In ihren Koalitionsverhandlungen machten CSV und LSAP ab, zwecks Förderung des „interkulturellen Dialogs“ ein nationales Netz von Maisons de la laïcité einzurichten, die Kontaktstellen für die „laizistische Gemeinschaft“ sein und Begegnungen, Austausch, Informationen und Dienstleistungen anbieten sollen.
Damit kommt die Regierung einem Versprechen aus dem CSV-Wahlprogramm nach, wo es heißt: „Wir sind bereit, eine ‚Maison de la laïcité’ einzurichten, wo gesellschaftliche Gruppen, die sich zur Laizität bekennen, ihrem Einsatz konkreten Ausdruck verleihen können.“ Ähnlich heißt es im Wahlprogramm der LSAP: „Die Sozialisten wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und die Einrichtung eines Hauses der Laizität unterstützen.”
Es war vor allem die antiklerikale LSAP-Arbeitsgruppe Laïcité et tolérance, die in Belgien die Maisons de la laïcité entdeckt hatte und auf ihre Nachahmung hierzulande drängte. In Belgien gibt es rund 60 solcher Häuser, ihre Dachverbände sind als Vereinigung der Erwachsenenbildung staatlich anerkannt. Selbst in Arlon, kaum größer als Differdingen, wurde 1999 die Maison de la laïcité d’Arlon asbl. in der rue des Déportés gegründet. Zu den Aktivitäten des mit 60 000 Euro jährlich von der Gemeinde bezuschussten und fünf Angestellte beschäftigenden Hauses gehören „gesellige Scrabble-Abende“, Ausstellungen von Hobbykünstlern, Stammtischdiskussionen und Vorträge in der Tradition der linksliberalen Volksbildungsvereine.Bisheriger Veranstaltungshöhepunkt des Jahres war im April, als Äquivalent zur katholischen Firmung, die 24 e Fête de le jeunesse laïque, wo Jugendliche aus dem sechsten Schuljahr vor ihren Eltern tanzten, musizierten und beschenkt wurden. Das Haus bietet, neben kostenlosem Internetzugang, aber auch laizistische Patenschafts-, Ehe- und Bestattungszeremonien an, mit Nussknackersuite, hymnischen Gelegenheitsgedichten, Hochzeitsmarsch und moralisierenden Fabeln als Ersatz für Gloria und Gebete.
Hierzulande will der Staat sich zu 75 Prozent an den Infrastrukturkosten regionaler Häuser der Laizität beteiligen. Außerdem sollen die Vereine, welche die Häuser betreiben, einen jährlichen Zuschuss für die Funktionskosten erhalten, parallel zur Bezahlung der Priestergehälter durch den Staat.
Das reicht aber der Vereinigung Liberté de conscience nicht, die warnt, dass „abaisser la laïcité au niveau d’une organisation officiellement reconnue et soutenue par l’État équivaudrait à l’exposer à la merci du parti CSV et des partis qui sont prêts à tout compromis pour un petit bout de gloire gouvernementale éphémère“. Deshalb verlangt sie, „de donner aux associations laïques exactement les mêmes possibilités d’infrastructure dont jouissent d’autres associations et ONG“.
Doch mit der Schaffung staatlich bezuschusster Maisons de la laïcité soll wohl in erster Linie die immer wiederkehrende Forderung nach der Trennung von Kirche und Staat zu den Akten gelegt werden. Statt dass der Staat Weltanschauungen als Privatsache und ihre Pflege als Freizeitbeschäftigung ansieht, werden transzendentale Weltbilder auf eine Ebene mit den Erkenntnissen der Aufklärung gestellt, welche wie ein Glaube oder Aberglaube unter anderen behandelt wird. Was einem philosophischen Rückschritt um drei Jahrhunderte gleichkommt.
Nachdem zuerst die „Laienmoral“ und Konventionen mit anderen Religionen den Fortbestand des Religionsunterrichts und der staatlichen Finanzierung der katholischen Kirche rechtfertigen sollten, erfinden CSV und LSAP in ihrem Regierungsprogramm nun zum selben Zweck auch noch eine „laizistische Gemeinschaft“, die es gar nicht gibt.
Verständlicherweise ist neben den Antiklerikalen in der LSAP, die nun ihre kleine Festungsmuseen erhalten sollen, nur die katholische Kirche ganz angetan von der Idee der Maisons de la laïcité. In seiner Stellungnahme zum Koalitionsprogramm schreibt das erzbischöfliche Ordinariat: Gegen „so genannte Maisons de la Laïcité, nach belgischem Vorbild, haben wir grundsätzlich nichts einzuwenden. Wir sehen darin einen Ausdruck des Pluralismus und eine Ergänzung des Systems der Konventionen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften“.
Das belgische Vorbild gibt dem erzbischöflichen Ordinariat Recht. Dort gaben im Jahr 2007 der Staat 11,4 Prozent und die Gemeinden, Provinzen und Regionen 7,8 Prozent der dafür vorgesehen Mittel für die „organisierte Laizität“ und 88,5 beziehungsweise 92,2 Prozent für die Religionsgemeinschaften aus. Was rund zehn Prozent Schweigegeld für die Freidenker ausmacht.
Dafür könnte aber hierzulande selbst der Streit um das Te Deum am Nationalfeiertag beigelegt werden: Vor zwei Wochen wurde in der Église Saint-Martin in Arlon der belgische Nationalfeiertag gefeiert. Gegenüber dem Altar hielten nacheinander ein Pfarrer, ein Pastor, ein Rabbiner, der Vorsitzende der islamischen Vereinigung und die Präsidentin der Maison de la laïcité fünf kurze Predigten über Moral und Toleranz.