Ja, es ist immer wieder schön, wenn wir uns im weltweiten Chaos ein bisschen Schadenfreude leisten dürfen. Zum Beispiel beim Vernehmen dieser Nachricht: Amerika mangelt es ausgerechnet zur Osterzeit dramatisch an Eiern. Für einen Präsidenten, der so herumeiert wie Trump, ist das natürlich ein Menetekel. Die eierlose Großmacht – der reinste Widersinn, die geopolitische Blamage schlechthin. Der geniale US-Gesundheitsminister Kennedy sollte endlich mit der Faust auf den Tisch hauen: Wer hat diese verfluchte Vogelgrippe ins Land geholt? Natürlich die Demokraten. Wer hat unsere Hühnerställe verseucht? Wie gesagt, die Demokraten. Unser großherzoglicher Eierspezialist Lies, der Oberherrscher über die Hesperinger Hühnerbestände, würde das leicht anders beurteilen. Nein, schuld sind die eingeschleusten ausländischen Eierklauer. Sie räubern nicht nur die Nester aus, sondern köpfen auch noch die Eierproduzenten. Und sie bewundern die Demokraten. Da haben wir sie, die rote Brut. Die hemmungslose Eiermafia. Diese Einschätzung würde Trump gefallen. Hat er vielleicht noch ein Plätzchen frei für Herrn Lies? Er wäre in Trumps Kabinett ein ausgezeichneter Minister für Wutausbruchspflege und Verschwörungsverfeinerung (Administration of Anger Care & Conspiracy Refinement).
Im Ernst: Wir sollten unsere höchst angenehme Schadenfreude weiter anreichern. Ist es nicht zutiefst betrüblich, dass die Amerikaner jetzt auf Eierattrappen zurückgreifen müssen? In ihrem Leid färben sie sogar Kartoffeln und Zwiebeln (kein Witz), um ihre Osternester notdürftig auszustaffieren. Fake eggs im fake land, eine belastende Symbiose. Sie ist unwürdig und beschämend. Helfen wir den bedauernswerten US-Bürgern aus der Bredouille. Wir sind nicht umsonst Gutmenschen. Warum beglücken wir die USA nicht mit faulen Eiern? Wir könnten europaweit alle ungenießbaren „stinking eggs“ einsammeln und im großen Stil an die amerikanischen Freunde verklickern. Und natürlich 35 Prozent Strafzoll draufpacken. Let’s flood the zone with shit, ganz im Sinne Steve Bannons. Unterwandern wir beschwingt das Vogelgrippenimperium. Happy Easter, liebe Befreier! Das wäre doch ein wirksames Gegengift zu Trumps unverschämter Zollpolitik. Die Amerikaner würden gar nicht merken, dass unsere Vergeltungseier faul sind. Sie haben sich derart an die Fäulnis gewöhnt, dass ihre Geschmackspapillen nicht mehr auf Verdorbenes reagieren. Den Amerikanern ist ja nicht einmal aufgefallen, welch gigantisch faules Ei sie sich mit Trump ins politische Nest gelegt haben. Der landesweite Gestank ist das neue Parfüm.
Doch wir sollten uns keinen Illusionen hingeben. Trump ist ein hartgesottener Bursche. Er ist der Typ, der mit dem Kopf durch die Wand rennt, sich eine kräftige Beule einfängt und dann wutentbrannt im Eiltempo ein Dekret unterschreibt: Diese Wand wird abgerissen, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt! Niemand beleidigt den Präsidenten, auch nicht eine widerwärtige Wand! Jetzt statuiere ich ein Exempel. Nicht nur die Wand wird plattgemacht, auch der dazugehörige Wohnkomplex wird den Bulldozern zum Opfer fallen, die Bewohner werden vertrieben (sind ohnehin fast ausnahmslos illegale Ausländer), das ganze Viertel wird wegrasiert, alle Behörden fliegen in die Luft, alle implizierten Stadtverantwortlichen werden entlassen oder verhaftet, sie werden es bitter bereuen, eine Wand aufgestachelt zu haben, den Potus anzuspringen, niemand vergreift sich am Präsidenten! Wenn ich mit dem Kopf durch die Wand renne, hat die Wand gefälligst nachzugeben! Ich bin der Herrscher über alle sturen Betonwände!
Möge ein gütiges Schicksal uns davor bewahren, dass Trump einmal Luxemburg entdeckt. Im Augenblick dürfen wir davon ausgehen, dass er gar nicht weiß, wo das Großherzogtum liegt. Seine geografische Unterbelichtung ist bekanntlich so grenzenlos wie sein kolossales Ego, er verortet unser Land vermutlich – „how to spell this fucking shit state? Louche-them-Bear? Luck-sin-Berk?“ – irgendwo in der Gegend von Grönland, pardon, Red-White-Blue-Land, ist auch egal, Europa ist egal, die Welt ist egal, nur ich-ich-ich bin nicht egal, damned witchhunters! Wir sollten uns also zurückhalten und nicht zu euphorisch rufen: „Let’s make it happen!“ Wenn nämlich sein Wahnsinnsmeister Musk dem Präsidenten ein Luftbild unserer schönen Heimat vorlegt, kann alles sehr schnell gehen. Let’s take it, Elon! We absolutely need this tiny rat hole! Attack! Catch the fucking Grand-Duke an his female cuban agent!
Was haben wir denn da? Ein nettes, kleines Steuerparadies mit Rekordgewinnen? Das reißen wir uns unter den Nagel, Elon. Alles abreißen, nur die Banken bleiben stehen. Und die Kathedrale. I love cathedrals. God is my buddy. Und verschone auch die Burgen. Schöne Raubritternester auf den Hügeln. Sowas wunderbar Feudales haben wir nicht in Amerika. Kapern wir das Viandener Schloss. Mar-a-Lago number two. Rustikal mit Ardennenambiente. Oh look, SES! Ein ganzes Areal voller Satellitenschüsseln. Confiscate it, Elon. Der flache Süden wird dem Erdboden gleichgemacht. Dort baue ich mein Luxembourg Golf Resort. Der unwirtliche Norden wird nicht umgemodelt. Taugt nur zum militärischen Sperrgebiet. Haben die Luxemburger schon den obligatorischen Wehrdienst? Noch nicht? Na dann, go ahead, Elon.
The heart of Europe. Just perfect. Hier nisten wir uns ein. Zuerst bauen wir unsere Eutrac (European Trump Academy). Spionagezentrale mit Bildungsauftrag. Oder umgekehrt. Gibt es lokales Personal für die Lehrstühle? Aha, der Herr Kartheiser. Der wird Dozent für Doppelzüngigkeit und Janusköpfigkeit. Und der Herr Weidig. Schon gehört, ein scharfer Kerl. Der wird Rektor der Fakultät für Rechtsverdrehung und Heimatschutzentwicklung. Wenn es unbedingt sein muss, darf er in seinen Vorlesungen auf Lutschibörgisch, Lëtschebruckig, Lessimboogie – verflucht, wie heißt das lokale Gebrabbel? – also er darf sein Heimatvokabular benutzen. Nach dem Motto: „Ech schreiwen zwar alles falsch, awer dat ass e Stilmëttel.“ Elon, hurry up. Found the Academy.
Ist das nun der ultimative Albtraum, oder sind wir schon verloren und verkauft? Wir bewegen uns hier wie auf rohen Eiern. Österliche Auferstehung? Der da aufersteht, ist der faschistische Messias im vollen Glanz. Er hat die Trompeten von Jericho gleich im Gepäck. Sollen wir den Kopf in den Sand stecken? Bringt nichts, der Sand steckt voller Tellerminen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Durch diese Wand bricht gleich der glorreiche Kingkong Trump. Dann wird uns Hören und Sehen vergehen. Zum Glück dürfen wir auf unsere Monarchie bauen. Der Großherzog ist unser bester Exorzist. Er wird es furchtlos mit Trump aufnehmen, er ist unser gottbegnadeter Hoffnungsträger. Domine salvum fac.
Ganz im Ernst und ohne Ironie: Es gibt zum Glück allerfeinste Mittel und Wege, sich gegen die Überflutung durch den verallgemeinerten Irrsinn zu wappen. Oft entdeckt man die Trostpflaster in kleinen, auf den ersten Blick fast unscheinbaren Schöpfungen. Der deutsch-amerikanisch-iranische Musiker und Komponist Malakoff Kowalski hat die Starpianisten Igor Levit, Chilly Gonzales und Johanna Summer für sein brandneues Projekt Songs With Words gewonnen. Diese Musik ist umwerfend berührend und im guten Sinn erschütternd. Wer sich davon überzeugen will, sollte sich im Netz das Lied „When I Died, Love“ anhören (Text: Allen Ginsberg, Musik: Frédéric Chopin). Kowalskis Art, sehr unprätentiös und zugleich sehr eindringlich zu singen, entschädigt einen nachhaltig für das ganze Geschrei und Getöse im verrückten Trump-Universum. Ginsbergs zutiefst melancholischer Text, in der Essenz eine Lobpreisung der Liebe, enthält alles, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Hinter der Botschaft dieses ungemein starken Lieds verschwindet auf einen Schlag die ganze gespenstische, entnervende, dissonante Trump-Kakophonie. Und jetzt? Uns bleibt nur, mit Bertolt Brecht zu klagen: Der Vorhang zu und alle Fragen offen.