Mehr als elf Jahre sind vergangen, seitdem im Juli 2003 unter dem damaligen DP-Umweltminister Charles Goerens L’environnement en chiffres publiziert wurde. Für die handliche Broschüre im A6-Format war an Umweltstatistiken zusammengetragen worden, was verfügbar war, und sie zeigte nicht nur den Stand der Dinge an, sondern auch die Trends über die bis dahin vergangenen Jahre.
Für dieses Jahr ist eine Neuauflage geplant. Sie dürfte interessant ausfallen. Denn andere Daten, die mit einem „Druck auf die Umwelt“ in Zusammenhang gebracht werden können, haben sich ähnlich weiterentwickelt wie etwa in den acht Jahren zwischen 1995 und 2003. Die Einwohnerzahl zum Beispiel war in jenem Zeitraum um zwölf Prozent gewachsen, zwischen 2003 und 2011 legte sie sogar um 15 Prozent zu. Der Fuhrpark aus PKW und Nutzfahrzeugen hatte sich zwischen 1995 und 2003 um 21 Prozent vergrößert, in den acht anschließenden Jahren um weitere 19 Prozent. Der Zuwachs im Gebäudebestand blieb mit acht beziehungsweise sieben Prozent über beide Perioden ziemlich stabil.
Klar hat das Auswirkungen auf die Umwelt, auf Luft, Wasser, Boden, auf Naturräume und Tiere und Pflanzen darin. Und was derzeit an Umweltdaten verfügbar ist, zeigt: Die Luxemburger Umweltbilanz sieht in mancher Hinsicht gar nicht gut aus. Das wird zu politischen Entscheidungen führen müssen. Denn halten die bestehenden Trends an, können Strafen seitens der EU drohen.
Wie riesig der Handlungsbedarf im Bereich Wasser ist, deutet die dritte Grafik von oben an: Eigentlich müssten die dort erwähnten 54 Wasserkörper – das sind Oberflächenwasserläufe – laut EU-Wasserrahmenrichtlinie schon dieses Jahr in einem „guten Zustand“ sein. Aber weil das 2009 nur auf sieben Prozent zutraf und nach einem damals beschlossenen Bewirtschaftungsplan dieses Jahr wohl nur 28 Prozent dem Kriterium gerecht werden, erhielt Luxemburg eine Frist bis 2027 zugestanden.
Der „gute Zustand“ ist ein komplexer Parameter aus biologischen und chemischen Anforderungen an die Wassergüte, aber beispielsweise auch an den Verlauf der Flussbetten, der möglichst „naturnah“ sein soll. Deshalb wird der „Zustand“ auch nicht jedes Jahr ermittelt und hat nicht direkt etwas zu tun mit der politisch viel diskutierten Strafe, die Luxemburg Ende 2013 vom EU-Gerichtshof auferlegt bekam, weil zwei der großen Kläranlagen noch nicht normgerecht arbeiten. In den nächsten Jahren soll das behoben sein – aber: Die Belastungen der Flüsse mit Nährstoffen sind noch immer hoch. Vor allem mit Nitraten, und die kommen aus der Landwirtschaft. Luxemburg riskiert, die EU-Nitrat-richtlinie von 1991 nicht zu erfüllen, und befindet sich deshalb schon im Radar der EU-Kommssion. Das Nachhaltigkeitsministerium hat ermittelt, dass die Nitrateinträge in die Gewässer „nicht wirklich“ sinken – trotz aller Anstrengungen in der Abwasserbehandlung der letzten Zeit. In manchen Flüssen, wie in der Eisch, der Attert und der Wiltz, zeigt die Tendenz klar nach oben.
Hinzu kommt beispielsweise: Während die großen Kläranlagen in absehbarer Zeit regelkonform sein werden, ist das bei kleineren weniger sicher. Das Wasserwirtschaftsamt im Nachhaltigkeitsministerium schrieb im Jahresbericht 2013: „Il y a lieu de noter que de nombreuses stations d’épuration reçoivent des charges hydrauliques trop importantes. Ces surcharges sont dues, d’une part, à des équipements épuratoires non adaptés à l’évolution croissante de la population et, d’autre part, à des réseaux de collecte vétustes transportant trop d’eau claires parasites.“ In anderen Worten: Der demografische Druck zieht einen Investitionsbedarf in eine lange vernachlässigte Infrastruktur nach sich.
Der Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen zufolge ist Luxemburg der EU-Staat mit den am stärksten fragmentierten Landschaften. Das kommt durch den starken Flächenverbrauch für Siedlungen, Gewerbe und Verkehrswege. 82 Prozent seiner Feuchtgebiete, 58 Prozent der Streuobstwiesen und 35 Prozent seiner Magerrasen hat Luxemburg schon eingebüßt.
Allerdings sind derartige Landschaftsformen für den Artenschutz besonders wichtig, und ihre Erhaltung und Verbesserung ist Pflicht. Bis 2020 müssen, so sieht es die EU-Habitatrichtlinie vor, alle von der Richtlinie erfassten Habitate sich zumindest auf dem Weg der Besserung für die darin vorkommenden Arten befinden. Wie weit Luxemburg davon noch entfernt ist, zeigt die Grafik links unten, die die Resultate eines 2013 durchgeführten Monitorings enthält. Weil zwischen 2007 und 2013 der Anteil der Habitate mit „schlechtem“ oder „unangemessenem“ Zustand von 30 auf 75 Prozent zugenommen hat, befindet Luxemburg sich in einem „vorgerichtlichen Verfahren“ mit der EU-Kommission. Wird der Habitatschutz nicht wirksam erhöht, kostet das die Staatskasse in absehbarer Zeit womöglich Geld.
Ähnlich ist die Lage im Vogelschutz (Grafik unten rechts), wie 2013 ein Monitoring auch in diesem Bereich ergab. Der Verlust an Lebensräumen im offenen Land und der Rückgang der Feuchtgebiete, den schon das Habitat-Monitoring nachwies, wird vor allem verantwortlich gemacht für die „unzureichende“ bis „schlechte“ Situation in 60 Prozent der untersuchten Vogelschutzgebiete.
2020 ist auch das Stichdatum, an dem die EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung erfüllt sein soll. Mit Treibhausgasen und Klimaschutz hat sie nichts zu tun, sondern setzt Grenzwerte für Schwefelverbindungen, Kohlenmonoxid, Stickoxide, Ammoniak, organische Verbindungen, Feinstäube und Stickoxide in der Luft. Die meisten Kriterien erfüllt Luxemburg jetzt schon, und das dürfte voraussichlich auch so bleiben. Nur ein Luftschadstoff macht Sorgen: die Stickoxide (NOx). Die zweite Grafik von oben, die auf den aktuellsten Daten aus dem Nachhaltigkeitsministerium basiert, zeigt den Trendverlauf bis zum Jahr 2012 sowie die Prognose bis 2020 – und deutet an, wie weit Luxemburg dann trotz aller bisher ergriffenen oder noch geplanten Maßnahmen vom Zielwert entfernt sein dürfte.
Stickoxide rühren hierzulande in erster Linie von Abgasen aus Dieselmotoren her, und der Dieselanteil im heimischen PKW-Bestand ist im EU-Vergleich hoch. Hinzu kommen LKW und Busse. Allerdings gehen in die Bilanz nicht Luftmessungen ein, sondern die verkaufte Menge an NOx freisetzenden Stoffen. Das heißt: Luxemburg hängt hier vor allem sein Kraftstoffgeschäft an.
Dasselbe gilt für die Treibhausgasbilanz. LSAP-Umweltminister Lucien Lux äußerte seinerzeit: „Der Tanktourismus ist wie ein nasser Schwamm.“ 2013 war der Kraftstoffexport noch immer ursächlich für fast die Hälfte der CO2-Emissionen. Rechnet man den Kraftstoffverbrauch der Einheimischen hinzu, steigt der Anteil „Transport“ in der Bilanz auf rund drei Fünftel.
Vielleicht ist das die größte umweltpolitische Herausforderung an Luxemburg in den kommenden Jahren. Bis 2020 muss das Großherzogtum, laut dem Burden sharing im Klima- und Energiepaket der EU von 2009, seine CO2-Emissionen um mindestens 20 Prozent gegenüber denen von 2005 senken. Damals wies die Bilanz 10,2 Millionen Tonnen CO2 aus. 2020 dürften es nur noch 8,09 Millionen Tonnen sein, und bis dahin muss obendrein Jahr für Jahr eine Trajektorie hin zum Ziel eingehalten werden. Sie ist der Grafik ganz oben zu entnehmen.
Die Grafik zeigt ebenfalls, dass Luxemburg, provisorischen Daten zufolge, 2013 den Zielpfad sogar unterbot. Doch wie man sieht, geht das Nachhaltigkeitsministerium davon aus, dass der Trend nicht zu halten sein wird – und schon dieses Jahr mit den „bestehenden Maßnahmen“ zum Klimaschutz beinah wieder so viel emittiert werden könnte wie 2005. Mit „zusätzlichen Maßnahmen“ könnte sich das drücken lassen. Doch damit läge man dennoch über der Vorgabe aus der Trajektorie. Und: 2020 würden auch mit „zusätzlichen Maßnahmen“ knapp 20 Prozent mehr emittiert als vorgeschrieben, und mit „bestehenden Maßnahmen“ 29 Prozent mehr und das Aufkommen von 2005 knapp über- statt um ein Fünftel unterboten.
Worin „zusätzliche Maßnahmen“ bestehen könnten, ist natürlich eine politische Frage. In ihrem letzten, vom Frühjahr 2014 datierenden Bericht an das UN-Klimaschutzsekretariat in Bonn hat die Regierung eingeräumt, dass wesentliche Verbesserungen der Bilanz nur durch Eingriffe in den Kraftstoffexport zu haben wären. Das aber ist wegen der starken Abhängigkeit der öffentlichen Finanzen vom Tankstellengeschäft, das in den nächsten Jahren geschätzte 1,5 Milliarden Euro an jährlichen Steuer- und Akziseneinnahmen nicht nur auf Kraftstoff, sondern auch auf Tabakwaren, Alkoholika und Kaffee in die Staatskasse spülen soll, vor allem ein haushaltspolitisches Problem. Deshalb verspricht die Regierung zwar, diese Einnahmen „längerfristig“ und „graduell“ von den Ausgaben des Staates „entkoppeln“ zu wollen, fügt aber gleich hinzu, dies müsse „geplant“ und „im Kontext mit regulatorischen Änderungen“ in anderen EU-Staaten gesehen werden. Und wenn sie schreibt, die Emis-sionen aus den in Luxemburg gekauften Kraftstoffen fielen ja eigentlich „nur im Ausland an“, bittet sie vorsichtshalber ähnlich um Verständnis für die „untypische“ und „einzigartige“ Situation Luxemburgs wie schon die vorigen Regierungen das taten.