CSV-Fraktionsvorsitzender Marc Spautz war der heimliche Star auf den Kongressen von CSV und OGBL. Er empfahl CSV-Arbeitsminister Georges Mischo einen Deal: Sonntagsarbeit gegen Kollektivverträge. Die Presse feierte ihn als Vertreter eines linken Parteiflügels. Seither versucht sie, einen zweiten Vertreter vors Mikrofon zu bekommen. Sie findet keinen.
Marc Spautz hält Georges Mischo für eine Fehlbesetzung. Er selbst war bloß ein halbes Jahr lang Minister. Bei den letzten Wahlen war er vom ersten auf den sechsten Platz abgerutscht. Das kam Premier Luc Frieden gelegen. Georges Mischo ist ungeschickt, hat aber die passende Gesinnung. Marc Spautz putschte 2012 mit LSAP-Kollegen Lucien Lux gegen Finanzminister Luc Frieden. Das vergisst sich nicht. Als sozialer Flügel hat er nun einen unique selling point.
Ein sozialer Flügel gehörte jahrzehntelang zur CSV. In der Zwischenkriegszeit, im Kalten Krieg wollte er die Industriearbeiter nicht den Sozialisten und Kommunisten überlassen. Er berief sich auf Papst Leos XIII. katholische Soziallehre. Den einzigen theoretischen Beitrag zum christlich-sozialen Weltbild. Er warb um konservative Arbeiter in Öslinger Lederfabriken, mittelständischen Unternehmen, neuen amerikanischen Industrien. In schwarzen Enklaven der roten Schwerindustrie. Er versprach ihnen Harmonie: Muttergottesoktave statt Maifeier, Volkspartei statt Klassenkampf.
Der LCGB war ein Stimmenreservoir der CSV. Die Jeunesse ouvrière catholique war ihre Kaderschmiede. Fromme Arbeiter brachten es von der JOC in den LCGB, aus der Fabrik in die Gewerkschaftsbürokratie, dann ins Parlament, einer bis in die Regierung: Jean-Baptiste Rock, Léon Kinsch, Pierre Jander, Pierre Schockmel, Emile Gerson, Marcel Glesener, Ali Kaes, Robert Weber, Jean Spautz, als Letzter Sohn Marc. Arbeiterinnen waren nicht gefragt.
Die CSV bekämpfte die Einheitsgewerkschaft. Die Arbeitskraftkäufer haben ein ökonomisches Interesse an der Spaltung der Arbeiterbewegung. Die CSV hat ein parteipolitisches Interesse daran. Ihre Beziehung ist symbiotisch.
CSV-Arbeiter waren sozial fortschrittlich, gesellschaftlich konservativ. Deshalb wählten sie nicht LSAP oder KPL. Linke Sozialpolitik ist emanzipatorisch. Rechte ist paternalistisch – bis weit in die Sozialdemokratie hinein.
Auch Marc Spautz will, dass die Kirche im Dorf bleibt. Er mahnt die Regierung zu einem pfleglichen Umgang mit den Gewerkschaften. Mit seiner Wählerschaft im Südbezirk. Der kurzlebige linke Flügel der LSAP war 2010 nicht anspruchsvoller.
Vor einem halben Jahrhundert begann die Stahlkrise. Der heroische Feierstëppeler auf dem Frang ging in Frühpension. Der Franken folgte ihm. Nun wählt ein großer Teil der Luxemburger Arbeiterklasse in Lothringen. In der CSV-Führung sind Beamte und Rechtsanwälte unter sich.
Die CSV wollte sich modernisieren. Sie wollte nicht mehr konservativ, nicht mehr klerikal, nicht mehr sozial sein. Das überließ sie der ADR. Die neue Religion der CSV wurde der Neoliberalismus. Seine Wanderprediger, von François Colling bis Lucien Thiel, wurden Fraktionsvorsitzende. Premier Jean-Claude Juncker erzählte anrührend von seinem Arbeitervater. So setzte er innerhalb von sieben Jahren drei Gesetze zur Indexmanipulation durch.
Die CSV braucht den LCGB nicht mehr. 2011 entließ die Gewerkschaft ihren Funktionär Marc Spautz. Sie erklärte ihre Unabhängigkeit. Verbündet sich nun mit dem OGBL gegen die Parteikollegen Luc Frieden, Georges Mischo.
In der CSV ist der rechte Flügel an der Macht. Wirtschaftsliberal wie Luc Frieden, repressiv wie Léon Gloden, gewerkschaftsfeindlich wie Georges Mischo. Dem linken Flügel erging es wie sonstigem Geflügel: Er steht neben dem Hausspatz auf der Roten Liste.