Gesundheitsberufe

Neue Krankenpflegeausbildung

d'Lëtzebuerger Land du 23.09.2010

Am Ende war es wohl die Androhung aus Brüssel, die Wirkung zeigte: diesen September startet am Lycée technique pour professions de santé (LTPS) in der Hauptstadt die erste Krankenpflegeausbildung nach neuem Modus. Statt wie bislang nur drei Jahre werden künftige Krankenschwester vier Jahre ausgebildet, bevor sie ihren Brevet de technicien supérieur (BTS) en soins généraux erhalten. Den Bac technique erhalten sie wie bisher nach der 13e.

Das entsprechende Gesetz, mit dem Ausbildung verlängert wird, haben die Abgeordneten noch schnell im Juli vor der großen Sommerpause verabschiedet. Wohl um im letzten Moment noch einer Klage der Europäischen Kommission aus dem Weg zu gehen. Die Krankenpflegevereinigung Anil hatte sich, nach sie sich bereits im Jahr 1996 in Brüssel über zu wenig Praxis in der Luxemburger Krankenpflegeausbildung beschwert hatte, noch einmal vor zwei Jahren per Brief an die Kommission gewandt. So lange, 15 Jahre, war die hiesige Ausbildung nicht EU-konform: In der Direktive über die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen war die Mindestausbildungsdauer mit 4 600 Stunden oder drei Jahren veranschlagt. In Luxemburg dauerte die Ausbildung aber nur rund 3 100 Stunden, wobei viel Zeit für Sprachen und Allgemeinbildung aufgewendet wurde.

Die neue Generation an Krankenpflegern wird also rund tausend Unterrichtsstunden mehr büffeln müssen (die anderen machen ihre Ausbildung im vorigen Modus fertig). Dafür hatten die Lehrerinnen und Lehrer der Schule sowie die zuständigen Programmkommissionen bereits im Januar unter Hochdruck an einem neuen Unterrichtskonzept gefeilt. Die Stunden zu füllen, sei aber nicht schwer gefallen, betont Marianne Gillen, Direktorin des LTPS: Vor allem der praktische Unterricht wurde massiv ausgedehnt.

Weil die Krankenpflegeausbildung zum Régime technique zählt, gelten die Bestimmungen des neuen Berufsausbildungsgesetzes nicht für die Krankenschwestern. Allerdings: Den Unterricht entlang von Kompetenzen und im Semestermodus hatte die Schule zuvor schon im Rahmen eines Projet d’innovation eingeführt. „Wir haben da eine gewisse Expertise“, sagt Gillen stolz. Wie bei den neuen Berufsausbildungen, den Formations phares, erfolgt die Bewertung nicht nach dem 60-Punktesystem, sondern über praktische Prüfungen. Wer diese besteht, wird zum nächsten Schuljahr zugelassen. Ein Portfolio dokumentiert den Lernstand der Schülerinnen und Schüler.

Die scheinen sich an der längeren Schulausbildung nicht zu stören, etwa tausend Schüler zählt das Lyzeum, „ungefähr so viel im letzten Jahr“, sagt die Direktorin. Das Gros sind, wenig überraschend, junge Frauen, wobei allmählich auch die Männer nachzögen.

Anstoß nehmen an den verlängerten Ausbildungszeiten könnten vielleicht die Gesundheitskasse und der Regierung, dann nämlich, wenn die Gewerkschaften ihre Forderung nach einer Aufwertung der Krankenpflegekarriere erneuern sollten. Derzeit ist es zwar ruhig, vielleicht eine Nebenwirkung der Wirtschaftskrise, aber die Aufwertung der Krankenschwesterlaufbahn ist Kernbestandteil der Kollektivvertragsverhandlungen im Sozial- und Gesundheitssektor. Insofern ist neuer Streit wohl nur eine Frage der Zeit.

Für den Gesundheitssektor werden die Verhandlungen auf jeden Fall eine harte Nuss, denn krankenpflegerisches Personal wird in Luxemburg weiterhin dringend gebraucht. Lediglich bei den Laborassistenten ist eine Trendwende zu erkennen. Weil der Gesundheitsminister im Dezember 2008 die Labortarife pauschal um fast 20 Prozent hatte kürzen lassen, ist die sonst üppige Einstellungspraxis vor allem bei den Privatlaboratorien sehr viel verhaltener. Das hat sich offenbar bis zu den Schülern herumgesprochen: Dieses Jahr bietet das LTPS keine Klasse für angehende medizinisch-technische Assistentinnen an, bestätigt Marianne Gillen. Die wenigen Schüler, die sich für die Ausbildung gemeldet hätten, seien auf andere Gesundheitsberufe reorientiert worden. Ansonsten hätte man trotz Krise aber keinerlei Ausbildungsangebote reduzieren müssen.

Das klingt ganz gut. Allerdings droht neues Ungemach aus Brüssel: Obwohl bereits vom Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die Freizügigkeit von Personen verklagt, kennt Luxemburg noch immer nicht die Berufsabschlüsse von Ärzten, Krankenschwestern, Zahnärzten und Hebammen aus Rumänien und Bulgarien an. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der der Abgeordnetenkammer vorliegt, sieht die Anerkennung von Ärzten und Apothekern vor, nicht aber von Krankenschwestern und Hebammen. Die Kommission hat daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg eingeleitet und beim Gerichtshof die Verhängung eines Zwangsgeldes beantragt.

Ines Kurschat
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