Die Desillusionierung ist da: In ihrer Studie zur Entwicklung der Verkehrsflüsse hat die Straßenbauverwaltung vorhergesagt, dass auf der Autobahnumgehung um die Hauptstadt zwischen dem Abzweig nach Düdelingen und dem Kirchberg demnächst die Überlastung droht. Falls obendrein die Ostvariante der Nordstraße realisiert und am Autobahnkreuz Kirchberg angeschlossen werden sollte, sei mit Staus auf dem Kirchberg zu rechnen und mit einer zunehmenden Verkehrsbelastung der nahen Wohngebiete, weil die Autofahrer sich Schleichwege suchen.
Brisant an dem Dokument ist nicht in erster Linie, dass es eine Lanze für die Westvariante der Nordstraße bricht. Die hat die Straßenbauverwaltung schon favorisiert, als über die Trassenführung noch nicht entschieden war und die Ostvariante von Bautenministerin Erna Hennicots Vorgänger Robert Goebbels nur deshalb durchgesetzt wurde, weil sich gegen alle möglichen Westvarianten Einspruch aus den umliegenden Gemeinden erhoben hatte. Brisant an dem Dokument ist, dass es das erste höchst- amtliche der Regierung ist, das die Entwicklung des überregionalen Straßenverkehrs ins Verhältnis setzt zum Nordstraßenprojekt.
Letzten Freitag hat der Regierungsrat entschieden, zusätzlich zur Nordstraßen-Ostvariante eine Quasi-Westvariante aus einem System von Umgehungsstraßen zu bauen. Gegenüber d'Land räumte Erna Hennicot ein, dass die Ostseite der Hauptstadt vom hohen Verkehrsaufkommen dennoch nicht entlastet würde, "falls die Situation sich wirklich so entwickelt wie die Straßenbauverwaltung annimmt". Das heißt: falls das Transitaufkommen aus den Nachbarländern, vor allem Deutschland und Frankreich, doch nicht so stark wächst. Erna Hennicot hofft, dass eine zwischen Arlon und Longwy geplante Autobahn für eine Umfahrung Luxemburgs sorgt, die Saarautobahn Verkehr von und nach Deutschland ableiten wird und sich durch die Neunutzung der Industriebrachen im Süden aus der Dezentralisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten auch eine Dezentralisierung der rollenden Blechmassen ergibt.
Implizit wird dabei eingestanden, dass die Regierung auch mit ihrer am letzten Freitag bekannt gegebenen Lösung Ostvariante plus West-Umgehungen der Entwicklung auf den Straßen hinterher läuft. Und ein verkehrspolitisches Ziel, dass die Ostvariante eigentlich erfüllen sollte, hält Erna Hennicot mittlerweile für nicht mehr realistisch: "Meiner Analyse nach wird sich der Verkehr entlang der Nationalstraße 7 nicht verringern." Der Binnenverkehr im Alzettetal sei zwar in letzter Zeit nur unwesentlich gewachsen, aber auch die Bautenministerin erkennt in der geplanten Südumgehung Bridels einen Auslass für den Verkehr von der Arloner Autobahn in Richtung Alzette-Tal. Zwar stoppte Erna Hennicot die Straßenbauverwaltung in deren Vorhaben, die Brideler Umgehung bei Steinsel unmittelbar an die N7 anzubinden, aber auch so erscheint der Rückbau der N7 - wie er im Nordstraßengesetz festgeschrieben ist - des Verkehrsaufkommens wegen nicht mehr so sicher. Und das bei Variante Ost und West. pf