„As the vibrations died down in the laboratory the big man arose from the glass chair and viewed the complicated apparatus on the table. It was complete to the last detail. He glanced at the calendar. It was September 1st in the Year 2660.“ So und mit einer technischen Panne, einer Klimakatastrophe und einem errötenden Fräulein beginnt Ralph 124C 41+, der von 1911 bis 1912 erstmals erschienene Fortsetzungsroman von Hugo Gernsback, einem amerikanischen Verleger, Geschäftsmann und Erfinder, der nicht wegen seines unbeholfenen Stils in die Literaturgeschichte einging, sondern weil er den Begriff „Science Fiction“ und die ersten Science-Fiction-Magazine in Umlauf gebracht hatte.
Dass er als Hugo Gernsbacher 1884 in eine reiche Hollericher Familie geboren wurde und seine Jugend in Luxemburg verbrachte, ehe er mit 20 in die USA auswanderte und sich in Gernsback umbenannte, wusste hierzulande kaum jemand, bis Robert Stümper, wohl aufgrund eines Porträts im Life Magazine, 1966 im Lëtzebuerger Land an den ehemaligen Landsmann erinnerte, kurz vor dessen Tod 1967. Seit Science Fiction nicht mehr als Schundliteratur gilt und ihm selbst sein Sexualkundemagazin Sexology verziehen ist, wird Gernsback zunehmend als weiterer großer, in der Fremde erfolgreicher Sohn des kleinen Vaterlands und rot, weiß, blauer Edward Steichen der Populärkultur eingemeindet. Zuletzt in einer Ausstellung im Mudam (d’Land, 29.6.07) und nun, als vorläufiger Höhepunkt, mittels einer diese Woche im Merscher Literaturzentrum eröffneten, von Luc Henzig, Paul Lesch und Ralph Letsch zusammengestellten monografischen Ausstellung.
Gernsback wird seit Jahren von einer fleißigen Science-Fiction-Gemeinde in den USA als Gründervater verehrt und erforscht. Die Merscher Ausstellung fällt vor allem durch eine Abteilung über seine bisher wenig bekannten Jugendjahre in Luxemburg und die beeindruckende Materialfülle auf, die einige heimischen Privatsammler zusammengetragen haben. So erfährt der Besucher, dass Gernsbacher ein fauler Schüler der Industrieschule und ein fleißiger Bastler war, der mit 13 Jahren elektrische Klingeln im benachbarten Karmelitinnenkloster installierte, und mit 19 einen von der Militärkapelle wiederholt aufgeführten patriotischen Marsch Rout, Wäiss, Blo komponierte. Zeugnisse aus seinem späteren Leben zeigen, dass der Auswanderer in seinen Schriften und Interviews stets seine Luxemburger Ursprünge betonte.
In seiner neuen Heimat versuchte sich Gernsback zuerst als Erfinder, auf dessen Namen mindestens drei Dutzend Patente eingetragen sind. Prophetisch ist beispielsweise seine als Faksimile ausgestellte Zeichnung eines „Telebiovision“ getauften Fernsehers mit einer Öffnung für „Hot air“. Da der Erfolg ausblieb, begann er die Technikbegeisterung seiner Zeit zu nutzen, indem er populärwissenschaftliche Zeitschriften für Tüftler und Radioamateure herausbrachte.
Gernsbacks ausschweifende Fantasie und seine Neigung zum Extravaganten führten dazu, dass er in den Kinderjahren des Flugzeugs, des Autos, des Radios und des Panzers fieberhaft über die Zukunft der Technik spekulierte. 1926 lancierte er schließlich mit Amazing Stories das erste Science Fiction-Magazin, dessen Charme bis heute die Titelbilder von Frank R. Paul ausmachen. Selbst in der Großen Depression tröstete er seine Leser unter wechselnden Titeln und mit schnell abnehmendem wirtschaftlichem Erfolg, dass alle gesellschaftlichen Probleme einmal mit Kurzwellen und Raketen zu lösen sein werden. Neben den bekannten Zeitschriften Gernsbacks zeigt das Literaturarchiv zahlreiche weitgehend unbekannte kurzlebige Titel und Gelegenheitsschriften.
Die Ausstellung konzentriert sich auf Gernsbacks Leben in Luxemburg und sein Werk in den USA. Wie und wovon er insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg lebte, bleibt ziemlich unklar. Dass auch im ausführlichen Katalog der historische Kontext von Weltkriegen, Weltwirtschaftskrise und Kaltem Krieg zu kurz kommt, ist umso bedauernswerter, als kein Genre ideologielastiger als Science Fiction ist.
Den Abschluss der Ausstellung stellt das Nachleben Gernsbacks dar, seine Verwertung und Verehrung durch organisierte Science-Fiction-Liebhaber und ihre manchmal obskuren Publikationen bis hin zu den jährlichen Hugo Awards der World Science Fiction Convention, Briefmarken der Luxemburger Post und einer trostlosen Straße auf Kirchberg. Letztere befindet sich zwischen einem Kino und den Messehallen, ganz treffend zwischen Fiktion und Kommerz, wie Paul Lesch am Dienstag meinte.