Eigentlich wollten Nicolas Didier und die Vereinigung, deren Präsident er ist, ja etwas anderes. Sie wollten die Groussgasmaschinn erhalten, den größten Gasmotor der Technikgeschichte, der ab 1938 in der Differdinger Eisenhütte seinen Dienst versah. Mit anderen Maschinen sollte er Kern eines „Energiemuseums“ werden, das Energie, Energiegewinnung und Energieverbrauch zum Gegenstand und ausgehend davon auch größere Zusammenhänge aus Naturwissenschaft und Technik erklärt hätte. Entstehen sollte das Museum auf dem Differdinger Hochofenplateau. Ein Riesenvorhaben: Nicht nur hätte der gigantische Gasmotor dorthin verlegt werden müssen. Seine derzeitige Heimstatt, die prunkvolle Gasmotorenzentrale II aus dem 19. Jahrhundert, die seit 1979 ausgedient hat, hätte Stück für Stück demontiert, aus dem heutigen Arcelor-Mittal-Stahlwerk abtransportiert und 200 Meter weiter wieder aufgebaut werden müssen.
Wäre CSV-Premier Jean-Claude Juncker nicht über seinen Geheimdienst gestürzt, hätte noch eine der letzten Regierungsratssitzungen vor der Sommerpause 2013 zwei Drittel der auf 55 Millionen Euro veranschlagten Finanzierung für das Projekt aus der Staatskasse bewilligt (d’Land, 20.05.2016). Weil die Geschichte anders verlief, die neue Regierung gegenüber „Juncker-Projekten“ skeptisch war und mit ihrem Zukunftspak erst einmal Sparen verordnete, schrieb die ASBL das Museumskonzept um und betreibt seit 5. Oktober 2017 auf halbem Wege zwischen Stahlwerk und Hochofenplateau das Science Center in der früheren Léierbud der Arbed. Was Nicolas Didier ein knappes halbes Jahr nach der Eröffnung bilanziert, kann sich allerdings hören lassen: Die Besucherzahlen würden steigen. Im Februar hätten sie bei 3 000 gelegen, im März könnten es 4 000 werden. Das Wochenende 10./11. März sei mit 450 Besuchern das bisher beste gewesen. „Wenn das so weitergeht“, sagt Didier, „wird unser Domizil womöglich bald zu klein.“
Wie es scheint, hat die ASBL eine Nachfragelücke zwischen Indoor-Spielplatz, Museum und Selbstmach-Labor erwischt. Alles im Zeichen von Naturwissenschaften und Technik, nur, dass im Vergleich zur Ausgangsidee die Energie nicht im Mittelpunkt steht. Neben der großen Ausstellungshalle im Erdgeschoss, in der die Besucher Flaschenzüge zum Draufsetzen ausprobieren können, elektronische Schaltungen selber zusammenstecken, das Prinzip der Magnetschwebebahn beobachten oder Industrierobotern bei der Arbeit zusehen können und noch so einiges mehr, hält das Wissenschaftszentrum Workshop-Räume bereit. Vor allem über das, was dort geschieht, definiert das Science Center sich als ein Ort, der schon Kindern – aber nicht nur ihnen – die so genannten STEM (Science, Technology, Engineering, Mathematics) vermitteln will. Bisher sind erst vier Workshop-Räume in Betrieb, einer für Materialexperimente, einer für Physik, einer für Mathe und viertens eine Küche: Die wird von einer studierten Biologin betreut, die mit ihrem Publikum kocht und bäckt und ihm nebenbei erschließen hilft, was dabei chemisch geschieht, etwa beim Keksebacken.
Üblicherweise würden in Wissenschaftsmuseen neun Zehntel der Fläche für Ausstellungen genutzt und ein Zehntel für Workshops. „Bei uns soll das Verhältnis Fifty-fifty sein“, erklärt Didier. Soll, weil sechs Workshop-Räume noch im Bau sind, darunter ein ganz schwarz gestrichener für optische Experimente. Schon die vier bestehenden Workshops aber tragen dem Science Center eine beachtliche Resonanz ein: Montags bis freitags werden sie besonders von Schulklassen frequentiert. „Besucht eine Klasse unser Center, nimmt sie im Grunde immer an wenigstens einem Workshop teil. Sekundarschulklassen oft an zwei, manchmal sogar an drei Workshops, wenngleich das schon einem Tagesprogramm gleichkommt.“ Den bisherigen Besucherzahlen und den Vorbestellungen nach dürften die Workshops bis zum Schuljahresende von mindestens 15 000 Schülerinnen und Schülern besucht werden. „Das ist großartig“, schwärmt Didier, „das entspricht
15 Prozent der gesamten Schüler-Population!“
An Wochenenden kommen vor allem Familien mit Kindern ins Science Center, wozu offenbar vor allem „Mundpropaganda“ veranlasst: „Wir zählten zum Beispiel auffällig viele Besucher aus Rosport und Bissen“, sagt Didier. „Fragten wir nach, und am Einlass wird systematisch nach der Postleitzahl des Wohnorts gefragt, dann erklärten die Leute, sie hätten von uns gehört oder ihre Kinder seien mit der Schule hier gewesen.“ Der Kanal „Schule“ und neuerdings auch der Kanal „Maison relais“ mache das Haus immer bekannter – bis nach Ulflingen. Und dank einer Facebook-Kampagne kämen immer mehr Gäste aus Frankreich: „Als dort unlängst zwei Wochen Schulferien waren, zählten wir in der Zeit 52 Prozent französische Besucher.“ Seit vergangener Woche läuft eine solche Kampagne auch in Deutschland.
Zwei Sorgen hätten sich zum Glück nicht bestätigt, erklärt Didier: „Wir haben nicht in erster Linie in Luxemburg lebende Ausländer unter den Gästen, wie das anscheinend beim Science Festival in der Hauptstadt der Fall ist, sondern mit 2 Prozent Luxemburgern und 48 Prozent Ausländern einen ziemlich repräsentativen Querschnitt der Landesbevölkerung.“ Dass in erster Linie höher Gebildete kämen, glaubt Didier ebenfalls nicht, kann sich aber nicht ganz sicher sein, weiß nur anhand der Postleitzahlen, „dass Besucher aus der Hauptstadt in allen möglichen Vierteln zu Hause sind, nicht etwa nur in Belair und Limpertsberg“. Dass die Eintrittspreise zu hoch seien, habe noch niemand behauptet: „Wir können nicht übersozial sein. Auch in der großen Ausstellungshalle werden immer betreute Experimente angeboten und Vorführungen finden statt. Das verursacht einfach Gehaltskosten.“
Apropos Mitarbeiter: Die zweite Sorge sei gewesen, zur Betreuung der Workshops womöglich kein Personal zu finden, das polyglott genug wäre, die Experimentalküche oder das Mathe-Labor, je nachdem wer gerade teilnimmt am Workshop, auf Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und Englisch gleich gut animieren zu können. „Wir bekamen aber 150 Bewerbungen für die sechs Stellen, und die meisten unserer Mediateure kommen aus dem Schulwesen und wollten einfach mal etwas anderes machen.“
Ob das Science Center nicht nur für Schulklassen, sondern auch für die Laufkundschaft attraktiv bleibt, wenn die Temperaturen steigen, „ist eine spannende Frage, klimatisiert sind unsere Räume jedenfalls“. Für den Fall, es wird schon in naher Zukunft eng in der ehemaligen Léierbud der Arbed, verfüge die ASBL über einen „Plan B“, erklärt ihr Präsident. Welchen, möchte er aber noch nicht sagen. Auch nicht, ob der Plan B zu tun hat mit der Idee von vor zwei Jahren, die ehemalige Gasmotorenhalle im Differdinger Stahlwerk mit der Groussgasmaschinn darin zu einer „Museums-Enklave“ im Werksgelände und zum endgültigen Standort des Science Center zu machen. Was dem nahekäme, was die ASBL von Anfang an wollte. In der Zwischenzeit hat sie, wie Nicolas Didier verrät, den Antrag gestellt, den größten Gasmotor der Technikgeschichte ins Guinness Book der Rekorde aufnehmen zu lassen.