Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über den Kampf von LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert berichtet wird, im Wettlauf mit der Verbreitung des Corona-Virus ausreichend Krankenhausbetten für infizierte Patienten zu beschaffen. Sogar aus Süditalien wurde Nato-Material eingeflogen, das die Regierung zuerst stolz als vollausgerüstetes Lazarett angekündigt und dann aus diplomatischen Rücksichten als ein nacktes Zelt kleingeredet hatte.
Dem geht seit mindestens zwei Jahrzehnten ein ebenso verbissener Kampf der Gesundheitsminister voraus, die Zahl der Akutbetten in den Krankenhäusern zu senken, 700 000-Einwohnerstaat hin oder her. Am 2. Februar 2001 hieß die CSV/DP-Regierung den von DP-Gesundheitsminister Carlo Wagner
vorgelegten Spitalplan gut, der eine Senkung der Akutbetten von 2 532 im Spitalplan von 1994 auf 2 282 im Jahr 2005 vorsah.
LSAP-Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo erklärte am 23. Oktober 2007 resolut gegenüber RTL: „Mir féiere keng Diskussioun iwwert d’Reduktioun vun de Betten.“ Zwei Jahre und eine Finanzkrise später erzählte er am 12. August 2009 dem Lëtzebuerger Journal von „enorme[m] Spielraum, Kosten zu sparen, z.B. Betten nicht unnötig zu belegen und ambulante Behandlungen auszubauen“.
2012 dekretierte Mars Di Bartolomeo eine Carte sanitaire, die plante, die Zahl der Akutbetten bis 2020 von 4,4 auf 4,0 je 1 000 Einwohner zu senken. Seine Nachfolgerin und Parteikollegin Lydia Mutsch legte im Januar 2016 den später überarbeiteten Vorentwurf eines neuen Krankenhausgesetzes vor, der rund zehn Prozent der Akutbetten in den Krankenhäusern einsparen und ihre Zahl von 2 312 auf 2 093 senken sollte.
Durch die Abschaffung von Akutbetten soll an den Ausgaben für die Gesundheitsversorgung gespart werden. Gerechtfertigt wird dies mit dem medizinischen Fortschritt, der zunehmend ambulante Behandlungen ermögliche. Dies entspricht der Einführung des Lean Manufacturing in der Medizin: Kapital in Lagerbeständen zu blockieren, ist etwas für Angsthasen. Krisen sind nicht vorgesehen. Doch so wie die Industrie nun in der Krise darunter leidet, dass sie keine Rohstoff- und Halbzeugreserven hat, so fehlen dem Gesundheitswesen im Flux tendu Bettenreserven für die Krise.
Eine mögliche Erklärung für die mangelnde Voraussicht liegt auf der Hand: Als Berichterstatter zum Notstandsgesetz wünschte Mars Di Bartolomeo am 23. März seinen Parlamentskollegen, dass „wir etwas besitzen, was das Virus nicht hat, wir haben unseren Verstand“. Haben Abgeordnete weniger Verstand als Nukleinsäure in einem Eiweißbläschen?
Eine überzeugendere Erklärung lieferte der Direktor der Handelskammer, Carlo Thelen, am Samstag im Luxemburger Wort. Für ihn ist das auf 8,8 Milliarden Euro bezifferte Stabilisierungsprogramm für die Unternehmen nur ein „premier paquet“, dem „des indispensables volets à venir si la crise perdurait“ folgen müssten. Gleichzeitig stellt er klar, dass „une dérive durable des finances publiques doit être évitée. Elle serait en effet synonyme de hausses d’impôt futures“ für die Unternehmen. Bliebe, wie immer, nur der Ausweg, zu sparen. Zum Beispiel an den Akutbetten in den Krankenhäusern.