Da dürfte die Chancengleichheitsministerin Françoise Hetto-Gaasch (CSV) geschluckt haben. Ausgerechnet ihre Parteikollegin Viviane Reding, Justizkommissarin der Euro-päischen Union in Brüssel, platzt ins Sommerloch mit einer Ansage, die für die Luxemburgerin ungemütlich werden könnte. Wenn bis Ende 2011 die Unternehmen von sich aus nicht mehr dafür tun, um Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, müsse man über „gesetzliche Schritte nachdenken“, warnt sie im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
„Als Krückstock“, „als letztes Mittel“ könnte die Quote für Frauen für eine Übergangszeit ihre Berechtigung haben, so die Kommissarin, die einräumt, sie sei keine Quotenfrau und Quoten gegenüber immer skeptisch gewesen. Ihre Motive sind wirtschaftliche: „Wenn Europa sein Ziel, ein wettbewerbsfähiger dynamischer und wissensbasierter Wirtschaftsraum in einer globalisierten Welt erreichen soll, müssen wir Talente und Fähigkeiten von Frauen besser nutzen“, hatte Reding im Januar im Vorwort zur EU-Studie Mehr Frauen in Führungspositionen. Ein Schlüssel zu wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum betont. Mit nur elf Prozent Frauen in den Aufsichtsräten und drei Prozent weiblichen Vorständen kann sich die EU als Vorreiterin in punkto Gleichstellung wahrlich nicht brüsten.
In Luxemburg ist die Situation leidlich besser: Hier sitzen rund 16 Prozent der Frauen in Verwaltungsräten. Für Ministerin Hetto-Gaasch dennoch kein Grund für eine schärfere Gangart. Schon in ihrem Antrittsinterview hatte sie deutlich gemacht, dass sie freiwillige Aktionen der Wirtschaft als den einzig richtigen Weg sehe, um Frauen in Führungspositionen zu fördern – und seitdem kein Rundtischgespräch ausgelassen, um ihr Missfallen an einer Quotenregelung kundzutun.
Das obwohl andere Länder, wie Norwegen, vormachen, wie Quoten dem ins Stocken geratenen Gleichstellungsprozess von Frauen in der Arbeitswelt einen entscheidenden Kick geben können. Dort hatten Unternehmer stets beteuert, sie würden die Gleichstellung lieber selbst in die Hand nehmen, als sie sich vom Staat diktieren zu lassen. Als nach zehn Jahren immer noch nichts passiert war, riss der Mitte-Rechts-Regierung 2003 der Geduldsfaden: Wenn nicht innerhalb der nächsten vier Jahre mindestens 40 Prozent der Verwaltungsräte von Frauen besetzt würden, würden die Aktiengesellschaf-ten zwangsaufgelöst. Die drastische Strafandrohung brachte den Durchschlag: Im Januar 2008 verstießen noch 77 Aktiengesellschaften gegen die neue Regelung, im April, nach der letzten Mahnung vor der Zwangsauflösung, war es keine mehr.
In Luxemburg sind diese Fakten hinlänglich bekannt. Im Juni diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft über den Sinn einer Frauenquote. Freiwillige Aktionen reichten nicht aus, um die Zahl der Frauen in den Toppositionen spürbar zu erhöhen, fasste Professor Morten Huse von der Uni Oslo auf der von Börse und dem Verwaltungsinstitut organisierten Konferenz die norwegischen Erfahrungen zusammen.
Die Chancengleichheitsministerin, die sich gerne als Familienmensch in Hochglanzmagazinen ablichten lässt, kann das nicht erschüttern. Sie hält an der Tippelschrittpolitik ihrer Vorgängerin Marie-Josée Jacobs fest, wohlwissend, dass auch die x-te Sensibilisierungskampagne und die actions positives keine wirkliche Verbesserung gebracht haben und das Cedaw-Frauenkomitee in New York bei seiner Prüfung des Luxemburger Länderberichts 2008 sich besorgt darüber zeigte, „ that women are concentrated in part-time and low-paid jobs and few women have acceded to high-level posts in economic life“.
Im Juni sprach sich die CSV-Politikerin, die auch das Mittelstandsministerium innehat, erneut gegen Quoten aus – mit einer originellen Begründung: Nicht jede Frau wolle in eine Spitzenposition, so Hetto-Gaasch, die offenbar sich selbst dabei im Blick hat. Sie musste erst vom Premier gebeten werden, das Amt als Ministerin zu übernehmen. Es bringe nichts, jemanden „mit Quoten dazu zu zwingen“, findet sie. Als ob mit einer Quote Frauen zum Aufstieg gezwungen würden. Es sind vielmehr die Unternehmensführungen, die angehalten wären, weibliche Führungskräfte aufzubauen – und einzustellen.
Von dort, aus den männerdominierten Führungsetagen von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden kommt seit jeher der meiste Widerstand, nicht nur in Norwegen. Auf der Konferenz sprach sich der christlich-soziale Abgeordnete und ehemalige ABBL-Direktor Lucien Thiel dagegen aus, Parität zu erzwingen. Er rät, auf die Entwicklung zu vertrauen. Der CSV-Politiker müsste es besser wissen: Erst die 30-Prozent-Frauenquote seiner Partei führte dazu, dass mehr Frauen auf den Wählerlisten kandidieren. Die Quote ist aber nicht nur bei Männern umstritten: Dass CSV-Männer für Frauen weichen müssten, werfe „Fragen nach dem Demokratieverständnis auf“, meint Hetto-Gaasch. Dass Frauen mehr als 90 Jahre nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts immer noch nur zu einem Fünftel im Parlament vertreten sind, wohl nicht.
So scheint es, als werde Luxemburg einmal mehr in der Gleichstellungspolitik nur das nachvollziehen, was ohnehin von Brüssel vorgegeben wird. Vermutlich als Schmalspurversion. Eine eigene, mutige und vor allem proaktive Gleichstellungspolitik ist bei der Ministerin auch ein Jahr nach Amtsantritt nicht zu erkennen. Dabei lautet ihr Lieblingsmotto, mit dem sie so gerne auf Werbetour geht: Trau dech!