Scherz, wo bist du geblieben? Nicht, dass ich dich soo vermisse, schon als Kind gingst du mir auf die Nerven, nie hatte ich einen guten auf Lager, immer fiel ich überall rein, immer wurde ich in diesen April geschickt, in dem es garantiert nicht flott war. Todlangweilig ging es in meiner peer group zu, der Klassiker „Du hast da einen Fleck...“ hielt sich eine ganze lange Schulzeit lang. Auf diesen verkrampften Quatsch konnte ich gut verzichten.
Im überreifen Alter, wenn jeder Blödsinn aus der Vergangenheit in der Rückschau zu einem sakrosankten Ritual erhoben wird, das unter Denkmalschutz gehört, ins Kulturerbe der Menschheit aufgenommen sowieso, sieht Mensch das natürlich anders. Ach!, diese harmlosen Späße damals, diese Foppereien, Kinder, die noch Kinder waren, Erwachsene, die noch Kinder waren, wie konnten sie sich doch an diesem gutmütigen Schwachsinn ergötzen!
Und jetzt ist der Aprilschmerz vom Aussterben bedroht. Anscheinend sind wir nicht mehr harm- und arglos genug um einander Scherzbold zu sein. Scherz, was soll das sein im Zeitalter von gaga Gags und Fun Factorys und Fakes, die uns umspuken? Trotzdem gibt es tapfere Revivalversuche, manche Medien geben sich wirklich Mühe, so einen zünftigen Scherz auf die Beine zu stellen, RTL stellt gar ein Straßenschild auf. Mensch möge eine Maus im Wackelpudding auftischen, zum Beispiel, gibt das Internet Gute- Scherz-Tipps. Und auf österreichischen Gemeindeämtern kann für die Beibehaltung des Aprilscherzes unterschrieben werden, bei genügend Unterschriften wird der Aprilscherz zur Institution. Dieses Brauchtum, so ein Spitzenbeamter des Gesundheitsministeriums, diene nämlich der Volksgesundheit. Falls das kein Aprilscherz ist.
Damals, einst, als am 1. April der Witz seinen Tag hatte, einfach so, jahrein jahraus, musste man ihn nicht großartig bewerben oder beleben. Wahrscheinlich, weil noch der Ernst des Lebens herrschte. Bis dass der Tod euch scheidet, lautete das Verdikt am Hochzeitstag, an dem das eherne Gelübde eine auf ewig an den Mithäftling schweißte, darauf folgte „Im Schweiße deines Angesichts“, und selbst Begrabenwerden war nicht lustig, es gab noch keine tollen Angebote mit Luftballons und Bäumen und Fluss und Luft je nach Geschmack und Geldbeutel; damals war es todlangweilig, es wurde nur geweint, das musste man auch noch selber machen, und niemand bezahlte eine.
Die Welt war noch schwarz-weiß, die Politiker/innen ebenfalls, aufrecht standen sie vor Mahnmalen, und der Höhepunkt der Lustigkeit war Breshnews Augenbrauenperücke. Die Kreuze der Weltkriege im Nacken, schauten die grauen Herren ernst aus ihren grauen Anzügen, der Krieg war kalt jetzt, er lag wie moderne Tote in der Tiefkühltruhe, dort hielt er sich. Klar, dass in so einem Ambiente Menschlein dankbar war für Scherzlein, zwischen Aschermittwoch und Karfreitag durfte noch einmal oder zweimal gelacht werden. Es war damals eben nicht dauernd Karneval. Es war nicht dauernd 1. April. Es war nicht dauernd Aprilscherz.
Dann fingen die Präsidenten an zu joggen, die Spaßgesellschaft wurde ausgerufen, Spaß! Spaß!, und wer nicht mitlachte und mitmachte, gehörte in die Therapie.
Jetzt tragen die Politiker/innen schmucke Fußfesseln und kokettieren mit Atombömbchen. Jetzt wird die Welt von Grusel-Clowns regiert, die sich Käsehüte aufsetzen, Hitler-Späßchen servieren, nur so, einfach so, Einfall, und jeden Tag einen neuen lustigen Einfall präsentieren. Sie wollen gar in Länder einfallen. Sie planen Beutezüge, sie erstellen Schatzkarten wie Piraten, sie wollen ins Weltall und in die Vergangenheit, grinsend stecken sie Menschen in Identitäts-Zwangsjacken, den Satiriker/innen fällt zu all dem nichts mehr ein. Wir leben in der Satire. Wir schalten den Fernseher ein und sind schon drin, wir spielen selber mit. Aber wir spielen keine Rolle. Uns wird nur mitgespielt.
In einem goldenen Büro in Eiform steht der kolossale Hauptdarsteller, er hat goldenen Kükenflaum auf dem Kopf, die Welt zollt ihm Aufmerksamkeit, höchste Währung. April, April!