Vizepremier Jean Asselborn besuchte diese Woche die Republik Irland. Dabei erkundigte er sich selbstverständlich nach der Ratifizierung des Lissabonner Vertrags und damit auch beiläufig nach dem Namen des nächsten Luxemburger Premiers.Der irische Außenminister Michael Martin wiederholte die Absicht der irischen Regierung, noch in diesem Jahr, wahrscheinlich im Herbst, eine erneute Volksbefragung über den Lissabonner Vertrag zu veranstalten. Und die Aussichten, dass mit dem zweiten Referendum binnen einem Jahr Irland den Vertrag von Lissabon doch noch ratifiziert, stehen besser, als noch vor einem halben Jahr irgendjemand zu hoffen oder zu befürchten wagte.
Nicht wegen der beruhigenden Versprechen, die der EU-Gipfel Irland vor drei Monaten machte und nächste Woche noch einmal bekräftigen könnte. Denn diese Zugeständnisse antworten nur bedingt auf die Gründe, die eine Mehrheit der irischen Wähler 2008 dazu brachten, den Lissabonner Vertrag abzulehnen. Zudem veranschaulicht die derzeitige Debatte um das Bankgeheimnis auch hierzulande, dass es keine Garantien in der Geschichte gibt, wie einmal ein gescheiterter Präsident einsah. Deshalb dienen die vertraglich noch nicht so richtig gesicherten Zugeständnisse weniger dazu, die irischen Wähler vom Nutzen der Europäischen Union zu überzeugen, als der irischen Regierung ein Argument zu geben, um die Organisation eines zweiten Referendums rechtfertigen zu können.
Ausschlaggebend für das Ergebnis eines zweiten Referendums dürften weniger diese Zugeständnisse sein, als vielmehr die Tatsache, dass der Unterschied zwischen Irland und Island ein Buchstabe und drei Monate sei, wie es, nicht frei von schwarzem Humor, auf der Insel heißt. Denn Irland ist möglicherweise das westeuropäische Land, das am härtesten von der Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen ist.
2008 glaubten noch viele irische Wähler, dass das sehr liberale Wirtschaftswunder des kleinen „keltischen Tigers“ auch ohne oder gar trotz der Europäischen Union zustande gekommen war. 2009 dürfte die Versuchung um so größer sein, sich unter den Schutz der großen Gemeinschaft zu flüchten, um dem Schicksal des einsamen Islands zu entgehen, das derzeit neidisch auf ebenfalls zahlungsunfähige EU-Mitglieder, wie Lettland, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien, schielt.
Damit könnte die Krise einen äußeren Schock darstellen, der die irische Wahl in einigen Monaten ähnlich beeinflussen könnte wie das Attentat von Madrid die spanischen Parlamentswahlen 2004. Aus Angst, die Gunst der Stunde ungenutzt verstreichen zu lassen, wollen manche irische Politiker das geplante Referendum schon ungeduldig in den Mai vorverlegen.
Ein Referendum im Mai würde wiederum direkt die Wahlen in Luxemburg beeinflussen. Denn ein irisches Ja vor dem7. Juni würde den überragenden Spitzenkandidaten der CSV. Jean-Claude Juncker, destabilisieren. Der CSV-Politiker würde in der heißen Phase des Wahlkampfs nicht mehr den Vorwurf los, eine Doppelkandidatur für das Amt des Luxemburger Regierungschefs und des ständigen Vorsitzenden des Europäischen Ministerrats zu verfolgen. Ein irisches Referendum im Herbst, auch wenn es positiv ausginge, würde die CSV dagegen erst nach den Wahlen zwingen, Klarheit über eine mögliche Juncker-Nachfolge zu schaffen.