Wie François Biltgen Gesetze macht

Kabinettstück

d'Lëtzebuerger Land du 15.07.2010

Leichter als erwartet passierte das erste in der Tripartite angekündigte, aber dort nicht mehr gutgeheißene Spargesetz diese Woche das Parlament. Dabei hatte der außerparlamentarische Protest, von Studentenverbänden bis zur Asti, in den letzten Tagen zugenommen und einen Höhepunkt erreicht, als die von der Regierung kurzerhand übergangene Salariatskammer letzte Woche aus eigenem Antrieb ein sehr kritisches Gutachten vorlegte. Die Nachwuchsorganisation der LSAP hatte noch schnell Stimmung gegen den christlich-sozialen Hochschulminister François Biltgen gemacht, was erfahrungsgemäß das Koalitionsklima nicht verbessert. Alle Oppositionsparteien hatten halbherzig, weil illusionslos gefordert, den Gesetzentwurf von der Tagesordnung des Parlaments zu nehmen, weil er binnen weniger als vier Wochen durch die Institutionen gejagt worden war, um schon im Herbst in Kraft treten zu können.

Wie einfach die Kürzung des Kindergelds und des Kinderbonus trotzdem Gesetz wurden, ist ein politisches Kabinettstück, für das man Biltgen neidlos Bewunderung zollen muss. Der Geniestreich bestand darin, die jährlichen Kürzungen dieser Familienleistungen um beachtliche 36 Millionen Euro netto als Studienbeihilfe zu verkleiden. Deshalb war überraschend der Hochschulminister und nicht Familienministerin Marie-Josée Jacobs für das Gesetz über die Kindergeld- und Kinderbonuskürzungen verantwortlich. Die Fami­lien­ministerin verzichtete am Dienstag im Parlament sogar auf ihre angekün­digte Wortmeldung. Nicht der parlamentarische Sozialausschuss, sondern der Bildungsausschuss begutachtete den Entwurf, und selbst die Oppositionsparteien spielten mit, indem nicht ihre sozialpolitischen, sondern ihre bildungspolitischen Sprecher den Gesetzentwurf diskutierten. Den Vogel schoss LSAP-Sprecher Ben Fayot ab, als er zum Trost für die Anrempelungen der Jusos dem 1958 geborenen CSV-Minister Biltgen quasi posthum den Ehrentitel eines Alt-68-ers verlieh und ihm bescheinigte, nun jenen „pré-salaire“ einzuführen, den einst die linken Vorväter der Roud Wullmaus für Studenten verlangt hatten.

Nur am Rand ging die Rede davon, dass die Kindergeld- und Kinderbonuskürzungen einseitig auf Kosten der Grenzpendler gehen, was die meisten Abgeordneten zu einem mitleidigen Seufzer und dem Hinweis bewegte, die Benachteiligten bezögen ja in ihrem Heimatland Studienbeihilfen. So als ob nicht auch die Luxemburger bisher Kindergeld und Studienbeihilfen zusammen bekommen hätten. Die Begeisterung über die zum „Paradigmenwechsel“ verklärten Sparmaßnahmen ließ auch weitgehend vergessen, dass bei den neuen Studienbeihilfen – ganz im Gegensatz zur angekündigten „sozia­len Selektivität“ – kinderreiche Familien mit niedrigen Einkommen verlieren können, während besser gestellte Familien, die bisher wenig Anspruch auf Studienbeihilfen hatten, nun großzügig bezuschusst werden. Doch die Regierung wusste auch diese Kritiken im Keim zu ersticken, indem sie kurzerhand eine willkürliche Prämie von 1 000 Euro für „Härtefälle“ aller Art nachschob.

Minister François Biltgen ist zu Recht so stolz auf sein politisches Kabinettstück bei den Kindergeld- und Kinderbonuskürzungen, dass er es gleich zu wiederholen versucht: Nicht Postminister Jeannot Krecké, sondern Kommunikationsminister Biltgen stellte am Montag das Gesetz über die Postliberalisierung vor. Und um keine unangenehmen Fragen über die Kosten für die Privathaushalte aufkommen zu lassen, hatte er als Nebenschauplatz kurzerhand eine wenig realistische Debatte über die Postzustellung am Samstag entfacht.

Romain Hilgert
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