Die Statistiken sind jedes Jahr eine Litanei: Im Laufe des vergangenen Jahres wurden in 14 Ländern 26 Journalisten getötet und 138 sind nach Zählungen des Weltverbands der Zeitungen eingesperrt. 119 Nationen üben Zensur aus oder schränken die Pressefreiheit auf andere Weise ein.
Die meisten dieser Opfer sind Märtyrer, die für demokratischere Zustände in ihrer Heimat kämpften. Einige wenige wurden Opfer eines unsinnigen Konkurrenzkampfes im Geschäft mit den spektakulärsten Bildern aus Krisengebieten.
Doch auf all diese Zahlen soll am Sonntag bei Gelegenheit des Welttags der Pressefreiheit aufmerksam gemacht werden, zu dem die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1993 den 3. Mai erklärt hat.
Natürlich haben Presseleute den Vorteil, daß sie selbst über die Verfolgung ihrer Zunft berichten und ihr so größere Bedeutung beimessen können als andere Berufsgruppen. Von Algerien bis Afghanistan ermordeten islamistische Integristen beispielsweise weit mehr Lehrer als Journalisten. Aber es sind nicht die Lehrer, welche die Zeitungen machen, auch wenn das Lesenkönnen Voraussetzung der Pressefreiheit ist.
In Staaten, in denen die Pressefreiheit nicht derart blutig unterdrückt wird, werden um so lieber irreführende Ansichten über sie verbreitet. Allzu gerne wird auch hierzulande vergessen, daß Pressefreiheit weniger die Freiheit von Journalisten ist, ihre privaten Ansichten verbreitet zu bekommen, oder von Verlegern, bedrucktes Papier oder Sendeminuten verkaufen zu können, als die Freiheit der Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen zu haben. Und wer behauptet, daß sich die Interessen beider Seiten immer decken, lügt wie alle Supplysiders.
Tatsächlich ist hierzulande noch immer eine Anweisung des Premierministers in Kraft, die den Beamten untersagt, Journalisten Auskunft zu geben - so als würde die Regierung die Verwaltung als ihr Eigentum betrachten. Aber es waren nicht die Berufsverbände der Journalisten, sondern der für Medien zuständige Premierminister, der als einziger beim Neujahresempfang der Presse darauf aufmerksam machte, daß die Pressefreiheit auch von Besitzverhältnissen und Interessenverflechtungen eingeschränkt werden kann.
Zwar kontrollieren politische Parteien noch immer einen wichtigen Teil der Luxemburger Presse. Aber der Einfluß kommerziell interessierter Eigentümer und der Anzeigenkunden hat in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch zugenommen. Alles deutet darauf hin, daß er weiter steigen wird.
Pressefreiheit ist zudem nicht bloß eine quantitative, sondern auch eine qualitative Frage. Es muß deshalb dem Premierminister ebenfalls hoch angerechnet werden, daß er es als einziger Politiker wagte, öffentlich die von FEP-Dissidenten für das Fernsehen produzierte Reality show in Frage zu stellen - gegen eine breite Front von Journalisten, die unter Berufung auf hehre moralische Prinzipien die Handelsfreiheit mit Bildern mit Information verwechselten.
Aber wenn Pressefreiheit die Freiheit der Öffentlichkeit ist, Zugang zu Informationen zu haben, dann wird deren Pressefreiheit auch durch tendenziöse und schludrige Berichterstattung eingeschränkt. Unprofessionelle Arbeit macht es, wie das Beispiel verschiedener Presseprozesse zeigt, den Gegnern der Pressefreiheit um so leichter, das Recht der Öffentlichkeit, Bescheid zu wissen, in Frage zu stellen.