„I love my job.“ So die Botschaft auf einem der Plakate einer Luftfahrtangestellten bei der Protestveranstaltung der Gewerkschaften am Dienstag vor dem Parlament. Viele waren gekommen, um zu protestieren: gegen das Vorgehen der Unternehmensleitungen von Cargolux und Luxair, die in den vergangenen Wochen die jeweiligen Tarifabkommen gekündigt hatten. Gegen den wachsenden Einfluss von Qatar Airways, Minderheitsaktionär bei Cargolux, und seine „Marionetten“, zu denen OGBL-Sekretär Hubert Hollerich auch den Ex-Hauptstadtbürgermeister und Luxair-Vorsitzenden Paul Helminger zählt. Gegen die bisher zurückhaltende Regierungspolitik. Zwischen 1 000 und 1 500 Demonstranten sollen es gewesen sein. Mitunter hatte man den Eindruck, dass der Vorplatz des Palais besser gefüllt war als bei der Prinzenhochzeit. Viele Parlamentarier lugten erst einmal vorsichtig hinter den Fenstern hevor, bevor sie sich hinaustrauten, um sich die Anliegen der Protestierenden anzuhören, die Angst um ihre Jobs haben und von der Politik wissen wollen, wie die Zukunft am Findel aussehen soll.
Darüber debattierte am Donnerstag das Parlament selbst. Der Konsens durch die Fraktionen – mit wenigen Nuancen: Der Staat soll seine Rolle als direkter, beziehungsweise indirekter Aktionär bei beiden Gesellschaften stärker wahrnehmen, dadurch sicherstellen, dass die „Luxemburger Interessen“, also die Aktivität und die Arbeitsplätze am Findel erhalten bleiben. Die LSAP-Fraktion ließ eine Motion verabschieden, in der gefordert wird, dass die öffentlichen Aktionäre auch in Zukunft 65 Prozent der Cargolux-Anteile halten sollen, um zu verhindern, dass Qatar Airways zusätzlich an Einfluss gewinnt. Dass darüber hinaus wenig konkret über die gewünschte Ausrichtung und Aufstellung von Luxair und Cargolux diskutiert werden konnte, liegt auch am Zeitpunkt.
Weil die Ergebnisse der strategischen Analysen der beiden Gesellschaften erst in den kommenden Wochen vorliegen werden, ist es kaum möglich, sich in vielen Fragen zu positionieren. So stimmen die meisten Fraktionssprecher zu, wenn es darum geht, ob die Luxair noch einen öffentlichen Auftrag zur Anbindung Luxemburgs an europäische Wirtschaftsmetropolen und große Luftfahrtdrehkreuze hat. Wie es die Gesellschaft schaffen soll, ihr Liniengeschäft, dessen Defizit sich 2012 auf fast 20 Millionen Euro belaufen wird, rentabel zu machen oder wie dieses Defizit als notwendiges Übel in Zukunft ausgeglichen werden soll, dazu gibt es kaum präzise Vorstellungen. Wie sich aber die Luxair umorganisiert und wie viel sie dazu investieren muss, beispielsweise in größere Flugzeuge mit zwischen 70 und 80 Sitzplätzen – noch gibt es in der Luxair-Linienflotte deutlich kleinere und deswegen unrentable Maschinen – ist aber ein Schlüsselelement jeder Zukunftsplanung. Denn davon hängt ab, in welcher Höhe sich Luxair an der anstehenden Kapitalerhöhung von Cargolux beteiligen kann, beziehungsweise, ob SNCI oder BCEE ihre Anteilspakete ausbauen müssen. Oder etwa gar der Staat wieder direkt ins Kapital einsteigen muss. Das schließt Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV) nicht aus. Es würde aber voraussetzen, dass der Staat Schulden aufnehmen müsste, um die Beteiligung zu finanzieren. Und, wie sich Wiseler beeilte zu betonen, dass Cargolux schwarze Zahlen schreibe, weil die EU-Kommission eine solche Maßnahme ansonsten als illegale Staatsbeihilfe verbieten müsste.
Waren demnach Protest und Parlamentsdebatte reine Scheingefechte? Nicht ganz. Weil der Cargolux-Verwaltungsrat am 30. November den neuen CEO bestimmt, ging es diese Woche vor allem darum, die „Luxemburger“ Aktionäre auf Kurs zu bringen. Sie sollen alle zusammen ihre Vormachtstellung im Verwaltungsrat nutzen, um einen CEO einzusetzen, der die Kenntnisse und die Persönlichkeit besitzt, um sich gegebenenfalls gegen Qatar Airways und deren übermächtigen Chef Akbar Al-Baker durchzusetzen, sowie gegen den wenig diplomatisch auftretenden Verwaltungsratspräsidenten Albert Wildgen. Um zu verhindern, dass wie in der Vergangenheit die „Luxemburger“ Vertreter nicht „en bloc“ stimmen, und um sie einzuschwören, hatten kürzlich alle einen Termin mit Infrastrukturminister Wiseler und Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP). So diente diese Woche vor allem zum Aufbau der Gegendrohkulisse zu der, die Qatar Airways in den vergangenen Monaten aufgebaut hat: Man stellt die (zwar reellen) Probleme von Cargolux in den Vordergrund, die nur Qatar Airways mit ihre quasi unendlichen finanziellen Ressourcen lösen kann. Es ging darum, zu zeigen, dass Luxemburg und seine Gesellschaften Katar nicht hilflos ausgeliefert sind. Dass das funktioniert, zeigt der rezente „Erfolg“ der Luxemburger Parteien im Verwaltungsrat: Die Maintenance alternativ zu schließen, steht nach ihrem Einspruch nicht mehr auf dem Programm. So kam auch Claude Wiseler nicht umhin, auf der Parlamentstribüne Stellung zu beziehen, und zu sagen, der Staat werde bei der Kapitalerhöhung der Cargolux „seinen Mann stehen“ – sprich das Status quo der Besitzverhältnisse aufrecht erhalten. Dabei ist es die Vorbereitungsarbeit von Wirtschaftsminister Etienne Schneider, aber auch der Mehrheitsfraktionen im Parlament, die es Wiseler erlaubten am Donnerstag die Rolle des „starken Mannes“ einzunehmen. Wiseler selbst hatte in den vergangenen Monaten – wie auch am Donnerstag – hervorgehoben, Luxair und Cargolux seien Privatgesellschaften, und damit die Rolle der öffentlichen Aktionäre heruntergespielt.
Ein Umstand, der wie der Alleingang Luc Friedens beim Verkauf der Cargolux-Anteile an Qatar Airways (siehe nebenstehenden Artikel) und die Ungeschlossenheit der „staatlichen“ Verwaltungsratsmitglieder in der Vergangenheit Indiz für die Orientierungslosigkeit und den Führungsmangel im Staatsapparat sind, die zur Folge haben, dass zunehmend undeutlich wird, wer welche Rolle zu spielen hat und spielt.
Ein weiteres Beispiel: Die meisten Pfiffe und Buhrufe der Protestierenden am Dienstag galten Paul Helminger, der von der Regierung als Verwaltungsratsvorsitzender von Luxair eingesetzt wurde und als solcher auch Verwaltungsratsmitglied bei Cargolux ist. Dennoch gilt er vor allem dem OGBL als Mann Katars, wegen seiner Reisen nach Doha und der Kündigung der Kollektivverträge. Dabei irrt die Gewerkschaft wahrscheinlich mehrfach. Weil sie Helminger dadurch aus der Verantwortung entlässt, sich für die Interessen der Arbeitnehmer stark zu machen. Weil Helminger weniger ein Mann Katars ist, als einer des neuen arbeitgeberfreundlichen Vereins 5vir12. Weil die ansonsten übervorsichtige Luxair-Direktion kaum den Kollektivvertrag gekündigt hätte, ohne dass ihre Vorgesetzten in der Regierung davon gewusst hätten. Weil das wiederum den Schluss nahelegt, dass nicht allein Katar des Luxemburger Sozialmodells überdrüssig ist, nicht nur die Arbeitgeberverbände, die den Präzedenzfall der Tarifvertragskündigung mehr oder weniger offen begrüßen, sondern auch Teile der Regierung.
josée hansen
Catégories: Internet, Politique économique
Édition: 16.11.2012