d'Land: Herr Haagen, Ihre Partei hat bei den Europawahlen acht Prozent Stimmen verloren. Wie wird die LSAP bei ihrer Sommerakademie am 27. September in Remich auf das Debakel eingehen?
Wir haben externe Analysen in Auftrag gegeben, die wir auf der Sommerakademie vorstellen und diskutieren werden. Das Thema der Sommerakademie lautet nicht umsonst „Préparer l’avenir, renforcer le LSAP“.
Offenbar gibt es Stimmen innerhalb der LSAP, die sich ernsthaft Sorgen machen und eine Rückbesinnung auf sozialistische Werte verlangen.
Ich habe gehört, wir hätten Streit. Loin de là! Ich beobachte im Gegenteil eine neue Dynamik. Wir werden uns als LSAP immer auf der Seite unserer Grundwerte Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit positionieren.
Die Sommerakademie ist dieses Jahr mit einem halben Tag sehr kurz angesetzt. Das klingt nicht nach einer Tiefenanalyse.
Die letzten Jahre dauerte die Akademie immer nur einen halben Tag. Die Arbeitsgruppen werden morgens ihre Analysen präsentieren, daraus sollen Konklusionen erfolgen. Ich gehe davon aus, dass es zu früh sein wird, um ein abschließendes Fazit zu ziehen, dass es sich nicht um eine One-shot-Diskussion handelt, sondern die Evaluation darüberhinaus andauern wird.
Ist die Sommerakademie deshalb so kurz, damit auch Mandatsträger und Minister sich an der Diskussion beteiligen?
Ich kenne den Terminkalender eines Étienne Schneiders nicht und kann versichern, dass die Akademie nicht entlang der Präsenz von Ministern geplant wurde. Hier soll vor allem die Basis zu Wort kommen. Sicher werden die Arbeitsgruppen von Mitgliedern der Exekutive und auch von Ministern geleitet, aber es ist kein Monolog, sondern es geht darum, die Stimmung an der Basis einzufangen.
Wie geschieht das?
Wir haben als Exekutive unsere Mitglieder per Brief um Rückmeldung gebeten. Der Aufruf ging an die Bezirke, die Sektionen, die Unterorganisationen (FS, JSL, Gemengeforum). Ihr Feedback ist in die Vorbereitungen eingeflossen und wird Gegenstand der Diskussion sein. Ich bin froh über die Rückmeldungen. Mehr Sorgen hätte ich mir gemacht, wenn wir kein Feedback gehabt hätten.
Die Haushaltsdebatte wird ein Nageltest dafür sein, wie sehr sozialdemokratische Inhalte die Regierungspolitik prägen.
Das Problem stellt sich für alle Regierungsparteien. Unsere Schmerzgrenzen sind bekannt. Die Indexfrage ist bis Ende der Legislaturperiode geregelt und momentan kein Thema mehr. Ich denke, dass zur Zufriedenheit unserer Wähler, aber auch der Unternehmen dort jetzt eine gewisse Planungssicherheit besteht.
Die blau-rot-grüne Regierung will 1,5 Milliarden Euro einsparen und strukturelle Reformen vornehmen. Das heißt, es stehen weitere Einschnitte bevor.
Sparen ist kein Selbstzweck, und wir als LSAP brauchen dort eine gewisse Flexibilität. Auf EU-Eben findet dort ein Umdenken statt. Strukturreformen sind aber nicht per se negativ. Nehmen wir das Beispiel Kinderbetreuung und Alleinerziehende. Mit mehr Geld allein schaffen wir nicht mehr Krippenplätze. Deshalb ist es richtig, in eine Politik zu investieren, die den Akzent stärker auf Sach- statt auf Geldleistungen legt.
Das Familienministerium befindet sich nicht in LSAP-Hand. Auch andere klassische sozialdemokratische Ressorts, wie Wohnungsbau oder Bildung, hat die LSAP nicht.
Das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung, das zur Gesundheit und das zur sozialen Sicherheit sowie Sport-, Wirtschafts- und Außenministerium werden jeweils von LSAP-Ministern verantwortet. Allerdings ist die Dreierkoalition angetreten, um eben dieses alte Ressortdenken zu überwinden. Eines der Hauptanliegen dieser Regierung ist es, vernetzt zu denken und zu handeln. Die Entscheidungen trifft die Regierung gemeinsam, es sind drei gleichwertige Partner.
Mit dem Weggang von Ben Fayot und Vera Spautz ist die LSAP bei ur-sozialdemokratischen Themen wie der Bildung und Beschäftigung schwach aufgestellt. Spautz galt als Vertreterin des linken Flügels.
Jeder Abgeordnete hat seine Schwerpunktthemen. Es macht auch nicht viel Sinn, vom linken oder rechten Flügel zu sprechen. Im Parlament diskutieren wir als Fraktion. Sicherlich gibt es unterschiedliche Strömungen, die gibt es in jeder Partei. Aber dafür gibt es ja Veranstaltungen wie die Sommerakademie, um sich parteiintern über Ausrichtungen auszutauschen.
Der gewerkschaftliche Einfluss bei der LSAP scheint geringer denn je.
Was die Mandatäre anbelangt sind die Gewerkschafter in allen Gremien gut vertreten, so dass man nicht sagen kann, dass wir unterrepräsentiert sind, was den OGBL betrifft. Wir machen keine Gewerkschaftspolitik, sondern haben ein Programm, das den Willen der Basis ausdrückt und Grundlage für die Koalitionsverhandlungen war. Wir versuchen, wie jede Partei, davon so viel wie möglich im Koalitionsprogramm unterzubringen. Dass wir in einer Dreierkoalition Kompromisse machen müssen, müsste jedem klar sein.
Nicht nur bei den Europawahlen, auch bei den Nationalwahlen nimmt die Zustimmung zur Ihrer Partei ab.
Es ist richtig, dass wir in den letzten Jahren an Zustimmung verloren haben. Wir müssen das analysieren, dürfen uns die Analyse aber nicht von außen aufdrängen lassen. Unser Wahlprogramm wird immer ein LSAP-Programm bleiben. Die Europawahlen sind ein Weckruf. Aber man darf auch nicht vergessen, dass neue Parteien hinzugekommen sind und dass die Wahlen mit Jean-Claude Juncker als potenziellen Kommissionspräsidenten unter einem besonderen Vorzeichen standen.
Bei der CSV verkörperte Jean-Claude Juncker das soziale Gewissen der Partei. Wer ist es bei der LSAP? Ėtienne Schneider gilt als wirtschaftsfreundlich.
Den Personenkult kritisiere ich. Fakt ist, dass wir viele jungen Leute in der Partei haben, die noch keine lange politische Erfahrung aufweisen. Wenn wir Erneuerung wollen, dann müssen wir ihnen eine Chance geben. Das geschieht, Potenzial ist genug da. Dass ein gewisses Unsicherheitsgefühl an der Basis besteht, finde ich verständlich. Aber das gehört zur Erneuerung dazu.
Als Parteipräsident müssen Sie Optimismus zeigen. Aber Hand aufs Herz: Wie kritisch ist es um die LSAP bestellt?
Ich sehe die Situation nicht negativ. Wir hätten auf jeden Fall eine Bestandsanalyse gemacht. Bisher habe ich nicht gemerkt, dass uns Mitglieder fortlaufen. Wenn dem so wäre, dann würde ich mir ernsthaft Sorgen machen.