Abschlussbericht des Krisenausschusses

Der Katastrophenbricht

d'Lëtzebuerger Land vom 26.03.2009

Ob außer DP-Fraktionssprecher Charles Goerens noch jemand den parlamentarischen Sonderausschuss Wirtschafts- und Finanzkrise im November vergangenen Jahres wollte, war nie so recht klar. Und wozu er, neben der Wirtschafts- und der Finanzkommission sowie der Tripartite, gut sein sollte, wusste auch niemand so recht. Für die ziemlich ratlose Opposition sollte es ein Mittel werden, um die Regierung bis zu den Wahlen vor sich her zu treiben. Für die ebenso ratlose Regierungsmehrheit sollte es ein Mittel werden, um die Opposition ins Krisenmanagement ein­zubinden und so die Krise als Wahlkampfthema zu neutralisieren.

Dieses politische Vakuum war die beste Voraussetzung, damit die elf Abgeordneten nach einem „neuen Wachstumsmodell“ suchen konnten, wie der Bericht übeschrieben ist, den Ausschusspräsident Lucien Thiel (CSV) diese Woche dem Plenum vorlegte. In ersten Reaktionen war der Bericht trotzdem als ziemlich einfallslos abgekanzelt worden. Und es stimmt auch, dass seine Empfehlun­gen an die Regierung weder „Wundermittel, noch eine revolutionäre Kehrtwende“ darstellen, wie er selbst eingesteht (S. 8). Wenn immer wieder von Verwaltungsreform oder Landesplanung die Rede geht, listet der Bericht vor allem die Versäumnisse der Legislaturperiode dar, wie Claude Meisch (DP) am Donnerstag im Plenum genüsslich aufzählte.

Das Überraschende an dem nach zwei Dutzend Sitzungen verabschiedeten Bericht der Kommis­sion ist jedoch nicht die Therapie, sondern die Diagnose. Denn bisher gab es noch kein offizielles Dokument von Regierung, Parlament oder einer anderen Institution, das die Auswirkungen der Krise auf Luxemburg derart unverblümt beschrieb. Noch nirgends war zu lesen, dass Luxemburg nicht die schlechtesten Voraussetzungen hat, um die Krise zu meistern – aber dass sie, mit etwas Pech, auch zu einer nationalen Katastrophe führen kann.

Jenen, die den Aufschwung für den Sommer, den Herbst oder die Jahreswende versprechen, hält der Ausschuss entgegen, dass „die nächsten drei Jahre zu den schwierigsten zählen werden“. Denn die Krise führe zu einem „abrupten Ende der ständigen Weiterentwicklung unseres wirtschaftlichen Erfolgs“, und es sei nirgends geschrieben, dass Luxemburg jemals wieder zu seinen alten Wachstumsraten zurückfinde (S. 7). Dabei sei „nichts weniger sicher als ein glücklicher Ausgang“, um so mehr als „die globale Krise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat“ (S. 10). „Was als Finanzkrise in Amerika begonnen hatte, führte zu einer globalen Wirtschaftskrise, die dabei ist, zu einer sozialen Krise zu führen, welche den Keim einer Krise des politischen Sys­tem in sich tragen könnte“ (S. 38).

Luxemburg scheint auch keine Freun­de zu haben: „Während der fetten Jahre von den anderen Ländern mehr oder weniger geduldet, werden wir heute als einen der Sündenböcke verantwortlich gemacht“ (S. 11). Der Finanzplatz sei deshalb „überdimen­sionalen Gefahren“ ausgesetzt, weil er klein sei und dem Land das politische Gewicht zu seiner Verteidigung gegen die ausländischen Angriffe feh­le (S. 17). Auch die zur Jahreswende rasch beschlossene Erhöhung der Einlagengarantien von 20 000 auf 100 000 Euro könne sich für die solidarisch haftenden Banken „als gefährlich oder gar verhängnisvoll erweisen“ (S. 20). „Doch was ist die Tätigkeit, auf die unsere Wirtschaft ausweichen kann, wenn sich die Geschichte heute wiederholte und es diesmal der Finanzplatz wäre, der zusammenbräche? Die Suche nach neuen Erwerbszweigen, die gegebenenfalls den Finanzsektor auch nur teilweise ersetzen könnten, ist noch dringlicher geworden. “ (S. 12).

In der Industrie zeige sich „eine neue Dimension der Rezession, die ihren Höhepunkt leider noch längst nicht erreicht hat“ (S. 22). Hält die Krise an, könne sie den Unternehmen an die Substanz gehen, und „die Auswirkungen eines solchen Blutbads auf die Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit, die öffentlichen Finanzen und die Beschäftigung wären verheerend“ (S. 22).

Denn „die staatlichen Mittel sind nicht unbegrenzt und könnten erschöpft sein, bevor die Krise vorüber ist“ (S. 15). „Binnen kurzem, spätestens 2009 oder 2010, sind die Haushaltsüberschüsse verschwunden“, deshalb heiße es nun, „sich auf die Aufteilung der Lasten zu konzentrie-ren. Zum zunehmenden Gewicht der Renten kämen nun auch noch „die Schulden, die wir dabei sind anzuhäufen“ (S. 15).

Schon für das Geschäftsjahr 2008 müsse man sich auf einen Rückgang der Steuereinnahmen aus den Finanztätigkeiten gefasst machen. Und „die Auswirkungen eines solchen Blutsturzes bei den Steuereinnahmen drohten dramatisch für die öffentlichen Finanzen zu werden, weil sie ein Loch von einem Zehntel oder mehr des Staatshaushalts ausmachen könnten“ (S. 17). In einem Entwurf des Berichtes war noch die Rede von einem Haushaltsloch von 600 Millio­nen alleine für das vergangene Jahr gegangen (Version 1.3, S. 17). Es zeichne sich „ein brutaler Rückgang der Körperschaftssteuereinnahmen ab“, der auch zu einem entsprechenden Rückgang der Gewerbesteuer führe, welche rund die Hälfte aller Gemeindeeinnahmen darstellten (S. 37).

Nachdem sich DP, Grüne und ADR am Montag geweigert hatten, Lu­cien Thiels Abschlussbericht zu stimmen, beschlossen CSV und LSAP am Donnerstag die Auflösung des Ausschusses. Von den Kriseängsten in der Wählerschaft dürfte die CSV in zwei Monaten ohnehin am meisten profitieren. 

Romain Hilgert
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