Ein Überblick nach gut drei Jahren Regierungsverantwortung

Die DP und die Denkmalpflege

d'Lëtzebuerger Land du 17.02.2017

Man kann die Beziehung der Regierungspartei DP zur Denkmalpflege in zwei Versionen erzählen. Die erste Version geht so: Die DP hat sich nie sehr für den Schutz historischer Bausubstanz interessiert, sie ist die Partei der Investoren. Im Wahlprogramm von 2013 wurde ein neues Denkmalschutzgesetz versprochen, das bis heute nicht vorliegt. Die beratende Kommission zur Unterschutzstellung von Gebäuden (COSIMO) konnte im Jahr 2016 fünf Monate lang nicht tagen, weil die Regierung keine neuen Mitglieder berufen hatte. Auf kommunaler Ebene werden von DP-Bürgermeistern schützenswerte Gebäude zunächst nicht als solche erkannt, wie in Luxemburg das Rosenzüchterhaus Bourg-Gemen auf Limpertsberg oder das Wichtelhaus in Beggen. Diese Geschichte über die DP und ihre Beziehung zur Denkmalpflege klingt trist und traurig.

Ebenso gut kann man aber auch eine zweite Version erzählen: Das DP-geführte Kulturministerium arbeitet seit Jahren an dem neuen Denkmalschutzgesetz. Sie hatte dazu die „Assises du Patrimoine“ im November 2014 veranstaltet und im Anschluss eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen – ein Novum in der luxemburgischen Denkmalschutzgeschichte. Im Parlament wurde die Ratifikation von drei internationalen Abkommen über Archäologie, UNESCO-Kulturerbestätten und Denkmalschutz durchgesetzt, was die CSV jahrzehntelang versäumt hatte. Die Inhalte dieser Konventionen werden sich im nationalen Gesetz wiederfinden. Mit der Erstellung eines wissenschaftlichen Inventars wurde im Jahr 2016 begonnen. Die COSIMO hat man neu aufgestellt und unter die kompetente Leitung der Hausjuristin des Kulturministeriums gestellt. Diese Geschichte über die DP und ihre Beziehung zur Denkmalpflege klingt hoffnungsfroh und zukunftsgewandt.

Welche Geschichte stimmt? Schauen wir zunächst ins Land, wo die Objekte stehen, um die es geht: nach Keispelt, Kehlen und Nospelt, wo ein historischer Bauernhof nach dem anderen abgerissen wird; nach Diekirch, wo in der Rue des fleurs statt eines nationalen Denkmals nun ein hässlicher Neubau steht; nach Echternach, wo das Duchscher-Haus ohne Not zerstört wurde; nach Differdingen, wo ein grüner Stadtchef das Nicloushaus auf dem Gewissen hat; oder nach Ettelbrück, wo der älteste Bahnhof des Landes verschwinden soll. Immer gibt es dazu Genehmigungen der Bürgermeister, keiner davon gehört der DP an. Nach den Vorgaben des Innenministeriums sind in den Flächennutzungsplänen (PAG) schützenswerte Objekte auszuweisen. Dieser kommunale Schutzstatus ist jedoch kein Denkmalschutz. Gebäude mit kommunalem Schutz müssen nicht im Original erhalten bleiben. Abriss bleibt möglich. Damit ist dieser Schutzmechanismus höchstens ein „Verunstaltungsschutz“. Zudem kann ein PAG nach sechs Jahren abgeändert werden, oder bereits früher über eine „modification ponctuelle“. Somit ist der kommunale Schutz nicht auf Dauer. Der nationale Schutzstatus für Denkmäler gilt dagegen unbefristet. In dieser Gemengelage zwischen kommunalen Schutz und nationalem Denkmalschutz agieren nun die Bürgermeister und Schöffenräte. Nun haben sie jedoch regelmäßig nicht die Kompetenz, zu erkennen, was Denkmalpfleger mit einer universitären Ausbildung von sechs bis acht Jahren prompt belegen können: Aus welcher Epoche ein Gebäude stammt, was seine früheren Nutzungen waren, wie der Erhaltungszustand ist, und ob dieser Bautyp einen Seltenheitswert aufweist. Kurz gesagt: Denkmalpfleger sind Kunstsachverständige, sie können einen echten Joseph Kutter von einem falschen Joseph Kutter unterscheiden, sie können aber noch mehr: Sie können sagen, ob ein echter Kutter so selten ist, dass man ihn von Staats wegen schützen sollte.

Daher war es eine grundsätzlich gute Idee der früheren CSV-Kulturministerin Octavie Modert, die Experten des Nationalen Denkmalamtes (SSMN) in alle 105 Gemeinden zu schicken, damit gemeinsam mit den Gemeindevertretern geschaut wird, wo die echten Kutters liegen und welche davon zu schützen sind. Der Vergleich mit dem Maler Joseph Kutter lohnt sich gleich mehrfach: Gemälde sind Mobilien; Häuser dagegen Immobilien. Mit beiden ist Geld zu verdienen, mit letzteren allerdings viel mehr, vor allem wenn sie kleinparzelliert, kernsaniert und wärmegedämmt sind – meinen jedenfalls Investoren und Energieberater. Da passt es gut, wenn der alte Kram abgerissen wird, um Neubauprojekten Platz zu machen. Das freut die DP (wegen der Investoren, die daran verdienen), Déi Gréng (weil es Passivbauweise ist) und die LSAP (wegen Rifkin). Und meist sind die Abrisse auch aus denkmalpflegerischer Sicht in Ordnung: Schützenswert ist eben nur ein ganz kleiner Teil des luxemburgischen Bausubstanz, die Kutters eben, aber nicht der verschissene Rest. Doch selbst den wenigen Kutters geht es an den Kragen. Im kollektiven Konsens der Nation scheinen auf wunderbare Weise nur Bilder, Plastiken, Musikpartituren und Literatur schützenswert. Wer käme schon auf die Idee einen Kutter zu zerstören um ihn neu zu malen, gar zu interpretieren? Man tut dies aber mit Häusern, Bauernhöfen, Bahnhöfen, Mühlen, Molkereien, Pfarrhäusern, Schlössern, Villen, Industriebauten, Kinos, Theaterhäusern und Parkanlagen. Immobilien erteilt man nur widerwillig den Status einer kulturellen und künstlerischen Leistung. Wäre Kutter also nicht Maler gewesen, sondern Architekt, und hätte Häuser gebaut, säh es schlecht aus.

Über wie viele schützenswerte Bauten reden wir da eigentlich? Dem einfachen kommunalen Schönheitsschutz unterfallen nach Angaben des SSMN rund 28 000 Gebäude. Wie sieht es aber mit dem echten Denkmalschutz auf nationaler Ebene aus? Im Gespräch mit dem Staatssekretär für Kultur, dem DP-Politiker Guy Arendt, sagt dieser ehrlich: „Wir wissen es nicht, denn wir haben noch gar nicht alles wissenschaftlich inventarisiert. Wir arbeiten aber daran: Larochette wurde 2016 bearbeitet, nun folgt, in diesem Jahr, Fischbach.“ Das sind zwei von 105 Gemeinden. Hinzu kommen die acht Gemeinden des Kantons Echternach, die unter der Ägide von Octavie Modert inventarisiert wurden, ein derzeit erarbeitetes Inventar der Gemeinde Esch/Alzette, und das Inventar der Architektin Anne Stauder über die Stadt Luxemburg. Alles in allem sprechen wir also über 12 wissenschaftlich inventarisierte Gemeinden, wobei bislang nur die Inventare des Kantons Echternach veröffentlicht sind (in Buchform). Guy Arendt verspricht aber, das Inventar von Larochette in und mit der Gemeinde zeitnah öffentlich vorzustellen. Insgesamt wurden rund 80 Gebäude in diesem Inventar als national schützenswert zurückbehalten. Wie viele davon nun tatsächlich national als Denkmal geschützt werden, ist nach Arendts Angaben noch nicht entschieden. Zunächst muss die COSIMO ein Gutachten dazu abgeben. Auch mit der Stadt Luxemburg werde man sprechen. Allerdings sind nur Teile des dortigen wissenschaftlichen Inventars öffentlich einsehbar, und das auch erst seit einer Intervention der Gemeinderäte Marc Angel (LSAP) und Guy Foetz (Déi Lénk). Auf die Webseite der Stadt Luxemburg stellen will Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) die mit Steuergeldern bezahlte Expertise nicht. Weil sie sich sonst Fragen gefallen lassen müsste, weshalb ein Teil der gelisteten Objekte anschließend weder kommunal im PAG, noch national als Denkmäler geschützt werden soll? Hier zeigt sich der Knackpunkt der Inventare: Was ist ihre Rechtsfolge?

Das ist eine Frage, die im neuen Denkmalschutzgesetz beantwortet werden muss. Guy Arendt sagt, das werde derzeit ausdefiniert. In einem Radio 100,7-Interview vom Januar erklärte er: „Déi 105 Gemengen géifen dann eng méi grouss Responsabilitéit beim Schutz vun hire Gebaier kréien. D’Leit op kommunalem Niveau géifen déi spezifesch Situatioun an hirer Gemeng besser kennen a wëssen, wat déi lokal Geschicht ass“, und weiter: „Natierlech muss ee sech op d’Bee setzen an déi méi eeler Leit aus enger Gemeng erunzéien a soen: ‘Hei verziel eis Mol e bëssen d’Geschichten’.“ Diese Äußerungen hatten bei Denkmalschützern Kopfschütteln hervorgerufen: Kulturgüterschutz als Geschichtenerzählung? Guy Arendt fügt hinzu, man wolle zwar auf das Wissen in den Gemeinden, auch auf Geschichtsfreunde und Lokalhistoriker, zurückgreifen. Er betont jedoch, dass sich der Staat seiner nationalen Verantwortung nicht entziehen werde. Die nationalen Unterschutzstellungen werden weitergehen. Bisher sei er fast immer den Empfehlungen der Unterschutzstellungskommission COSIMO gefolgt. Allerdings sind viele Anträge an die COSIMO noch unbearbeitet, und es ist außerdem nicht klar, weshalb über manche Anträge entschieden wird, über andere aber nicht, oder erst nach Jahren. So hatten die Limpertsberger Geschichtsfreunde im Juni 2015 eine ganze Reihe von Schutzvorschlägen eingereicht, ohne bislang eine Antwort zu erhalten. Einer Anfrage dazu beim Ministerium, im Rahmen der Recherchen zu diesem Artikel, folgte nun die Information, dass der COSIMO diese Fälle bald vorgelegt werden. Die Antragsteller sind eine der typischen kommunale Geschichtsvereinigungen, auf die auch Guy Arendt setzt. Doch diese Vereinigung drängt hier keineswegs auf kommunalen Schönheitsschutz, sondern auf nationalen Denkmalschutz. Man traut dem blau-grünen Schöffenrat der Stadt Luxemburg nicht mehr – verständlich nach einem jahrelangen Kampf für das Traditionshaus Bourg-Gemen, das dem Wohnprojekt „Vivre sans voiture“ geopfert werden sollte.

Entspannter gibt sich derweil Octavie Modert. Die frühere Kulturministerin der CSV sagt: Der Erfolg oder Misserfolg der DP-Denkmalschutzpolitik bemisst sich vor allem an einer Zahl. Diese Zahl gibt an, wie viele Objekte seit dem Regierungswechsel im Dezember 2013 zusätzlich national geschützt wurden. Darum gehe es, denn das sei handfest. In ihrer sechsjährigen Amtszeit waren es 250 Objekte – ein Rekord in der luxemburgischen Geschichte. „Das kann ja die DP nun gerne toppen, aber dafür bliebe noch viel zu tun.“

In der Tat wurden in drei Jahren Modert 125 weitere Gebäude national geschützt, in den vergangenen drei Jahren DP nur 109 Objekte, darunter zwei Ensembles, deren 14 Teile einzeln gezählt werden. Vor kurzem hat Arendt zwei national geschützte Bauernhöfe in Keispelt abreißen lassen – obwohl er die Objekte zuvor selbst geschützt hatte. Diesen Fehler hält ihm selbst sein Koalitionspartner Franz Fayot (LSAP) in einer parlamentarischen Anfrage vor. Modert erinnert derweil an die unter ihrer Leitung veröffentlichte Topographie des Kantons Echternach. „Wie viele Topographien hat die DP veröffentlicht? Null!“

Das bedauert auch André Bauler. Er ist Vorsitzender der Kulturkommission, Autor des Bestsellers Landschaften a Baukultur an de Lëtzebuerger Ardennen, Denkmalschützer und Mitglied der DP im Norden. Fragt man ihn, weshalb Häuser als Denkmäler geschützt werden sollen, nennt er begeistert Beispiele aus allen Orten des Öslings, die er bereist, gesehen und fotografiert hat – meist für die Zeitschrift De Cliärrwer Kanton. Dieses Patrimoine sei eine unglaubliche kulturelle Leistung der Menschen, schwärmt Bauler.

Fragt man Bauler, was national schützenswert sei, nennt er die Pfarrkirche in Michelau mit ihrem barocken Hochaltar und dem Predigtstuhl aus dem Jahre 1682, die neo-romanische Abtei aus dem Jahre 1910 in Clerf, die Allee zwischen Weiswampach und Wemperhaardt, das Schloss und den Park in Erpeldingen an der Sauer (von 1620), die Sankt Celsus Kapelle in Ingeldorf aus dem Jahr 1701, das „Schuddenhaus“ in Troisvierges, das Grabmal der Familie Bian in Everlingen und die historische Brücke über die Sauer in Erpeldingen.

Fragt man Guy Arendt, nennt er: Das Palais, die Chamber, die Kathedrale und die Basilika in Echternach. So verschieden sind innerhalb der DP die Meinungen, was national schützenswert ist: Was Heimat charakterisiert (Bauler), oder was auf Postkarten abgebildet wird (Arendt). Tragisch ist allerdings, dass, außer der Basilika, kein einziges Objekt, das Bauler oder Arendt spontan nennen, bislang überhaupt national geschützt ist.

Jochen Zenthöfer
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