Die Behandlungsmethode könnte vielleicht eines Tages Parkinson-Patienten helfen: Am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) in Belval ist es einem Forscherteam gelungen, Stammzellen zu Hirnzellen reifen zu lassen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, und sie in Mäusehirne zu verpflanzen.
Ganz neu ist die Idee nicht. Wodurch der Morbus Parkinson ausgelöst wird und welche zellbiologischen Mechanismen die Erkrankung fortschreiten lassen, ist auch heute noch Forschungsgegenstand. Dass Parkinson dopaminproduzierende Nervenzellen, so genannte dopaminerge Neuronen, in einer ganz bestimmten Hirnregion absterben lässt, war dagegen schon in den Achtzigerjahren bekannt. Damals begannen in Schweden und den USA Versuche, dopaminerge Neuronen aus embryonalen Stammzellen zu gewinnen und sie anschließend zu transplantieren. Der Gedanke war einleuchtend: Embryonale Stammzellen sind „pluripotent“ und können sich in jede Form von Gewebe ausdifferenzieren. In Neuronen, die Dopamin erzeugen, auch. Im Prinzip. Denn die damaligen Versuche gingen nicht gut aus. „Man hatte das Verfahren nicht im Griff“, sagt Jens Schwamborn, Chef der Forschungsgruppe Entwicklungs- und Zellbiologie am LCSB. „Und ganz abgesehen davon war der Ansatz ökonomisch und ethisch fragwürdig.“ Um die dopaminergen Neuronen zu erzeugen, seien „viel zu viele Embryonen“ verbraucht worden.
Seit 2006 aber weiß man, wie sich „adultes“ Gewebe, Hautzellen etwa, so beeinflussen lässt, dass daraus so gut wie pluripotente Stammzellen werden. Das ist nicht nur ethisch sauber. Weil jeweils Zellen vom Spender selbst „umprogrammiert“ werden, wird das aus den adulten Stammzellen herangezüchtete Gewebe von seinem Körper nach der Transplantation nicht als Fremdgewebe abgestoßen.
Die LCSB-Forscher haben Hautzellen von Mäusen zunächst durch genetische Manipulation zu Maus-Stammzellen werden lassen und diese anschließend im Labor zu Neuroepithelzellen, Vorläuferzellen des Nervengewebes, kultiviert. In einem dritten Schritt wurden die Vorläufernervenzellen dazu gebracht, sich in dopaminerge Neuronen zu teilen. Die ganze Prozedur dauerte sechs Monate.
Ist es wichtig zu wissen, wohin man die so gewonnenen Neuronen später verpflanzt? „Sehr wichtig sogar“, antwortet Schwamborn. Parkinson lässt vor allem jene dopaminergen Neuronen absterben, die in der Substantia nigra, dem Schwarzen Kern im Hirn sitzen und von dort aus Verbindungen ins Striatum schlagen. Das ist eine Hirnregion, die vor allem für die Koordination von Bewegungen zuständig ist, aber gleichzeitig Teil von neuralen Regelkreisen ist, die Motivation, Emotion und Denkleistungen auf die Motorik-Steuerung einwirken lassen. Nehmen die Dopaminkanäle zwischen Schwarzem Kern und Stria-tum ab, beginnen Parkinson-Patienten an sehr komplexen motorischen Problemen zu leiden.
„Das Beste wäre, die Neuronen in die Substantia nigra zu transplantieren und dafür zu sorgen, dass sie Verbindungen zum Striatum bilden“, erklärt Schwamborn. Doch so weit sind die LCSB-Forscher noch nicht. Die Neuronen im Labor so vorzubereiten, dass sie mit der Zellumwelt im Hirn zusammenarbeiten wie ein natürlich gewachsenes Neuron, ist eine Herausforderung für sich. Vorerst hat Schwamborns Team Neuronen direkt ins Striatum verpflanzt.
Und womöglich könnte schon das einen Therapieansatz liefern. Sechzehn Wochen lang seien die dopaminergen Neuronen in den Mäusen aktiv geblieben. „Weil Mäuse nicht viel älter werden, gehen wir davon aus, dass unser Verfahren längerfristig funktionsfähige Neuronen liefert“, sagt Schwamborn.
Weitere Versuchen lasse das LCSB an Primaten in einem Institut in Deutschland vornehmen – die obligatorische Phase, ehe klinische Versuche an Menschen beginnen können. Wann das der Fall sein könnte, darüber will Schwamborn lieber keine Prognose wagen. Er weiß aber, dass Forscher in Kalifornien und New York einen ganz ähnlichen Stammzelltransplantations-Ansatz verfolgen wie das LCSB-Team. „Die amerikanischen Kollegen meinen, klinische Versuche seien nur noch eine Frage der Zeit. Ich finde, schon von der Entdeckung der programmierbaren adulten Stammzellen 2006 bis zur ersten erfolgreichen Transplantation eines aus solchen Zellen gewonnenen künstlichen Netzhautgewebes im Menschen vor einem Jahr in Japan verlief die Entwicklung erstaunlich schnell.“
Schwamborns Team stellt sich über die Neuronen-Transplantation hinaus noch andere interessante Fragen. Zum Beispiel weiß man mittlerweile, dass die Annahme, in Erwachsenen würden Hirnzellen sich nicht neu bilden, nur zum Teil stimmt. In zwei Hirnarealen geschieht das doch – warum nur dort, ist noch unbekannt. Eine dieser beiden Regionen aber liege nicht weit entfernt vom Striatum, sagt Schwamborn. „Und falls es gelingt, Neuronen, die dort nachwachsen, dazu anzuregen Dopamin zu produzieren und Verbindungen ins Striatum zu bilden, dann könnten sich die Auswirkungen von Parkinson vielleicht im Hirn selbst kompensieren lassen.“