Sie sehen aus wie die kleinen Sinnbilder von Smartphone-Apps – quadratisch, mit abgerundeten Ecken und kunterbunt. Was auf den Bildern zu sehen ist, erinnert bald an Sciencefiction, bald an psychedelische Kunst der Siebzigerjahre. Mal prangt in der Bildmitte ein feuerrotes menschliches Herz, von dem gelbrote Strahlen nach außen gehen, mal eine DNA-Doppelhelix auf rosafarbenem Grund. Ein andermal scheint ein bläulich schimmernder Wasserfloh mit Tentakelarmen durch ein dunkle Unterwasserwelt zu gleiten.
Willkommen auf der Webseite der Firma Fast-track Diagnostics aus Junglinster – und in der Welt der Diagnostik von Infektionskrankheiten. Denn bei allen modischen Anklängen an die Touchpad-Designkultur verbirgt sich hinter diesen Bildern eine ernste Angelegenheit. Jedes Bild steht für einen so genannten „Kit“, mit dem sich Krankheitserreger identifizieren lassen. Insgesamt 22 solcher Kits, jeder durch ein mehr oder weniger geheimnisvolles Bild vertreten, bietet Fast-track Diagnostics auf ihrer Web-Seite an. Gedacht ist das Angebot für medizinische Labors – und zwar auf der ganzen Welt. Geordert werden die Kits zwar auf Englisch. Die Einführung in ihr Angebot aber gibt die Firma in sechs Sprachen; darunter auch in Arabisch und in Urdu, wie es in Pakistan und in Teilen von Indien gesprochen wird. Nein, nein, prätentiös sei das nicht, versichert Bernard Weber, einer der Firmengründer. Der Kundenkreis reiche tatsächlich so weit. Dabei ist das Unternehmen mit Sitz im Gewerbegebiet Laangwiss am Ortseingang von Junglinster erst sechs Jahre alt.
Im heimischen Gesundheitswesen und der sich allmählich entwickelnden Biotech-Branche ist Weber eine bekannte Größe. Der Facharzt für Virologie ist Direktor der Laboratoires Réunis, des zweitgrößten biomedizinischen Analyselabors im Lande. Gemeinsam mit dem britischen Virologie-Professor William F. Carman, der an der Universität Glasgow seinerzeit das Labor für Life Sciences leitete, entwickelten die Laboratoires Réunis bis Ende 2006 die Idee zu Fast-track Diagnostics. Am Ende gründeten Carman und drei Vorstandsmitglieder der Laboratoire Réunis die Firma gemeinsam. Weil ihr Firmenname ziemlich lang ist, kürzt man ihn zu „FTD“ ab. Dass das an die kürzlich eingegangene Financial Times Deutschland erinnert, ist nur Zufall.
Was genau ein FTD-Kit ist, erkennt man auf den ersten Blick noch nicht – sondern zunächst einen handlichen Pappkarton mit vielleicht fünf Zentimetern großen Fläschchen. Was zählt, ist deren Inhalt. Und die Technik zum Umgang damit. Sie nennt sich Multiplexe Real-Time PCR. Schreibt man PCR mit Polymerase Chain Reaction aus, klingt alles noch ein wenig komplizierter.
PCR ist ein Verfahren, das in den Achtzigerjahren entwickelt wurde, seinem Erfinder einen Nobelpreis einbrachte und seit den Neunzigern in der Biomedizin immer häufiger angewandt wird. Dabei wird ein Stück genetischer Information, ein DNA-Abschnitt etwa, mithilfe eines Enzyms, der Polymerase, durch immer neue Verdopplung so lange vervielfältigt, bis sie sich nachweisen lässt. In einer menschlichen Blutprobe zum Beispiel lässt sich so die DNA von Viren, Bakterien oder Pilzen aufspüren.
Die Kits von FTD erlauben jedoch noch ein wenig mehr. Am Ende einer PCR liegt die Probe in ein Gel eigebettet vor, das dann ausgewertet wird. Real-Time PCR geht einen anderen Weg. „Bei diesem Verfahren werden dem Material zusätzlich noch fluoreszierende ,Sonden’ zugesetzt und es wird in einen speziellen Real-Time-Apparat gesteckt“, erklärt FTD-Geschäftsführerin Miriam Steimer. Die Echtzeit-Maschine sorgt für einen vorprogrammierten Temperaturverlauf, und sie kontrolliert die Probe auf auftauchende Fluoreszenzen. Jede Färbung, die sich einstellt, ist für einen bestimmten Erreger charakteristisch. Per Computer lässt sich verfolgen, welche Fluoreszenzen sich entwickeln – in Echtzeit eben. Das spart Zeit und ist empfindlicher als die klassische PCR-Analyse. Zusammengestellt und konfektioniert werden in den FTD-Labors in Junglinster letzten Endes vier Substanzen: ein „Primer“, der ein Stück genetischen Code auswählt; das Enzym zur Beschleunigung der Reaktion; die „Sonde“, die mit den Fluoreszenzen auf die Anwesenheit bestimmter genetischer Information reagiert, sowie eine Kontrollsubstanz.
Und tatsächlich werden von FTD laufend neue Analysereihen entwickelt. Sogar sehr komplexe, bei denen die Kombination von Sonden, die mit unterschiedlichen Fluoreszenzen auf ein ganzes Spektrum von Erregern ansprechen, es erlaubt, sozusagen thematische Kits zu produzieren: ein Kit für tropische Infektionen zum Beispiel, den FTD dieses Jahr neu ins Angebot nimmt, wird acht verschiedene Pathogene nachweisen können. Der Kit für Atemwegs-Infektionen, auf der FTD-Webseite durch zwei hellblaue Lungenflügel stilisiert, erlaubt den Test auf 21 Erreger. Bis zum Jahresende, kündigt Miriam Steimer an, werde Fast-track Diagnostics 40 Tests für rund 100 verschiedene Erreger im Angebot haben. „Ich würde sagen“, erklärt die Geschäftsführerin ganz cool, „mit diesem Spektrum für Real-Time PCR sind wir weltweit führend.“
Falls das stimmt, wäre es nicht zuletzt auch deshalb beeindruckend, weil für die klassischen PCR-Analysen schon in den Neunzigerjahren große Diagnostikunternehmen wie Roche, Abbott oder Siemens den Weltmarkt zu erobern begannen. Sie hätten sich jedoch, meint Bernard Weber, auf Erreger konzentriert, die so häufig getestet werden, dass der Bedarf an großen Stückzahlen von PCR-Analysen dafür schon feststand: HIV-Analysen zum Beispiel, oder Tests auf Hepatitis-Viren. „Das machen wir natürlich ebenfalls“, sagt Steimer. „Aber darüberhinaus noch mehr.“
Und offenbar ist das auch rentabel: Ende 2008, nach ihrem zweiten Geschäftsjahr, verbuchte die S.à r.l. auf einen Umsatz von 105 000 Euro noch einen Verlust von knapp 112 000 Euro und schrieb 158 000 Euro Bankschulden in ihre Bilanz. Doch schon 2009 stieg der Umsatz auf 413 000 Euro und das Betriebsergebnis auf 142 000 Euro. Ende 2011 habe der Umsatz bei über 2,3 Millionen Euro gelegen, sagt Geschäftsführerin Steimer, und der Gewinn habe sich gegenüber 2010 um 50 Prozent erhöht. Nachdem er 2010 schon um 100 Prozent gewachsen war. Die riskante Start-up-Phase scheint Fast-track Diagnostics damit hinter sich gebracht zu haben. Heute beschäftigt sie 20 Mitarbeiter. Angefangen hatte sie mit einem.
„Wir sind vor allem schnell“, antwortet Steimer auf die Frage, was FTD denn habe, was den Großen womöglich fehle. „Wir entwickeln heute manche Kits schon innerhalb von zwei bis vier Wochen. Andere Entwicklungen dauern länger, und manche verlaufen so problematisch, dass wir sie aufgeben. Solche Entscheidungen können wir viel unbürokratischer treffen als ein Großunternehmen.“
Besondere Bedeutung für Fast-track Diagnostics hat aber auch sein Netzwerk aus „Distributoren“. Das sind Verkäufer vor Ort, die Produkte für Labors anbieten – darunter auch FTD-Kits, manchmal sogar exklusiv. „Wir arbeiten mit unseren Distributoren sehr eng zusammen“, sagt Steimer, „denn sie erfahren, welcher Bedarf bei den Labors entsteht.“ FTD erhebe diesen Bedarf über seine Distributoren regelmäßig, um anschließend darauf zu reagieren. Der Aufwand für die Markteinführung neuer Kits sinkt dadurch.
Und wie die Dinge liegen, dürfte der Biotech-Betrieb aus Junglinster an Bekanntheit noch weiter gewinnen: Dieses Jahr hatte die Bill and Melinda Gates Foundation einen Test-Kit für Atemwegs-Infektionen weltweit ausgeschrieben, der vor allem in Entwicklungsländern in Asien und Afrika eingesetzt werden soll. Den Zuschlag erhielt FTD.