Was ist denn Ihre werte Mweinung dazu?

Von Frauen und Bananen

d'Lëtzebuerger Land vom 11.07.2002

Wer kann dazu schon nein sagen? Der Theaterkritiker des Luxemburger Wort schreibt ein Theaterstück und bietet es den EnsembledirektorInnen an. Drei Jahre später schon hat sich ein Theater gefunden, dessen Hauptregisseur den Autor André Link als "Entdeckung" bezeichnet und sein Stück Was ist denn Ihre werte Meinung dazu? uraufführt.

André Link schreibt über das, was er am besten zu kennen glaubt: verblichene Koryphäen des Kulturbetriebs, die nach Anerkennung lechzen. So soll der junge Feuilletonjournalist Steve Baumann (Sascha Migge) zu Arnold Fabricius' (Stefan Born) siebzigstem Geburtstag eine Würdigung für die Luxemburgische Glocke schreiben und wagt sich deshalb zum Interview in seine Wohnung. Natürlich wird die Begegnung ein Fiasko nach guter alter Volkstheatermanier; vom Küchenunfall von Frau Fabricius (Christine Reinhold) bis zum Kreislaufkollaps des ehemaligen "Erzbischofs der Linken" (wie sich Fabricius selbst bezeichnet), lässt Link keinen klassischer Slapstickgag aus, ganz in der Tradition der Lëtzebuerger Revue.

Ansonsten wird vor allem abgerechnet: Fabricius, der sich brüstet, mit Fidel Castro, Willy Brandt, Günther Grass oder Jean-Paul Sartre fotografiert worden zu sein, bietet dem Kritiker des Wort-Imperiums vor allem einen Vorwand, mit den LSAP/tageblatt-Kulturpäpsten seiner Zeit abzurechnen: grobe Anspielungen auf linke Schriftsteller und Kulturpolitiker der 70-er und 80-er in Luxemburg, von Robert Krieps über Mars Klein bis Guy Wagner, sind offensichtlich.

Arnold Fabricius hat sich einen Lebenslauf erfunden, der zum perfekten altlinken Opportunisten gehört: während des Zweiten Weltkriegs im Widerstand (obwohl er erst elf Jahre alt war), dann zu den Existentialisten nach Paris und weiter nach Moskau, bis er im Alter mystisch bis religiös angehaucht auch beim Verlag der Luxemburger Glocke Anerkennung sucht.

Das alles ist ja noch ganz nett, man könnte es in die Tradition des nationalen Boulevardtheaters einreihen, doch mit den Figuren und Dialogen klappt dann hinten und vorne nichts - besonders die Frauenfiguren sind vom verstaubten Machismus älterer luxemburgischer Männer dermaßen karikiert, dass einem zum Brüllen ist. Frauen sind nämlich, nach Link, etwas dämlich, haben einen esoterischen Riss in der Schüssel, sind hysterisch, fallen ihrem Mann permanent ins Wort, und die jüngeren können nicht einmal kochen. 

Ach ja, überhaupt: die Jüngeren! Nadine Entringer spielt Trixi, eine junge Frau, die jobbt, um über die Runden zu kommen, und durch puren Zufall bei den Fabricius' landet. 

Sie trägt einen Minirock, Turnschuhe mit dicken Sohlen, eine Basketballmütze und ist gepiercet - so stellt sich wohl Regisseur Dieter Peust junge Frauen vor. Natürlich ist sie ungebildet, dämlich und zahm, fährt Skateboard, hört Rap und sagt ständig "kotzen", "geil" und "cool".

Und sie ist ebenso natürlich das Objekt der männlichen Begierde;  weil sie selbst wohl dauernd geil und auf Anmache aus ist, isst sie ständig Bananen - das Phallussymbol par excellence! -, damit auch die älteren Semester in der letzten Reihe den Wink verstehen. Allerdings, wenn schon, hätte Dieter Peust aus ihr ein richtiges Luder machen sollen, die den Herzschrittmacher des ollen Fabricius zum Explodieren hätte bringen können. Aber so ist sie nur die Verkörperung der Phantasmen älterer Männer, brav und sexy zugleich. 

Am Ende zischt sie dann mit dem unausstehlichen Pedanten nach Teneriffa ab, was ihr natürlich absolut niemand abnimmt. Aber vielleicht ist Faricius bloß das Alter Ego des Autoren, der durch seine Figuren auch einmal gefährlich leben möchte. 

 

Was ist denn Ihre werte Meinung dazu? von André Link, Inszenierung: Dieter Peust; mit Stefan Born, Nadine Entringer, Sascha Migge und Christine Reinhold; Bühne und Licht: Patrick Colling, Alex Thill, Guy Schaack; Inspizienz: Liette Majerus; eine Produktion des Kasemattentheater; weitere Vorführungen: heute und morgen abend, sowie am 16., 17., 19. und 20. Juli jeweils um 20 Uhr im Saal Tun Deutsch, 14, rue du puits in Luxemburg-Bonneweg; Kartenvorbestellung unter 29 12 81. 

 

 

 

 

josée hansen
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