CSV

Frauen und Männer wie früher

d'Lëtzebuerger Land vom 24.05.2007

Mit neuem Elan wieder ans vorübergehend niedergelegte Werk gehen will die Famill 2000. Mitte Februar hatte die Vereinigung ohne Gewinnzwecke eine Jahresversammlung abgehalten, die nach allerlei Auf und Ab einen neuen Vorstand wählte. In ihm ist keines der Gründungsmitglieder mehr vertreten, welche im Mai 1998 die Ligue luxembourgeoise pour la reconnaissance du travail au foyer aus der Taube gehoben hatten. Dafür ist mit Steff Schaeler als Vorsitzenden und Marco Schmit als Schriftführer die Leitung der Hausfrauenlobby erstmals in Männerhand übergegangen.

Trotz des damals zukunftsweisenden Namens Famill 2000 hatte vor allem die Zukunftsangst seinerzeit die neun Hausfrauen und vier Angestellten zusammengebracht: Sie wollten die vom Aussterben bedrohte Art der Hausfrau gegen die von der Regierung erwogene Individualisierung der Sozialversicherung im besonderen und gegen den Feminismus im allgemeinen verteidigen. „L’association a pour objet de développer des actions concrètes visant à promouvoirla reconnaissance du travail des femmes/hommes au foyer“, heißt esin den Vereinsstatuten. 

Famill 2000 ist einer von mehreren Vereinen, die zu einer neuen Art von konservativen Lobbys zählen. Fast das ganze 20. Jahrhundert über war es die katholische Kirche, die konservative Interessen bündelte und militant verteidigte, um im Geist der Enzyklika Rerum Novarum eine auf Fortschritt, Modernität und Säkularisierungschwörende Gesellschaft zurückzuerobern. Ihre zahlreichen,anfänglich imVolkshaus versammelten Vereine für christlich-konservative Männer, Frauen, Jugendliche, Studenten, Lehrlinge, Bauern, Arbeiter, Pfadfinder und Akademiker brachten als Kaderschmieden einflussreiche Politiker der einstigenRechtspartei und heutigen CSV hervor. Zusammen mit dem Luxemburger Wort, das stets den rechten Flügel der Partei unterstützte, zählten sie zu den wirkungsvollsten konservativen Lobbys im Land und trugen wesentlich dazu bei, dass der Geist des Kulturkampfs die Luxemburger Politik und Gesellschaft so tief prägte wie kaum ein anderer Antagonismus.

Doch heute gelingt es kaum einem dieser Vereine noch, sich Gehör außerhalb der schrumpfenden Kirchenkreise zu verschaffen. So entstanden im Laufe der Zeit die ersten konservativen Lobbys, die nicht mehr direkt von der Kirche abhingen. Zu den erfolgreichsten gehört die 1946 gegründete Action familiale et populaire, die sich laut ihrer wenige Tage nach der Wahlniederlage der Mittelinkskoalition 1979 überarbeiteten Statuten aber immer noch auf die Prinzipien der christlichen Moral beruft, um ihr Ziel zu verfolgen, nämlich „la représentation des familles et la défense de leurs intérêts spirituels, moraux et matériels“. Heute übt die AFP ihren Einfluss vor allem mit Unterstützung des christlichsozialenFamilienministeriums als staatlich konventioniertes Dienstleistungsunternehmen für Familien aus, wozu sie 1997 die AFP-Services gegründet hatte. Vom derzeitigen Vorsitzenden der CSV-Senioren, Nicolas Estgen, bis zum heutigen CSV-Bautenminister, Claude Wiseler, war sie immer ein nützliches Instrument, um die Laufbahn von CSV-Politikern zu fördern – was sie allerdings auch schon in eine längere Krise gestürzt hatte. 

Als Gegenstück zum linksliberalen Planning familial war die Actionfamiliale et populaire besonders nach der Wahl der Mittelinkskoalition 1974 eine politisches Instrument der oppositionellen CSV, dessen Militanz nur von der im Februar 1975gegründeten Pour la vie naissante, oeuvre pour la protection de la vienaissante übertroffen wurde. Die Abtreibungsgegner von La vienaissante konnten auf die geballte Feuerkraft des Luxemburger Wort zählen, um jede auch nur ansatzweise Liberalisierung des Abtreibungsverbots zu verhindern. Seit Premier Jean-Claude Juncker vor 14 Tagen in seiner Erklärung zur Lage der Nation angekündigt hat, eine Bilanz des Abtreibungsgesetzes zu ziehen und „eventuelle Karenzen bei seiner praktischen Anwendung“ zu beseitigen, stellt sich die Frage, ob der Verein wiederauferstehen wird. Denn der Kampf gegen jede Form von Abtreibung ist weltweit eine Lieblingsaufgabe katholischer Fundamentalisten.

Was allerdings die neuen konservativen Lobbys von den alten – etwa Famill 2000 von AFP – unterscheidet, ist weniger die Zielsetzung als die Positionierung zur CSV: Waren die altenmilitante Stoßtrupps im Auftrag oder zumindest im Interesseder CSV, so richten sich sie neuen vor allem gegen die CSV-Politik. Denn sie sind Produkte des Modernisierungsprozesses der konservativen Partei. Seit dem anhalten Rückgang ihres Stimmenanteils in den Neunzigerjahren bemüht sich die CSV, sich an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen.Zwar gibt es auch konservative Lobbys, welche die Außenpolitik der fast ununterbrochen regierenden CSV bekämpfen, wie Freundschaftsvereine zugunsten Taiwans oder Tibets, oder die Wirtschaftspolitik, wie die nach dem Rententisch gegründeteInitiative Wat fir eng Zukunft fir Lëtzebuerg? gegen den „700 000-Einwohnerstaat“ und verschiedene andere, ökologisch inspirierte Initiativen.

Doch die politische Auseinandersetzung spielt sich vor allem umdie Familienpolitik ab, dem seit Jahrzehnten sorgsam von der CSV gehegten konservativen Pendant zur linken Sozialpolitik.Weil auch immer mehr CSV-Wähler und Mandatsträger berufstätige Frauen, unverheiratete Eltern oder geschieden sind, musste die Partei auf Distanz zu ihrem unhaltbar gewordenen Familienideal berufstätiger Ehemänner und treusorgender Hausfrauen gehen, die zu Hause auf eine möglichst große Kinderschar aufpassen. Diese Relativierung ihrer traditionellen Familienpolitik und vor allem die Ernennung der damaligen Landwirtschafts- und Kulturministerin Marie-Josée Jacobs 1995 zur Ministerin für die Gleichstellung der Frauen sahen Konservative außerhalb und teilweise auch innerhalb der CSV als Ausverkauf konservativer Familienpolitik an.

Waren es 30 Jahre lang die CSV und ihr nahe stehende Kreise, die jede Kritik amtraditionellen Familienbild als sittengefährdenden Feminismus brandmarkten, steht die CSV nun selbst unter dem Verdacht, in ein feministisches Komplott verwickelt zu sein. Diesen Vorwurf macht ihr auch ein im Juli 2004 als Association luxembourgeoise d’aide aux hommes en instance de divorce et divorcés (Alahidd) gegründete Verein, der vor einem Jahr seinen Namen in Association des hommes du Luxembourg (AHL) umänderte, um sein Vereinsziel auf „la défense des intérêts des hommes“ und „la lutte contre les discriminations dont fontl’objet les hommes“ auszuweiten. Seither kramt die AHL konservative Vorurteile gegen den Feminismus aus den Siebzigerjahren hervor, den sie als eine Form des „Totalitarismus“darstellt. Ermuntert vom zeitweiligen Interesse einiger Medien,meldet sie sich mit krausen Stellungnahmen zu Wort. Ihr bekanntester Exponent, der Diplomat Fernand Kartheiser, drohte bereits in einem Interview, bei den nächsten Wahlen mit einer eigenen Männerpartei anzutreten.

Denn seit die CSV ideologischen Ballast abwerfen und so erstmalsihren rechten Rand freigeben musste, ist das Interesse rege an konservativen Wählern, die sich nicht mehr in der konservativen Partei wiedererkennen. Auch die Rentnerpartei ADR bemüht sich eifrig um den rechten CSV-Rand. Sie umwarb vor den vergangenen Wahlen angestrengt die Famill 2000, doch die vorübergehend viel versprechenden Bemühungen scheiterten, als Präsidentin Yolande Roller-Lang für die CSV im Zentrumkandidierte, wo sie 18. von 21 Kandidaten wurde. Nach längeren Verhandlungen, währenddenen drei Mitglieder der Famill 2000 in den Vorstand der AFP aufgenommen wurden, waren sich die christlichsoziale Action familiale et populaire und Famill 2000 im Herbst 2005 sogar einig geworden, zu fusionieren. Aber nicht alle Famill-2000-Aktivisten wollten sich von der AFP schlucken lassen, so dass die Fusion nach kurzer Zeit annulliert werden musste und der Verein unter neuer Führung weitermachen will.

Aber der Druck der konservativen Lobbys auf die CSV bleibt nicht folgenlos. Seit 2004 heißt das Ministère de la Promotion féminine nur noch unverfänglich Ministère de l‘Égalité des chances, seine Aktivitäten sind sehr diskret geworden. Und um ihr bisheriges Monopol konservativer Familienpolitik zu verteidigen, hatte die CSV zuvor bereits auf die Lobbyarbeit für den Schutz der Hausfrauenehe reagiert, indem Jean-Claude Juncker am Rententisch 2002 die Mammerent durchboxen ließ, mit der die Erziehungsarbeitvon Hausfrauen honoriert wird. 

 

Romain Hilgert
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