ratifiziert. Luxemburg lässt sich noch etwas Zeit. Das Großherzogtum ist nicht unter den ersten zwölf gelandet.
Es wird also ernst mit den Grundbestimmungen des Maastrichter Vertrages zur Unterstützung der gemeinsamen Währung. Wer die Kriterien nicht einhält, der kann sich nicht mehr von seinen Kollegen im Rat freisprechen lassen. Sanktionen erfolgen zukünftig automatisch und können nur noch mit einer qualifizierten Mehrheit vom Rat zurückgewiesen werden. Bisher mussten diese erst ausdrücklich beschlossen werden. Zukünftiger Schiedsrichter ist der Europäische Gerichtshof. Um die Verbindlichkeit zu erhöhen, ist die Einführung einer nationalen Schuldenbremse mit Verfassungsrang verpflichtend. Das konjunkturunabhängige Defizit, allgemein strukturell genannt, darf 0,5 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht überschreiten. Bei guter Führung (nationaler Schuldenstand unter 60 Prozent) darf das Defizit bei 1,0 liegen. Liegt der Schuldenstand über 60 Prozent, muss er jährlich mit einem Zwanzigstel des Betrages über 60 Prozent abgetragen werden. Hilfen aus dem Rettungsfonds können nur Länder beantragen, die den Pakt bis zum März ratifiziert haben. Wer gegen die Auflagen verstößt, muss einen Maßnahmenkatalog der Europäischen Kommission akzeptzieren und dessen Umsetzung überwachen lassen. „Dieser Korrekturmechanismus wahrt uneingeschränkt die Vorrechte der nationalen Parlamente“, heißt es dazu in Artikel 3 des Vertrages. Schöner sind kaum je nationale Parlamente entmachtet worden.
Der Fiskalpakt verpflichtet die Euroländer auch darauf, ihre Wirtschaftspolitiken stärker zu koordinieren. Eine europäische Wirtschaftspolitik ist das ausdrückliche Ziel des Paktes. Weiterhin können außergewöhnliche Umstände ein Abweichen von den Regeln ermöglichen, wenn die mittelfristige Sanierung davon unberührt bleibt. Dieser Artikel wird schon in diesem Jahr für die Zurückführung der Defizite z um Beispiel in Frankreich und Spanien zur Anwendung kommen. Vollkommen starr ist der Pakt also nicht. Auch der Zwang übermäßige Schulden innerhalb von 20 Jahren abzubauen, kann schwerlich als Radikalkur gewertet werden.
Ökonomen sind weltweit über den Fiskalpakt zerstritten. Vielleicht ist das eher eine gute Nachricht. Der Pakt gilt als das fast alleinige Werk von Angela Merkel. Dass sich alle diesem „deutschen Diktat“ gebeugt haben, mag zum einen auch daran liegen, dass es wenig bis keine Alternativen gab, wenn man einmal von einem europäischen Bundesstaat oder der Garantie der südeuropäischen Schulden durch die Nordeuropäer absieht. Zum anderen zeigt die Verabschiedung aber auch die neue Kraft der alten Bundesrepublik, die die Bürde der Wiedervereinigung endgültig abgelegt hat und unangefochten zum neuen Kraftzentrum der EU herangewachsen ist. Hierin mag, viel mehr noch als im Fiskalpakt, auf Dauer die größere Sprengkraft für eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik liegen. Zumal Frankreich als Gegengewicht zu Deutschland zurzeit kaum noch eine effektive Rolle zu spielen scheint.
Hollande kommt, gerade weil er geschwächt ist, eine Schlüsselrolle für die Zukunft von Euro und EU zu. Frankreichs strukturelles Defizit liegt aktuell bei vier Prozent und kann mit einer Reichensteuer, die ein paar hundert Millionen Euro einbringt, wenn sie denn kommt, kaum saniert werden. Hollande muss mehr einfallen als bisher, denn scheitert Frankreich an seiner Sanierung, dann war das griechische Trauerspiel nur die Vorgruppe vor dem Hauptakt. Offiziell spricht man in Brüssel noch von den Problemfällen Italien und Spanien, hinter der Hand aber nimmt das Gemurmel über Frankreich zu.
Die Eurokrise ist noch nicht vorbei, sagen viele Ökonomen und Zentralbanker. Fast 20 Millionen Arbeitslose in der EU werden das gerne bestätigen. Hoffnung heißt heute, dass 2013 die Talsohle erreicht wird. Sicher ist das keineswegs. Aber möglich. Wie viel Anteil daran der Fiskalpakt gegebenenfalls hat, werden erst Historiker bestimmen können.