Klassenkampf Da waren sie wieder, die Klassenfeinde, die Schreckgespenster der „arbeitenden Leute“, wie die KPL zu sagen pflegt. Als die Fedil vergangene Woche ihre Wunschliste an die Parteien für die Wahlen vorstellte, forderte Direktor Nicolas Soisson erneut, die Abschaffung des Mindestlohns, mindestens die des qualifizierten, und Präsident Robert Dennewald schloss mit Staatsmann-Pathos, man brauche nun schnell eine handlungsfähige Regierung, die nicht noch lange die Lage analysiere, sondern handele, damit die Wirtschaft wieder brumme. So, als ob dies ein Selbstzweck wäre. Dabei hatte sich UEL-Präsident Michel Wurth tags zuvor so viel Mühe gegeben zu erklären, dass dies so nicht sei. Dass die ganzen Strukturreformen – Desindexierung der Wirtschaft, Rentenreform und das Heraushalten der Politik aus der Lohnbildung –, welche die Arbeitgeber fordern, zum Wohle der Allgemeinheit seien. Weil nur Unternehmen, die Gewinne machen, Steuern zahlten und so den Sozialstaat finanzierten. Und dass man durchaus dafür sei, diejenigen, die nur wenig haben und am Rande der Gesellschaft stehen, im Netz dieses Sozialstaates aufzufangen. Von der Abschaffung des Mindestlohns war bei der UEL offiziell nicht die Rede, vielmehr davon, dass sich die Unternehmen dessen Anpassung nicht mehr von der Regierung diktieren lassen wollen. Soissons Maximal-Forderung wollen sich andere Arbeitgebervertreter öffentlich nicht anschließen. „Das ist offiziell keine Forderung der UEL“, kommentiert ABBL-Direktor Jean-Jacques Rommes. Solche Pannen – wenn der eine Verband dies, der andere etwas anderes fordert – sollen in Zukunft nicht mehr vorkommen. Spätestens ab nächstem Mai, wenn Rommes Administrateur délégué der UEL wird und sich der Dachverband der Arbeitgeberverbände neu aufstellt. Es ist dieser Neuaufstellung geschuldet, dass der ehemalige UEL-Direktor Pierre Bley nicht durch eine, sondern durch zwei Personen ersetzt wird. Der frisch gebackene Generalsekretär Nicolas Henckes wird das Unternehmen UEL im Alltag leiten. Jean-Jacques Rommes die Koordinationsarbeit zwischen den Mitgliedern übernehmen. Warum neu aufstellen? Direkt darauf angesprochen, will kaum ein Arbeitgebervertreter bestätigen, dass sie isoliert sind, weder Arbeitnehmer, noch die politische Klasse mit ihnen etwas zu tun haben will. „Wir sagen seit einem Jahrzehnt, dass das Geld erst verdient werden muss, bevor es der Sozialstaat ausgeben kann. Das ist eigentlich eine Evidenz. Aber erst jetzt ist sie in der öffentlichen Diskussion angekommen.“ Wirklich? Denn dass die Spitzenkandidaten von CSV, LSAP, DP und déi Gréng in der Sendung Kloertext auf RTL die Moderatorenfrage, ob der Index der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen schade, allesamt mit „Nein“ beantworteten, regt Rommes dann doch ein wenig auf. „Absolut spektakulär“ war das seiner Ansicht nach. „Es saß doch keiner an diesem Tisch, der das geglaubt hat.“ Viel mehr Distanz können die Parteien nicht zwischen sich und die Arbeitgeber bringen. Dass dies auch der mitunter sehr disparaten und schlechten Kommunikation der Arbeitgeberverbände geschuldet ist, also den eigenen Fehlern, will kaum jemand zugeben. Auch um gegenseitige Schuldzuweisungen zu vermeiden. Derartige Zurückhaltung ist Romain Schmit von der Handwerkerföderation (FDA), der sein Rüpel-Image intensiv pflegt, fremd. Er hat keine Hemmungen, Abstimmungsprobleme einzuräumen. Spontan fallen ihm zwei Beispiele ein. Zuerst der Index: „Sonst haben die einen gesagt, wir müssen ihn abschaffen. Die anderen haben vom gedeckelten Index fabuliert. Aber damit sind wir nicht weitergekommen. Auch weil der Deckel zu hoch war. Da hat man der UEL vorgeworfen, das gehe gegen die kleinen Unternehmen (...), obwohl wir gesagt haben, wir können damit leben.“ Dann das Thema Arbeitsrechtsflexibilisierung: „Wenn wir von der Flexibilisierung gesprochen haben, meinten wir damit die Arbeitszeit. Wenn die Fedil davon geredet hat, hatte sie die Form der Arbeitsverträge im Visier.“ Da kam es schon vor, „dass der eine dem anderen seine Botschaft verschissen hat“. Und wenn Bankenlobbyist Rommes sagt: „Wir müssen mit einer Stimme reden“, und: „Es gibt Spielraum für Verbesserungen“, kann das eigentlich nur heißen, dass man es bisher nicht geschafft hat, gemeinsame Botschaften durchzubringen. Besonders groß waren Frust und Enttäuschung nach der gescheiterten Tripartite von 2011. Ein Zeitpunkt, zu dem es ein weiteres einschneidendes Erlebnis für die Arbeitgeber gab: Im Vorstand der Gesundheitskasse (CNS), deren Haushalt sie ablehnen wollten, waren sie mithilfe „des Bauern“, des Vertreters der Landwirtschaftskammer, der im System zur Arbeitgeberseite gezählt wird, überstimmt worden (d’Land, 11.3.2011). Darauf hatten sie flugs eine Reform der CNS-Entscheidungsgremien gefordert. Ob die Überlegungen zu einer Straffung der eigenen Organisation bereits nach diesem Traumata anfingen? Denn danach bedienten sich einzelne Arbeitgeber und Unternehmer ebenso wie ihr Verband anderer Kanäle, um ihre Messages unter die Leute zu bringen. Erstere gruppierten sich in 5vir12, steckten traditionelle Patrons-Forderungen in eine dem 21. Jahrhundert gerechte Verpackung. In der UEL entstand quasi nach dem Motto, „wenn uns die Regierung nicht zuhört, reden wir mit dem Volk“, die Idee, über die Plattform 2030.lu den großenBürgerdialog zu starten und ihren Forderungen über diesen Weg eine demokratische Legitimierung zu verschaffen. Dass 2030.lu je etwas anderes sein sollte – die Plattform sagt von sich selbst, neutral und offen für alle Vorschläge zu sein, dennoch war geplant ,daraus die „besten“ herauszufiltern und in einer gesonderten Publikation zu veröffentlichen –, darüber können auch einzelne Arbeitgebervertreter nur laut lachen. Ob man das Projekt mittlerweile für gescheitert hält? Denn unter Arbeitgebern, sagt Jean-Jacques Rommes, „sind wir zur Schlussfolgerung gekommen, dass wir nicht um Sympathiewerte buhlen können. Das, was wir sagen, ist nicht sympathisch. Deswegen müssen wir glaubwürdig sein.“ Romain Schmit hält nichts davon, die Arbeitgeberbotschaften in Geschenkpapier „mit rosa Schleifchen“ einzupacken, denn „wenn die Empfänger wissen, woher die Geschenke kommen, wollen sie sie auch dann nicht“. Umbau Damit das mit der Glaubwürdigkeit in Zukunft besser klappt, wird die UEL-Spitze umgebaut. Statt dass wie bisher die Präsidenten und Direktoren der Mitgliederverbände im Verwaltungsrat zusammenkamen, soll dieser in Zukunft der Ort sein, an dem die Präsidenten miteinander reden. Darunter wird Rommes ein Exekutivkomitee leiten, in dem die Direktoren öfter und intensiver miteinander sprechen, als das bisher im Verwaltungsrat der Fall war. Eine Änderung, die auch statuarisch umgesetzt werden muss. „Die Präsidenten haben ja alle eine andere Beschäftigung, die sie zeitlich sehr beansprucht“, erklärt der ABBL-Direktor. „Wir haben im Verwaltungsrat oft sehr lange Sitzungen, und am Ende hat man manchmal das Gefühl, dass nicht alle Details geklärt sind“, sagt Schmit. Das sollen nun die Berufslobbyisten, die Direktoren unter sich ausmachen. Dazu sollen horizontale Themenfelder abgesteckt werden, die alle Arbeitgeberverbände betreffen und die in die Zuständigkeit ihres Dachverbandes fallen. Man denke makroökonomisch, an Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, öffentliche Finanzen, Arbeitsrecht. Auch wenn die Interessenlage von Verband zu Verband variiere, so seien die Positionen doch zu 95 Prozent deckungsgleich, sagt Rommes, der von einer „Matrixstruktur“ spricht. Im Exekutivkomitee wird die gemeinsame Linie festgelegt, die Verbände deklinieren sie dann auf ihrer Ebene. Dabei geht es auch darum, die Ressourcen zu vergemeinschaften – die UEL zählt nur Angestellte, doch Verbände und Kammern beschäftigen zusammen rund 300 Mitarbeiter. Für Thierry Nothum von der CLC macht es wenig Sinn, wenn die UEL-Mitglieder jeweils eigene Spezialisten für ein und dasselbe Fachgebiet einstellen. Durch die bessere Zusammenarbeit erhofft er sich, Mitarbeiter für neue Aufgaben freizumachen. Beispielsweise für eine Vorverlagerung der Lobbyarbeit, wenn es um europäische Gesetzesinitiativen geht. Da müssten die Arbeitgeber schon aktiv werden, wenn in Brüssel die Richtlinien und Reglements noch im Ausarbeitungsstadium seien. Nicht erst wenn sie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. „Weil es dann schon zu spät ist.“ Dass das Patronat in Zukunft mit einer Stimme reden will, soll aber nicht heißen, dass man die Kommunikation ausschließlich der UEL überlässt. Die Verbände, erklärt Rommes, müssten ihr Dasein ja auch gegenüber ihren Mitgliedern rechtfertigen und werden ohnehin auf den Dossiers, die sie spezifisch betreffen – Ladenöffnungszeiten für die CLC, Energiefragen für die Fedil, Berufsausbildung für die FDA – ihr Hoheitsrecht behalten. „Die Mitglieder erwarten sich ja auch etwas von uns, und wir müssen den Kontakt mit den Unternehmen halten“, sagt Schmit. Muss er sich bei den Show-Einlagen, mit denen er sein Publikum bedient, also künftig zurücknehmen, um den UEL-Konsens zu respektieren? „Zurücknehmen muss ich mich nicht, eher die Prioritäten anders einordnen.“ Sozialdialog Für die Arbeit im Feld stellen sich die Arbeitgeber ebenfalls eine Vergemeinschaftung ihrer Ressourcen vor. Der Bauer lässt grüßen – Rommes, Schmit, Nothum, alle nennen als Beispiel die Gremien der Sozialversicherung, in denen die Verbände Posten besetzen, die, wie man findet, „dem Patronat gehören“. So könnten dort in Zukunft die Präsenzraten deutlich sinken. Nämlich wenn die Verbände sich im Vorfeld der Sitzungen absprechen und nur noch ein Minimum an Vertretern, mit Anweisungen von und für alle, hinschicken. Auswirkung auf die Arbeit der Tripartite sehen die Arbeitgeber keine. Weil sie finden, dass sie selbst gut vorbereitet waren und die Schuld für das Scheitern der bisher letzten Runde nicht bei sich sehen. „Wir wollen Ansprechpartner für jeden sein, der mit uns reden will“, sagt Rommes. Also auch für Regierung und Gewerkschaften. „Es gibt in Wirklichkeit nur drei Partner“, fügt er hinzu. „Und es ist in unserem wie auch in ihrem Interesse, dass wir nicht in unkoordinierter Aufstellung stehen.“ Das sieht OGBL-Präsident Jean-Claude Reding ebenso. „Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es gut ist, wenn es eine gut organisierte Arbeitgeberstruktur gibt, die auch Entscheidungen treffen kann,“ sagt Reding, nennt das Beispiel interprofessionelle Abkommen. „Da hatten wir in der Vergangenheit Schwierigkeiten, alle Verbände an einen Tisch zu bekommen.“ Warum Jean-Jacques Rommes? Michel Wurth bleibt Präsident und damit Galionsfigur der UEL. Trotzdem hat es Signalcharakter, wenn der Bankenlobbyist eine Führungsrolle im Unternehmensverband übernimmt. Dass er seinen neuen Posten erst am 1. Mai antritt, hängt auch mit dem internen ABBL-Kalender zusammen – nächsten Frühling wird auch der Verwaltungsrat des Bankenverbandes erneuert. Und eigentlich bestand keine Eile, solange man damit rechnete, dass die Parlamentswahlen ebenfalls nächsten Frühling stattfinden würden. Für die Bildung der neuen Regierung wollte die „neue UEL“ bereit sein. Der Geheimdienst und Pierre Bley haben ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Weil die Wahlen nun schon in drei Wochen stattfinden und Bley Hofmarschall wurde. „Das war für uns der eigentliche Tritt in den Hintern“, sagt Schmit. Rommes ist seit zehn Jahren auf dem Direktionsposten bei der ABBL. „Ich habe eine gewisse Sympathie für die Aussage des Wirtschaftsministers, dass man nach zehn Jahren seine besten Eier gelegt hat“, sagt er. Als „der Tritt in den Hintern kam“, stand Rommes auch deswegen zur Verfügung. Seine neue Tätigkeit bei der UEL wird kein Vollzeitjob sein, unterstreicht er. Wozu er die Freizeit nutzen will, lässt er noch offen. Weil die Organisation, die er vertritt, „ideologisch und weltanschaulich neutral ist“ lehnt er es ab, sich selbst im Links-Rechts-Spektrum einzuordnen, um glaubwürdig zu bleiben. „Die UEL hat keine Meinung zur Trennung von Kirche und Staat. Der Bürger Jean-Jacques Rommes schon.“ Doch die behält er für sich. Dass man ihm den Job angeboten hat, liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass er von denjenigen, die die UEL von innen kennen und deswegen in Frage kommen, einer von denen ist, die weniger polarisieren. Das hängt damit zusammen, dass vieles von dem, was die ABBL beispielsweise über Finanzregulation von sich gibt, so technisch ist, dass es kaum jemand versteht. Deswegen regt es auch kaum jemanden auf. Aber auch damit, dass Rommes weniger „Klassenfeind“ als andere ist, weil er weniger Probleme damit hat, zuzugeben, dass auch die „Partner“ manchmal punkten. „Ich sehe, dass die Salariatskammer eine Koordinationsarbeit macht, die sehr effizient ist, wenn es darum geht, ihre Argumente zu untermauern.“ Auch das ist wahrscheinlich ein Grund, warum sich die UEL neu aufstellen will.
Véronique Poujol
Catégories: Place financière, Relations sociales
Édition: 19.07.2013