Zentralafrikanische Republik. Ende der Siebziger Jahre war das Land zum letzten Mal in den Medien, als Kaiser Bokassa verjagt wurde. Es ist weit weg von Europa, jenem Hort von Frieden und Freiheit, jener Wagenburg des Wohlstands. Und doch ist das Land nun sehr viel näher gerückt, als Frankreich ankündigte, eine Militärmission nach Zentralafrika zu schicken. Die innenpolitische Situation dort erfordere ein Eingreifen. Natürlich im europäischen Rahmen.
Doch Deutschland will nicht so Recht. Vor kurzem noch der Einsatz in Mali, der Abzug aus Afghanistan und jetzt wieder ein Auslandseinsatz der Bundeswehr, die sich immer noch als Verteidigungsarmee sieht und Angst vor Konflikten hat. Wenn auch man sich dem europäischen Drängen und Werben nicht ganz verschließen möchte. Doch in der Zentralafrikanischen Republik beginnt nicht etwa ein neue europäische Militärmission, sondern zementiert sich das Scheitern einer europäisch-nationalstaatlichen Außen- und Sicherheitspolitik auf Weise.
Zu lange hat man die Augen verschlossen, die koloniale Vergangenheit samt ihrer Verpflichtungen und Verantwortungen nicht aufgearbeitet und den afrikanischen Kontinent wahlweise als günstigen Rohstofflieferanten oder übergroßen Schrott- und Abfallplatz betrachtet. Afrika wurde über Betroffenheitsentwicklungspolitik in der Abhängigkeit gehalten, an Selbstbestimmung und Selbstentfaltung gehindert. Günstige Rohstoffe waren wichtiger. Allerdings hungern sollten die Menschen dort nicht. Also pumpte man jede Menge finanzieller Entwicklungshilfe in den Süden, in der Hoffnung es würden willfährige Staaten nach westlichem Demokratieverständnis entstehen. Dies geschah jedoch nicht, da Geld immer Begehrlichkeiten weckt. Nun, da der Norden des Kontinents in Chaos zu versinken droht, muss das Militär wieder Interessen sichern. Als Friedensmission versteht sich.
So rücken die Soldatinnen und Soldaten nach Afrika aus. Gestern nach Mali, morgen nach Zentralafrika, der Tschad liegt irgendwo mittendrin, wie es mit Ägypten weitergeht, weiß man nicht so Recht. Europa glaubt, dass es sich dort um nationale Konflikte handelt, die durch eine mehrwöchige Militärintervention schnell mal eben gelöst werden können. Mit schwerem Gerät und tollen Flugzeugen. Gestern Timbuktu, heute Bangui, morgen N’Djamena.
Dabei ist im Norden Afrikas ein viel umfassenderer regionaler Konflikt im Gange: Von der Atlantikküste in Guinea-Bissau bis zum Suezkanal in Ägypten ist die ganze Sahara zum einem grenzenlosen Aktions- und Rückzugsgebiet für extremistische Terroristen oder politische Milizen geworden. Hinzu kommen zwei weitere Krisen- und Gewaltregionen: die großen Seen mit dem Kongo, Südsudan und eben Zentralafrika sowie am Horn von Afrika mit Somalia als Nukleus. In allen drei Regionen funktionieren die gleichen Mechanismen: ein Sprengstoffanschlag hier, ein Gemetzel dort, politische Unruhen, religiös motivierte Attentate, dann Chaos. Werden die zündelnden Extremisten von internationalen Militärs beispielsweise aus Mali vertrieben, dann sind diese nicht verschwunden, sondern verlagern sich in ein angrenzendes Land. Dort treffen sie auf eine ebenso fragile politische und gesellschaftliche Konstellation, die sich schnell terrorisieren lässt, und auf staatliche Akteure, die sich gerne daran bereichern. Dann werden in Europa – und auch bei den Vereinten Nationen – schicke Namen für Friedensmissionen erdacht und die Friedensmissionare machen sich auf den Weg.
Doch was geschieht eigentlich, wenn die Mission zu Ende geht? Die Bundeswehr hat ihr afrikanisches Trauma, seit ihrem ersten Einsatz im Rahmen einer UN-Blauhelm-Mission in Somalia vor zwanzig Jahren. Als sich die Lage dort zuspitzte, verließen die internationalen Truppen das Land. Ein staatliches Konstrukt gibt es bis heute nicht am Horn von Afrika, Frieden auch nicht. Nur wenige Länder sind nach einem Eingreifen der Völkergemeinschaft demokratischer oder friedlicher geworden, auch die Lebensbedingungen haben sich kaum verbessert. Es gelang, hier und dort Gewaltexzesse einzudämmen. In Mali wurden sogar Wahlen abgehalten. Wie 2006 im Kongo. Doch nach dem die europäischen Armeen das Land wieder verlassen hatten, versank das Land schnell wieder in Chaos, Gewalt und Anarchie.
Das Verhältnis Europas zu Afrika ist nicht unproblematisch und auch die Militäreinsätze funktionieren oft nach alter Gutsherrenart – wie auch die Entwicklungshilfe. Selbst das Spendensammeln in Europa setzt auf Arroganz und Überheblichkeit: Irgendeine weiße, betroffene prominente Person aus London, Berlin, Luxemburg stampft durch eine afrikanische Szene und trifft dort auf Menschen mit Hungerödem, verschlissener Kleidung und mitleidigem Blick. Klar, diesen Menschen muss geholfen werden. Am besten mit Geld und Besserwisserei. Der Europäer wusste schon immer, was richtig ist in Afrika. Als ein afrikanischer Rapper nun dieser Spendenmentalität ihren Spiegel vorhielt, fühlten sich nicht wenige in Europa auf den Schlips getreten. Der Musiker gründete Radi-Aid und rief dazu auf, Heizkörper für Norwegen zu sammeln – schließlich sei Kälte genauso tödlich wie Hunger. Dabei bediente er sich der gleichen Sprache, die auch Europäer benutzen, wenn sie die Spendentrommel rühren. Nicht alle verstanden das Anliegen und die Aussage.
Ähnlich verhält es sich mit Hilfe in sicherheitsrelevanten Themen. Afrikanische Staaten brauchen vor allem Respekt und Wissen. Dies geschieht durch Ausbildung. Hier muss sich Europa engagieren, damit sich Bilder wie in Mali nicht wiederholen, wo im Frühjahr letzten Jahres schlecht ausgerüstete und unmotivierte Streitkräfte von islamistischen Extremisten überrannt wurden. Solche Ausbildungsprogramme gibt es bereits. Selbst für Somalia. Allerdings mit einer sehr dünnen Personaldecke.
In Berlin beginnt ein vorsichtiges Umdenken in der internationalen Sicherheitspolitik. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte dieser Tage an, mehr Soldatinnen und Soldaten ins Ausland entsenden zu wollen. Damit meinte sie nicht in erster Linie Kriegseinsätze. Denn diese sind den Deutschen schwer zu vermitteln. Sie sammeln dann doch lieber. Auch Heizkörper für Norwegen.