Das Großherzogtum Luxemburg ist zwischen Köln, Lüttich, Brüssel, Antwerpen, Rotterdam und Mailand zu einem großen Kreisverkehr der Autobahnen geworden, über den der Verkehr sich in die jeweiligen Richtungen neu verteilt. Die neue Autobahn nach Saarbrücken, die in Luxemburg nur eine Schnellstraße sein wird, wird dieses Verteilersystem noch verstärken. Das Verteilersystem wird dabei von den Grenzen in der Region am meisten behindert. Die Grenze nach Frankreich ist quasi dauerhaft für Kontrollen bereit. Der Verteiler im Süden von Luxemburg in Richtung Brüssel, Lüttich, Trier ist zu eng, um die Automengen gefahrlos zu bewältigen. Die Autobahn in Richtung Lüttich, Brüssel wird erst einfacher zu befahren, wenn man den Umgehungsring hinter sich hat.
Der belgische Autofahrer bemerkte zu spät, dass seine rechte Spur an der luxemburgisch französischen Grenze mit drei Hütchen gesperrt war. Er bremste und zog nach links, fuhr dabei in ein anderes belgisches Auto hinein. Innerhalb weniger Minuten bildete sich ein kilometerlanger Stau.
Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat - auf den Rat eines Vizeprädidenten des lothringischen Regionalrates hin - das Schengener Abkommen nicht völlig umgesetzt. Frankreich behält sich die Kontrollen an der luxemburgisch-französischen Grenze vor. Die Folge: Zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit stehen dort Wagen von Polizei und Zoll, häufig mit Drogen-Suchhund. Grenzgänger aus Lothringen wissen, was das bedeutet. Zur Hauptverkehrszeit am Nachmittag gibt es auf Luxemburger Gebiet Richtung Metz immer Staus. Die große stählerne Brücke mit den Anzeigen des Verkehrswarnsystems nutzt dabei gar nichts. Die Grenze nach Frankreich ist für den internationalen Verkehrsfluss auf dieser Autobahn ein Hindernis. Dabei geht es auch anders. Auf der Küstenautobahn von Brügge nach Calais und weiter nach Le Havre an der Kanalküste bemerkt man den Übergang von Belgien nach Frankreich überhaupt nicht mehr. Die Verkehrsschilder und Geschwindigkeitslimits ändern sich; das ist alles.
Die Autobahn Luxemburg-Metz ist Bestandteil einer internationalen Magistrale, die vom Ruhrgebiet - wenn man will, sogar von Berlin - bis ans Mittelmeer führt. Sie ist, vermutlich unbewusst, entlang jener alten Nord-Süd-Handelsstraße gebaut wor--den, die schon von den alten Römern genutzt wurde. Als diese Autobahn in ihrer Gesamtheit noch nicht existierte, fuhr man von Köln über Paris ans Mittelmeer oder zum Atlantik. Heute zeigt sich an den Autonummern alleine schon, dass die Stre-cke an den Atlantik oder ans Mittelmeer vom Ruhrgebiet aus über Köln, Trier, Luxemburg, Metz, Nancy, Dijon, Lyon führt. Hier existiert die direkte, periphere Autobahn, die den internationalen Touristenstrom anzieht.
Diese Nord-Süd-Achse hat zwischen Trier und Luxemburg ihren Engpass, weil auf deutscher Seite die Bundesstraße nicht ausgebaut ist. Sie hat einen weiteren Engpass an der französischen Grenze, und sie wird zwischen Thionville und Toul in Lothringen zu einer der gefährlichsten Autobahnen Europas. Das Autobahndreieck bei Uckange ist unübersichtlich, zu spät angekündigt und unfallträchtig. Ab Thionville ist die Autobahn teilweise eng, kurvenreich, schmal in den Mosel-Überführungen, dann aber wieder dreispurig ausgebaut als Rennstrecke. In Metz und Nancy entwickelt sie sich zum städtischen Umgehungsring. Diese Autobahn, die morgens und nachmittags den Zubringer für die Grenzgänger bildet, ist ausgereizt, überlastet. Frankreich denkt über eine Parallel-Autobahn nach, die entweder über die Saarland-Luxemburg-Autobahn oder im Süden Luxemburgs an die bestehenden Autobahn anschließt.
Auf eine Art Grenze stößt auch die Autobahn Trier-Luxemburg. Dort, wo sie einen großen Bogen macht, um den Luxemburger Kirchberg zu umgehen, stößt die Ausfahrt, die von Tausenden von Grenzgängern be-nutzt wird, auf Tunnel und Kreisverkehr, die Nadelöhre sind. Die Be-schilderung ist überdies so, dass Auswärtige mit den Insider-Bezeichungen der einzelnen Viertel des Kirch-bergs nichts anzufangen wissen.
Luxemburg hat sich in der Zeit, als der Sozialist Robert Goebbels Transport- und Wirtschaftsminister war, einen modernen Autobahnring ge-geben, der allerdings an den neuralgischen Stellen jederzeit geschlossen werden kann. Nicht nur die Franzosen haben ihre Grenze dauerhaft besetzt. Auch in Richtung Belgien sind die Grenzbefestigungen an den Autobahnen stehengeblieben, ist es jederzeit möglich, die Grenze zu schließen, wie es anlässlich der Kontrollen wegen illegal Einreisender gerade erst geschehen ist. Seltsamerweise hat Luxemburg an der deutschen Grenze im vergangenen Jahr aus demselben Grund die Kontrollen wieder aktiviert.
Luxemburg ist im Süden von einem großen Halbkreis von Autobahnen umgeben, der das Land zur Drehscheibe macht. Im Norden der Hauptstadt ist der Halbkreis nicht geschlossen. Der Norden des Landes ist verkehrsmäßig schlecht erschlossen, was auch die wirtschaftliche Entwicklung stört. Die Nordstraße geht von einer hauptstädtisch- zentralistischen Vorstellung aus, nicht aber von einem dezentralen Ansatz. So fehlt für den Norden des Landes zweifellos eine Tangente, die die Autobahn Bastogne-Lüttich mit der Autobahn St. Vith-Prüm verbindet. Angesichts der Schwierigkeiten, die Luxemburg mit der Nordstraße immer noch hat, ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass solch eine Schnellstraße oder Autobahn in absehbarer Zeit gebaut wird.
Als Drehscheibe zieht Luxemburg viel internationalen Verkehr an. Allerdings muss der zu bestimmten Zeiten vor dem Großherzogtum stehen bleiben. Wenn in der Region zwischen Lüttich, Brüssel, Köln/Trier und Metz Feiertage sind, die in jedem Land anders liegen können, dann zeigt sich die Schwäche des Autobahnnetzes in der Großregion. Mangels ausreichender Parkplätze für Lastwagen informiert Luxemburg bereits Tage vorher deutsche und belgische Behörden und Me-dien, um mitzuteilen, dass die Durchfahrt des Großherzogtums an einem Feiertag in Frankreich, Belgien oder Deutschland nicht gestattet ist.
Interessanterweise hat vor zwei Jahren auf Schloss Malbrouck in Lothringen im Rahmen der Gipfelgespräche zwischen Luxemburg, Saarland, Wallonien, Lothringen und Rheinland-Pfalz ein Treffen stattgefunden, das sich alleine mit den Transportfragen der Großregion beschäftigte. Nicht angesprochen wurden dabei die internen Verkehrsprobleme. So helfen angesichts der internationalen Verzahnung der Verkehrsströme auf den Autobahnen nationale Verkehrsleitsysteme wenig, wenn nationale Entscheidungen der Nachbarländer in Luxemburg zu Staus oder zu Überfüllten Parkplätzen führen.
Im Grundsatz muss in der Großregion der Begriff der Grenze neu überdacht werden. Praktisch wird er noch immer als trennender Strich auf der Landkarte gehandhabt; ein Verständnis, das im 19. Jahrhundert entstanden ist. Dagegen müsste in der Großregion der mittelalterliche Begriff von der Grenze als Transit-raum angewendet werden. Statt Lastwagen während der Feiertage und an Sonntagen in Deutschland, in Belgien, in Luxemburg, in Frankreich vor den Grenzen stehen zu lassen, müssten Parkzonen für die Lastwagen mit der nötigen Bewirtschaftung eingerichtet werden. Bei einer grenzüberschreitenden Bewirtschaftung in Kooperation der Behörden könnten Lastwagen an Sonn- und Feiertagen auf Rastplätze geleitet werden, die Duschen und Restaurants bieten. Noch immer jedoch findet man Lastwagenfahrer auf Parkplätzen blockiert, die nicht einmal eine Toilette haben. In der derzeitigen Situation ist die Autobahn Luxemburg-Metz an jedem SonntagAbend eine einzige Gefahrenstelle, weil Lastwagen Autobahnausfahrten blockieren oder nahe der französischen Grenze zum Teil auf der rechten Spur parken.
Wenn nationale Verkehrsleitsysteme internationale Problemsituationen nicht lösen können, dann muss auch in den Medien anders auf die Verkehrslage auf den Autobahnen reagiert werden. Seltsamerweise ist auf dem Verkehrsgipfel in Lothringen auch darüber nicht diskutiert worden. Die lothringische Gendarmerie hat einen sehr aktuellen Verkehrswarndienst. Die Verkehrswarndienste der verschiedensten Rundfunkstationen in der Großregion hören allerdings in der Regel an den Grenzen auf. Dabei wäre es angesichts von über 60 000 Grenzgängern in der Region unbedingt notwendig, in den jeweiligen Rundfunkstationen die Straßensituation der Nachbarregionen anzukündigen.
Luxemburg ist wegen seines Autobahnringes, auf dem Reise-, Güter- und Berufsverkehr aus Belgien, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Lothringen zusammentreffen, be-sonders angewiesen auf intelligente Lösungen. Die Verkehrsleitung, die Führung des Lastwagenverkehrs in Sondersituationen und Informationen für die breite Öffentlichkeit müssen dabei zusammenführt werden. Doch dafür gibt es bisher nur Ansätze.
Michel Couapel arbeitet als freier Journalist in Metz