Donald Trumps Handelspolitik beunruhigt auch Luxemburgs Finanzplatz.Die verhängten Zölle könnten den Sektor indirekt treffen

Im Schatten der Zölle

Photo: Staatsministerium
d'Lëtzebuerger Land du 04.04.2025

Die Glasfassaden der Bankentürme auf dem Kirchberg spiegeln dieser Tage einen unruhigen Himmel wider. Seit Donald Trump zum zweiten Mal Zölle auf Aluminium und Stahl erlassen hat, seit dem gestrigen Donnerstag auch neue Zölle auf Autos gelten und „Zölle für die ganze Welt“ angekündigt wurden, ist die Nervosität gewachsen – nicht nur in den industriellen Zentren der EU, sondern auch in der scheinbar abgeschirmten Welt der Luxemburger Finanzdienstleister. Auch wenn die Zölle bislang lang nur einen kleinen Teil der Wirtschaft des Großherzogtums treffen, fragen sich derzeit viele, wie resilient der bedeutsame Finanzplatz im Falle eines sich ausweitenden Konflikts wäre.

„Man darf nicht vergessen, dass das weltweite Gravitationszentrum der Finanzwirtschaft in den USA liegt“, erklärt Benjamin Holcblat, Assistenzprofessor am Department of Finance der Universität Luxemburg. Er warnt: „Würden die USA beschließen, Luxemburg vom amerikanischen Finanzmarkt auszuschließen, wäre das praktisch gleichbedeutend mit einem Ausschluss vom Weltfinanzmarkt.“ Eingesetzt haben die USA diese Drohung bereits implizit, als es um die Durchsetzung des globalen Fatca-Abkommens ging, dem automatischen Austausch von Bankkundendaten – mit bekanntem Ausgang zugunsten Washingtons. Auch wenn eine derartige Eskalation momentan ein unrealistisches Szenario ist, wie Holcblat im Gespräch mit dem Land betont, zeigt es die grundsätzliche Verwundbarkeit des Finanzsektors auf, der auf vielfältige Weise mit den USA verflochten ist.

Diese Verflechtung ist das Ergebnis einer langen gemeinsamen Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Paul Schonenberg, Geschäftsführer der amerikanischen Handelskammer (Amcham), greift zur Erklärung gegenüber dem Land – mit jener Vorliebe für den ganz großen historischen Bogen – auf die luxemburgische Auswanderungswelle der 1830er Jahre zurück: „Heute leben wahrscheinlich mehr Menschen mit luxemburgischer Herkunft in Amerika als in Luxemburg selbst.“ Was für Schonenberg zunächst als demografisches Phänomen begann, entwickelte sich über Generationen zu einem dichten Netz wirtschaftlicher Beziehungen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Marshall-Plan erheblich intensiviert haben. Bis heute haben US-Unternehmen kumulativ etwa 605 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in Luxemburg getätigt. Diese enge bilaterale Wirtschaftsbeziehung spiegelt sich auch in den Arbeitsplätzen wider: Amerikanische Unternehmen beschäftigen rund 29 000 Menschen in Luxemburg, während luxemburgische Strukturen für über 45 000 Arbeitsplätze in den USA sorgen.

Im Handelsbereich zeigt sich allerdings eine Besonderheit: Laut Statec importiert das Großherzogtum Waren im Wert von 740 Millionen Euro pro Jahr, während die Exporte lediglich 437 Millionen betragen. Damit weist Luxemburg eine der wenigen negativen Handelsbilanzen mit den USA in der EU auf. Die verhältnismäßig geringe Bedeutung des Exports in die USA macht das Großherzogtum im Vergleich zu anderen Ländern gegenüber Zöllen tendenziell widerstandsfähiger. Aktuell sind vor allem die heimischen Metallexporte (rund 188,5 Millionen Euro) betroffen – ein Sektor, dessen wirtschaftliche Bedeutung hinter dem dominanten Finanzsektor klar zurücksteht.

Während diese Handelsströme nur den sichtbaren Teil der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen darstellen, liegt die eigentliche Bedeutung der luxemburgisch-amerikanischen Verbindung in der Finanzwelt. Einen Meilenstein in dieser Beziehung markiert das Jahr 1963, als an der Luxemburger Börse die erste Eurobond-Anleihe der Welt notiert wurde – in US-Dollar denominiert. Dieser Schritt etablierte Luxemburgs Rolle als Brücke zwischen amerikanischen und europäischen Kapitalmärkten. Diesen Aufstieg machten in den Augen Paul Schonenbergs nicht nur steuerliche Anreize möglich, sondern auch Luxemburgs kulturelle Neutralität. „Everybody’s friend and nobody’s enemy“ – so beschreibt der Vorsitzende von Amcham dieses Erfolgsprinzip, das das Land zu einem bevorzugten Partner internationaler Finanzakteure gemacht habe.

Deutlich an Konturen gewann der Finanzplatz im Jahr 1988, als das Großherzogtum als erster EU-Staat die Ucits-Richtlinie in nationales Recht überführte. Dieses Regelwerk schuf einen „europäischen Pass“ für Investmentprodukte: Ucits-Fonds, die in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind, dürfen automatisch in der gesamten EU vertrieben werden. Die frühzeitige Umsetzung bewog zahlreiche amerikanische Vermögensdienstleister dazu, ihre europäischen Aktivitäten in Luxemburg zu verankern. So entwickelte sich das Land zum bekanntlich zweitgrößten Investmentfonds-Standort weltweit – nur hinter den USA selbst.

Die Rolle Luxemburgs als Eingangstor zum europäischen Markt hat demnach eine komplexe Beziehung mit dem amerikanischen Finanzsystem geschaffen. Einerseits lenken luxemburgische Anlagevehikel Milliarden europäischer Anlegergelder in den amerikanischen Kapitalmarkt, etwa über ETFs auf weit verbreitete Indizes wie den MSCI World, der zu rund 70 Prozent aus US-Aktien besteht. Andererseits haben amerikanische Finanzdienstleister eine beachtliche Präsenz im Großherzogtum aufgebaut, indem sie luxemburgische Fondsstrukturen für ihre europäischen Aktivitäten nutzen.

Die Struktur der Fondsmärkte zeigt dabei jedoch eine bemerkenswerte regulatorische Trennung. Wie Serge Weyland, Geschäftsführer der Association of the Luxembourg Fund Industry (Alfi), gegenüber dem Land erläutert, verwaltet Luxemburg mit 7,2 von europaweit etwa 20 Billionen Euro einen beträchtlichen Teil des kontinentalen Fondsvermögens. Gleichzeitig existiert eine klare Barriere zum amerikanischen Markt: „Man kann keinen unter EU-Aufsicht stehenden Luxemburger Fonds einem US-amerikanischen Bürger anbieten, das ist verboten“, erklärt Weyland und fügt hinzu: „Die USA haben sich da sehr gut verteidigt.“ Tatsächlich unterliegen Fonds, die in den USA an Retail-Investoren verkauft werden, der Aufsicht der mächtigen SEC (Securities and Exchange Commission). Mit enormer Strenge wacht die Behörde über den Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt und setzt dabei ein komplexes Regelwerk durch, das ausländische Anbieter effektiv vom Retail-Markt fernhält.

Eine begrenzte Öffnung zeichnet sich lediglich im Bereich alternativer Anlagen ab. In den vergangenen Jahren haben global agierende Fondsinitiatoren begonnen, luxemburgische Vehikel im Private-Equity-Bereich einem breiteren internationalen Investorenspektrum anzubieten – darunter auch bestimmten Kategorien von US-Anlegern. Deren Anteil bleibt jedoch überschaubar. Konkrete Zahlen fehlen, wie Weyland einräumt, doch die Präsenz amerikanischer Gelder bleibt auch hier „gering“. Das zuweilen beschworene Schreckgespenst eines Kapitalabzugs durch amerikanische Investoren im Falle transatlantischer Spannungen entpuppt sich damit als weitgehend substanzlos. „Die Fonds und Gelder, die hier domiziliert sind, kommen vor allem aus Europa, Asien und Lateinamerika“, betont Weyland. Ein von US-Präsident Donald Trump ausgelöster Rückzug würde daher „keinen großen Einfluss auf die Assets“ haben.

Ein besonders sensibles Feld ist die nachhaltige Finanzwirtschaft. Trumps erste Amtszeit offenbarte nicht nur seine grundlegende Abneigung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen, sondern etablierte bereits eine aktive Gegenbewegung, die er derzeit mit deutlich verschärfter Rhetorik vorantreibt. Verschiedene republikanisch geführte Bundesstaaten haben bereits aktiv begonnen, gegen ESG-Vorgaben vorzugehen.

Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die europäischen, in Luxemburg angesiedelten Tochtergesellschaften der großen amerikanischen Vermögensverwalter als relativ eigenständige Organisationen agieren. Sie unterliegen primär europäischen Regulierungen und müssen den hiesigen Marktanforderungen entsprechen, was sie zunächst nur mittelbar von den Entwicklungen in den USA betroffen macht. „Sie verfügen über europäische Mitarbeiter, europäisches Kapital und eine gewisse operative Unabhängigkeit“, erklärt Alfi-Geschäfsführer Weyland. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass sich unternehmensinterne Strategieentscheidungen global, also auch in Europa, auswirken könnten. Ähnlich wie Konzerne aktuell unter Druck der Trump-Administration weltweit ihre Diversity-Programme einstampfen, könnten auch die großen Vermögensverwalter ihr Nachhaltigkeitsengagement – wie immer man dessen Ernsthaftigkeit bewerten will – international reduzieren. Allerdings wäre Luxemburg gegen eine mögliche Umdeklarierung von ESG-Fonds und eventuellen Kapitalabzügen enttäuschter Anleger relativ gut gewappnet. In solch einem Fall könnten schlicht andere hier gelistete Fonds die Gelder aufnehmen und für einen reibungslosen Übergang sorgen.

Sicher ist hingegen, dass die amerikanischen, in Europa aktiven Vermögensverwalter in einen Loyalitätskonflikt geraten werden – zwischen ihren europäischen, an Nachhaltigkeit interessierten Anlegern und der Gegenbewegung in den USA. „Das wird dann eine Gratwanderung“, prognostiziert Weyland. „Wenn sie sich öffentlich aus Engagements wie der Net-Zero-Initiative zurückziehen, dann werden natürlich die europäischen Investoren Fragen stellen.“

Diese Spannung verweist auf ein fundamentales Problem: Was passiert, wenn unterschiedliche Regulierungsphilosophien aufeinanderprallen? Als Finanzplatz ist das Großherzogtum auf stabile, vorhersehbare internationale Rahmenbedingungen angewiesen, die sich in Trumps Amtszeit jedoch deutlich verschieben könnten. „Es wird zukünftig wahrscheinlich eine verstärkte regulatorische Divergenz zwischen den USA und Europa geben“, prognostiziert denn auch Holcblat.

Anzeichen hierfür gibt es nicht nur im Bereich nachhaltiger Anlagen. Die überraschende Entscheidung der Bank of England Ende Januar, kurz vor Trumps Amtsantritt die Einführung der Basel-III-Bankenregeln um ein Jahr zu verschieben, illustriert die Sorge vor einem amerikanischen Deregulierungskurs, der europäischen Banken Wettbewerbsnachteile bescheren könnte. Während die EU bereits mit der Umsetzung begonnen hat, setzt Großbritannien damit ein klares Signal, dass es sich stärker an den USA orientieren wird. Sollten sich die USA und Großbritannien für eine deutlich lockerere Regulierung entscheiden, könnte dies Kapitalflüsse aus strenger regulierten EU-Ländern in deregulierte Märkte umlenken. Luxemburg stünde demnach vor der Herausforderung, seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, ohne sich zu weit von den EU-Vorgaben zu entfernen.

Ein noch anschaulicheres Beispiel dafür, wie die USA ihre Macht im Finanzsektor strategisch einsetzen können, zeigt sich im Wettbewerb der Finanzplätze zwischen Luxemburg und Irland. Holcblat verweist auf die Tatsache, dass Irland bei bestimmten Fondstypen deutlich wettbewerbsfähiger ist als Luxemburg: „Irland hat ein vorteilhaftes Steuerabkommen mit den USA, das Luxemburg nicht hat.“ Es handelt sich hierbei nicht um regulatorische Unterschiede zwischen den USA und der EU, sondern um ein simples bilaterales Abkommen zwischen Dublin und Washington. Die Konsequenz dieses vermeintlich kleinen Unterschieds ist beträchtlich: „Allein aus diesem Grund sind jetzt viele ETFs in Irland angesiedelt statt in Luxemburg“, erklärt der Finanzexperte. Während irische Fonds lediglich 15 Prozent Quellensteuer auf Dividenden von US-Unternehmen abführen müssen, ist der Steuersatz für Fonds ins Luxemburg und anderen europäischen Domizilen deutlich höher. Über die Zeit summiert sich dieser Vorteil zu einer besseren Performance der irischen Produkte.

Diese Entwicklung verdeutlicht, wie leicht die USA europäische Finanzplätze gegeneinander ausspielen können – ein Mechanismus, der unter Trump an Dynamik gewinnen könnte. Wie das Beispiel Irland zeigt, haben die USA die Möglichkeit, durch selektive bilaterale Abkommen die Wettbewerbsfähigkeit einzelner europäischer Finanzstandorte maßgeblich zu beeinflussen, ohne dass die EU als Ganzes darauf angemessen reagieren könnte. Sollte sich zudem die regulatorische Kluft zwischen den USA, Großbritannien und der EU weiter vergrößern, könnte sich dieser Standortwettbewerb weiter verschärfen – mit potenziellen Nachteilen für Luxemburg.

Die eigentliche Gefahr für den Finanzplatz Luxemburg liegt demnach nicht in den direkten Folgen der Zölle. „Die Zölle auf die Industrie werden in erster Linie Auswirkungen auf die Stahlproduktion in Luxemburg haben. Volkswirtschaftlich sind sie wenig relevant“, konstatiert Benjamin Holcblat. Das Risiko sieht der Wissenschaftler vielmehr in einer systemischen Schwächung des gesamten europäischen Wirtschaftsraums durch fortschreitende Handelskonflikte: „Wenn Europa wirtschaftlich weniger attraktiv wird, werden auch die Kapitalflüsse geringer sein.“ Eine derartige Entwicklung könnten die Zölle durchaus auslösen – mit fallenden Vermögenspreisen und einem Abschmelzen der Fondsvolumina als Konsequenz. Für Luxemburgs Gesamtwirtschaft birgt insbesondere die Schwächung seiner Haupthandelspartner Deutschland und Frankreich, die unter den Zöllen wesentlich stärker leiden, ein beträchtliches Risiko.

In diesem schwierigen Umfeld sieht Paul Schonenberg von Amcham – ganz der pragmatische Geschäftsmann – eine mögliche Nische für das Land: „Dies könnte eine gute Gelegenheit für Luxemburg sein, sich als verlässlicher Partner Amerikas zu positionieren.“ Während viele europäische Staaten zunehmend auf Konfrontationskurs mit der Trump-Administration gehen, könnte Luxemburg als Brückenbauer eine differenziertere Position einnehmen. „Die Vereinigten Staaten fragen sich momentan, auf wen sie in Europa zählen können“, sagt Schonenberg und merkt an: „Es wäre klug für Luxemburg, auf der Liste der Freunde zu stehen.“

Es wäre nicht das erste Mal, dass das Land geschickt seine Fahne nach dem Wind dreht. Die bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an vorherrschende Machtverhältnisse und die selbstdeklarierte Rolle als neutraler Vermittler gehören seit jeher zum Überlebensrepertoire des Großherzogtums. Die Geschichte des Finanzplatzes zeigt zudem, dass aus widersprüchlichen Anforderungen stets lukrative Lösungen entwickelt wurden – eine Fertigkeit, die auch in der aktuellen Lage gefragt sein dürfte.

Julian Bernstein
© 2025 d’Lëtzebuerger Land