Bis Ende April soll PWC der Wohnungsbauministerin vorschlagen, wie die Reform des Fonds du logement aussehen könnte. Politisch ist sie schon vorgezeichnet

Vom Raumplaner zum Sozialarbeiter

d'Lëtzebuerger Land vom 06.03.2015

Nein, Wohnungsbauministerin Maggy Nagel (DP) möchte derzeit nicht erläutern, was sie sich von dem Audit verspricht, das sie von PWC beim Fonds du logement durchführen lässt. Die Angelegenheit, lässt ihr Pressesprecher durchblicken, sei politisch sensibel.

Das ist wohl wahr. Seit Wochen liefert der Fonds du logement Negativschlagzeilen. Ging es Anfang Dezember um dessen Chefbuchhalter, der sich sein Gehalt durch Gutschrift nicht geleisteter Überstunden aufgebessert haben soll, meldete paperjam.lu Anfang Januar, die ING Bank habe dem Fonds auf diese Dysfunktion hin eine Kreditlinie über fünf Millionen Euro gestrichen. Vor der Zahlungsunfähigkeit gegenüber seinen Lieferanten habe er nur bewahrt werden können, weil die Ministerin einem Hilferuf von Vorstandschef Daniel Miltgen folgte, Subventionen schnell auszahlen ließ, und es dem Fonds gelang, kurzfristig eine neue Kreditlinie mit ING auszuhandeln.

Vor drei Wochen gelangte Miltgen dann selber in die Schusslinie, als Radio 100,7 berichtete, er habe 2011 mit einem Privatpromotor per Konvention vereinbart dafür zu sorgen, dass in Leudelingen ein Stück Grünland zu Bauland umgewidmet wurde; eine Operation, die ein Jahr zuvor der damalige Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) aus urbanistischen Gründen verworfen hatte. Auf die Radiomeldung hin distanzierte Maggy Nagel sich öffentlich von der Konvention und gab sie an die Staatsanwaltschaft weiter.

Am Donnerstag vergangener Woche schließlich ließ die Wohnungsbauministerin mitteilen, sie habe die Personaldelegation des Fonds du logement getroffen und diese in dem „sehr konstruktiven“ Gespräch erklärt, „zahlreiche“ Mitarbeiter hielten sich zur Verfügung bei dem Audit. Nagel wiederum versicherte das Personal ihres „Vertrauens“. Liege das Audit vor, werde die Reform des Wohnungsbaufonds im „Teamgeist“ erfolgen. Zwischen den Zeilen liest man, damit könnte vor allem die Beendigung der Ära Miltgen, während eines Vierteljahrhunderts unter CSV-Ministern der starke Mann in der Wohnungsbaupolitik, gemeint sein.

Programmiert ist die Wende eigentlich schon im Koalitionsvertrag der Regierung. Darin steht im Kapitel „Wohnungsbau“ zwar, nicht nur die Tätigkeit des Fonds du logement, sondern auch die der Société nationale des habitations à bon marché (SNHBM) werde „evaluiert“ und daraus „die nötigen Schlüsse“ gezogen. Doch gleich anschließend wird die „Restrukturierung“ des Wohnungsbaufonds angekündigt, um dessen „Funktion“ und „Ausbeute“ an den „tatsächlichen Bedarf im sozialen Wohnungsbau und die wohnungsbaupolitischen Prioritäten der Regierung anzupassen“. Weil der Auftrag des Fonds schon seit seiner Gründung 1979 darin besteht, im Rahmen staatlicher Wohnungsbauprogramme Bauland aufzukaufen oder zu erschließen und preiswerten Wohnraum zum Verkauf oder zur Vermietung zu schaffen, waren DP, LSAP und Déi Gréng sich schon im Dezember 2013 offenbar ziemlich sicher, dass er dabei versagt.

Die Zahlen deuten auch darauf hin. In den 35 Jahren seines Bestehens zwischen 1979 und 2013 verkaufte der Fonds du logement 1 429 von ihm gebaute oder sanierte Wohnungen, 40 im Jahresschnitt. Sein Mietwohnungspark umfasste Ende 2013 1 765 Wohnungen, 39 waren in jenem Jahr neu hinzugekommen. Interessanterweise hatte gerade der Mietwohnungsbau, der traditionell mit „Sozialwohnungen“ assoziiert wird, nach der Jahrtausendwende nachgelassen: Zwischen 1991 und 2001 hatte der Fonds im Jahresschnitt 60 Einheiten gebaut, zwischen 2002 und 2012 nur 27,5. Das ist nicht nur erschreckend wenig angesichts der Ende 2013 1 149 Personen langen Warteliste auf eine Sozialwohnung. Es ist auch erstaunlich, da der Fonds gerade in den schwachen Jahren 2001 bis 2012 seine Belegschaft von 21 auf 54 Mitarbeiter erhöhte. Ein Minister, der da nicht nach dem Rechten schauen lässt, nimmt sein Amt nicht ernst, denn der Fonds unterliegt laut Gesetz der „Überwachung“ des Wohnungsbauministers, der das Recht hat, jederzeit jegliche Aktivität des Fonds zu kontrollieren.

Und bauen lassen will die Regierung ja. 10 517 subventionierte Wohnungen sollen zwischen 2010 und 2025 entstehen, hält das Mehrjahres-Wohnungsbauprogramm fest, das die Regierung von ihrer Vorgängerin übernommen und überarbeitet hat. 3 711 soll der Fonds du logement beisteuern, 3 582 die SNHBM und 2 273 die Gemeinden. Allerdings stellte der Fonds du logement, Kauf- und Mietobjekte zusammengenommen, zwischen 1979 und 2013 nur 91 Wohnungen im Jahr fertig. Wie er die Vorgabe des Mehrjahresprogramms erfüllen könnte, ohne dafür 40 Jahre zu benötigen, ist die Frage. Dabei verlangt Maggy Nagel vom Fonds du logement sogar weniger als ihr CSV-Vorgänger. Marco Schank hatte im Mehrjahresprogramm 2010 bis 2017 durch den Fonds 4 330 Wohnungen realisiert sehen wollen, also mehr als 500 jährlich.

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte viel damit zu tun haben, dass Fonds-Vorstandschef Miltgen nicht nur dieses Amt innehat, sondern unter den wechselnden CSV-Ministern auch Erster Regierungsrat und Generalkoordinator im Wohnungsbauministerium war und unter der letzten CSV-LSAP-Regierung noch zum Generalkoordinator in der Umweltabteilung des Nachhaltigkeitsministeriums und zum Schluss sogar politischer Koordinator sämtlicher Abteilungen des Superministeriums auf dem Kirchberg wurde. Dass er nach Amtsantritt der neuen Regierung binnen Wochen seine politischen Ämter verlor, diente sicherlich auch der Kaltstellung eines CSV-Spitzenbeamten, sollte aber vielleicht sogar in erster Linie dem Fonds du logement zu einer Vollzeit-Führung verhelfen, die er in den 25 Jahren von Miltgens Wirken als Ministerialdirigent nie besaß. Maggy Nagel bemerkte gegenüber dem parlamentarischen Wohnungsbauausschuss Mitte Dezember, dass der Fonds 2014 „große Anstrengungen unternahm, um seine Projekte voranzutreiben“, sei „zum großen Teil“ darauf zurückzuführen, dass Miltgen sich nun „ganz“ seinem Betrieb widmen kann.

In der Vergangenheit reklamierten Mitarbeiter gegenüber dem Fonds-Vorstand immer wieder, dass „etwas geschehen“ müsse. Gemeint war damit nicht nur der oft abwesende Chef mit den vielen Ämtern im Regierungsapparat, sondern auch die Ausrichtung des Wohnungsbaufonds. Daniel Miltgen sieht sich lieber als Stadtplaner denn als Wohnungsbauer. Er liefert nicht nur nach wie vor dem Luxemburger Wort Leserbriefe, die er als „Ingenieur für Raumplanung“ unterschreibt und in denen er besser als andere zu wissen vorgibt, was mit Landesplanung und Urbanismus gemeint ist. Er sorgte auch dafür, dass der Fonds du logement mehr und mehr in die Konzep-tion ganzer Stadtviertel einstieg und dazu seine Missionen 2002 durch eine Gesetzesänderung erweitert wurden. Seitdem heißt die öffentliche Einrichtung „Fonds pour le développement du logement et de l’habitat“ und darf von sich aus jegliche Initiative zur Entwicklung von Wohnungen und Wohngebieten ergreifen. Sechs Jahre später erteilte das Wohnungsbaupakt-Gesetz dem Fonds überdies ein Vorkaufsrecht für Grundstücke außerhalb des Bauperimeters von Gemeinden sowie für kommunales Bauerwartungsland.

Das führte, wie man heute weiß, nicht nur zu Deals wie mit dem Privatpromotor in Leudelingen, den Miltgen vor drei Wochen in einem Brief an Maggy Nagel damit rechtfertigte, der Fonds könne ja jede Initiative zur Schaffung von Wohngebieten ergreifen. Es führte den größten öffentlichen Akteur im Wohnungsbau auch weg von seiner sozialen Mis-sion – beispielsweise dem Aufkauf von Wohnungen, ihrer Sanierung und raschen Vermietung – und stattdessen hin zu komplexen Projekten wie den Escher Nonnewisen, der Düdelinger Cité du futur oder dem Wohnungsbau auf den Wiltzer Industriebrachen. Bezeichnenderweise ging nach 2002 nicht nur die Realisierung von Wohnungen zurück. Der Fonds nahm auch staatliche Mittel zur Erfüllung seiner sozialen Mission nicht vollständig in Anspruch. Zwischen 2000 und 2013 wurden ihm im Staatshaushalt dafür insgesamt 142,5 Millionen Euro bewilligt, aber nur 96,5 Millionen nutzte er tatsächlich. Als die Wohnungsbauministerin diesen Budgetartikel 2014 ganz cool mit nur einer Million Euro ausstattete, obwohl Miltgen 7,5 Millionen beantragt hatte, war das ein Signal.

Wie der Vorstand des Fonds solchen Entwicklungen zuschauen konnte, trotzdem ihm neben Vertretern anderer Ministerien sowie von Gewerkschaften und Patronatskammern mit Jeannot Waringo auch der Chef der Finanzinspektion angehörte, ehe er im Herbst vergangenen Jahres demissionierte, lässt sich vielleicht mit dem Tun und Lassen im CSV-Staat erklären. Das „blinde Vertrauen“ seiner Minister wirke auf ihn „wie Adrenalin“, erzählte Miltgen im Juni 2013 der Zeitschrift Forum (Ausgabe 330) in einem Interview freimütig.

Maggy Nagel dagegen hat gegenüber dem parlamentarischen Wohnungsbauausschuss angedeutet, „persönlich“ sehe sie die Zukunft des Fonds du logement im Mietwohnungsbau und bei der Verwaltung von Mietwohnungen. Als sie unlängst gemeinsam mit Miltgen auf der Baustelle der Wiltzer Industriebrache auftrat, bedauerte sie laut vernehmbar, dass dort „nur ein Drittel Mietwohnungen“ vorgesehen sei. Die „Restrukturierung“ des Fonds, die schon im Regierungsprogramm steht, könnte, das hat Nagel ebenfalls schon durchblicken lassen, Stadtentwicklung aus den Missionen des Fonds streichen, ihn dagegen ausdrücklich zum „suivi social“ von Mietern in Zusammenarbeit mit den Sozialämtern verpflichten.

Im Gegenzug könnte der Bau „erschwinglichen Wohnraums“, der, etwa per Erbpacht um den Grundstückspreis verbilligt, zum Kauf angeboten würde, stärker der SNHBM übertragen werden. Die Aktiengesellschaft, deren Kapital vom Staat, der Spuerkees, dem Kompensationsfonds der Pensionskasse und den vier größten Gemeinden gehalten wird, ist verglichen mit dem Fonds du logement der dynamischere Akteur und auch besser geführt: Sie besaß schon immer einen Verwaltungsrat und einen hauptamtlichen Direktor, während beim Fonds du logement der Vorstandschef lediglich als selbsternannter Direktor auch das Tagesgeschäft leitet. Obwohl kleiner als der Fonds, ließ die SNHBM mehr Wohnungen bauen, verkauft nicht selten preiswerter als jener und hat angekündigt, in Zukunft bis zu 300 Wohnungen jährlich bereitzustellen, wie es der Mehrjahresplan der Regierung vorsieht, sei zwar ein anspruchsvolles Ziel, aber „machbar“; das Personal werde „schnellstmöglich“ von 50 auf 75 Mitarbeiter aufgestockt.

Ende April soll das PWC-Audit zum Wohnungsbaufonds vorliegen. Gut möglich, dass es zu der Arbeitsteilung mit der SNHBM kommt, da sie politisch schon weitgehend vorgezeichnet ist. Der Fonds würde dann vom Stadtplaner zum Wohnungsplaner entlang sozialer Kriterien und die Ära Miltgen, wie man sie kannte, in der Tat beendet.

Peter Feist
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