Zucker, Kakao, Minze sind Zutaten, die das Werbepublikum wahrscheinlich eher mit englischem Schokokonfekt als mit Zigaretten assoziiert. Doch neben Lakritze sorgen sie dafür, dass die Lucky Strikes smooth taste so geschmeidig sind, wie der Markenname verspricht. Sie mindern beispielsweise den bitteren Tabakgeschmack und bewirken, dass der Rauch in der Lunge nicht so beißt – und deswegen tiefer inhaliert wird. Zwar gehören sie, schon allein weil ihnen die Endung „-oxid“ fehlt, auf den ersten Blick zu den harmloseren Tabakzusatzstoffen, die beispielsweise auf der Webseite des deutschen Bundesministeriums für Verbraucherschutz aufgelistet sind.1 Weil sie aber nicht gegessen, sondern geraucht werden, warnen Forscher vor den Giftstoffen, die bei der Verbrennung entstehen. Daneben stellen sich auch Fragen darüber, inwiefern Tabakzusatzstoffe, die Nikotinsucht der Raucher erhöhen. Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind, wie auch das Scenihr, das wissenschaftliche Komitee der EU-Kommission, das sich mit Umwelt- und Gesundheitsrisiken beschäftigt, 2010 feststellte2. Eine der unappetitlichen Ursachen: Weil Tiere nicht rauchen, und ihnen die potenziell gefährlichen Stoffe demnach intravenös zugeführt werden müssen, und sie zudem anders auf Nikotin reagieren als Menschen, lässt sich in Tierversuchen kaum nachstellen, wie genau die Zusatzstoffe wirken.
Was nicht verhindert, dass Zigaretten ohne Zusatzstoffe in der Auffassung der Verbraucher als weniger schädlich gelten. Mit zusatzstofffreien Zigaretten versuchen die Tabakkonzerne deswegen, ansonsten gesundheitsbewusste Raucher bei der Stange zu halten. Trotz Widerspruch ein, wie es scheint, zunehmend lukratives Geschäftsfeld. „Der Markt für zusatzstofffreie Zigaretten ist in Deutschland noch sehr klein“, heißt es in einer Veröffentlichung des Deutschen Krebsforschungszentrum, „aber er wächst seit Jahren kontinuierlich.“ So überrascht es nicht, dass die großen Zigarettenmarken, ob Camel, Lucky Strike oder Gauloises, mit Untermarken wie Natural Flavour, Straight oder Sélection versuchen, den Zeitgeist einzufangen und ihre Ware als natürliches Produkt zu präsentieren. Ein Produkt, das diejenigen anspricht, die sich der Schädlichkeit des Rauchens voll bewusst sind, aber dennoch nicht aufhören können. Sportliche Raucher beispielsweise. Die viel (Bio-)Gemüse essen, ihren Müll trennen. Und PKWs mit niedrigem Verbrauch fahren. Nicht umsonst sind die Verpackungen von aroma- und zusatzstofffreien Zigaretten – Achtung: Natürlichkeit! – in Braun- und Beigetönen gehalten und sehen nach Recycling-Papier aus.
Seit Juni versucht auch Heintz van Landewyck, in dieser Nische Fuß zu fassen. Maya heißt die neue Marke, Back to pureness lautet das Motto. Sie ist Beleg dafür, wie schwierig die Markteinführung eines neuen Produktes in Zeiten des Tabakwerbeverbots sind. Seit die Tabakkonzerne niemandem mehr vorgaukeln dürfen, dass Rauchen maskuliner beziehungsweise femininer oder allgemein attraktiver macht, weil das Prädikat „Light“ verboten ist und nicht mehr suggeriert werden darf, dass diese oder jene Zigaretten nicht ganz so gesundheitsschädlich sind, ist der Spielraum für die Werbefachleute begrenzt. Was kann man über ein nachgewiesen krebserregendes, süchtig machendes Produkt noch Positives sagen, wenn man die Wahrheit sagen muss? Nicht viel. Deswegen verteilt Van Landewyck Freundschaftsbänder und spricht von der lateinamerikanischen Hochkultur, die nicht nur den Weltuntergang für dieses Jahr vorausgesagt hat. Die Mayas gelten auch als erste Raucher der Menschheitsgeschichte (anno 600 vor Christus). Über den aufsteigenden Rauch hätten sie mit ihren Göttern kommuniziert, erklärt van Landewyck den Käufern ihrer Zigaretten.Aufgrund der Anden-Thematik ist die Maya-Schachtel weder braun noch beige, sondern so bunt wie die Ponchos eines Panflöten-Straßenorchesters. Und – dafür gibt’s Pluspunkte –, sie kann ein Forest-Sustainability-Council-Siegel aufweisen. Da ist das notorisch schlechte Rauchergewissen doch gleich ein wenig reiner.
Carlo Sauber
Kategorien: Stil
Ausgabe: 17.08.2012