Porsche Cayenne, Jaguar, Range Rover, Ferrari – die Liste der Automarken, die Amin El Rhazali und seine beiden Mitarbeiter jeden Tag fahren, liest wie ein Autoquartett-Kartenspiel der Luxusklasse. Tatsächlich war es sein Faible für edle Karossen, was den Franzosen dazu veranlasste, sich nach einer Anstellung beim Hotel Sofitel mit einem eigenen Parkdienst Lux-Valet selbstständig zu machen. „Ich fahre Luxuswagen, von den anderen nur träumen können“, sagt El Rhazali und seine weißen Zähne blitzen im gebräunten markanten Gesicht. Der edle schwarze Anzug ist erstklassig gebügelt, den weißen Hemdkragen schließt eine schwarze Fliege ab, der dunkle Bart ist frisch rasiert: „Der Anzug ist unsere Uniform. Ich bevorzuge Fliege“, sagt der Profi-Einparker, der von allen nur Monsieur Amin gerufen wird.
Seine Kunden gehen unterschiedlichen Beschäftigungen nach. Nur eines eint sie: Es sind in der Regel Menschen mit sehr viel Geld. Amin stellt den Service Voiturier für den Cercle Munster, das italienische Sterne-Restaurant Mosconi sowie das japanische Edelrestaurant Kamakura. Alteingesessenen ist der Cercle im hauptstädtischen Grund ein Begriff: Es ist der älteste Privatklub im Land, in den nur aufgenommen wird, wer zuvor von hohen Mitgliedern empfohlen wurde. Und das wird nicht jeder. Zum elitären Klub zählen Richter und Anwälte, Ärzte, Banker, aber auch einige Politiker, hohe Staatsbeamte und Privatunternehmer. Im Mosconi oder im Kamakura auf der anderen Seite der Alzette, 50 Meter vom Cercle entfernt, steigen gerne gut Betuchte zum Essen ab. Zum Beispiel vor kurzem erst der amtierende Premierminister Xavier Bettel mit Vertretern der Nato.
Ihnen steht Amin und sein Lux-Valet-Team zu Diensten. Der Voiturier ist der erste und der letzte Dienstleister, den die Gäste sehen. Wer vorfährt, wird von Monsieur Amin oder seinem Angestellten, Monsieur Wolfesberger, empfangen. Er öffnet die Wagentür, hilft beim Aussteigen, bei Regen hat er einen Schirm parat, den der Voiturier schützend über den Kopf des Gasts hält, während er sie mit ruhigen Schritten zur Tür begleitet. Für sein abgegebenes Fahrzeug erhält der Gast einen kleinen Beleg, ähnlich wie bei einer Garderobe, auf dem eine Nummer steht. „Um alles Weitere kümmern wir uns“, verspricht Amin.
Soll heißen, das Auto wird sicher geparkt. Der Cercle Munster hat einen eigenen Parkplatz für bis zu zwanzig Fahrzeuge. Darüber hinaus nutzen die Voituriers öffentliche Parkplätze, wie den bei der Abtei Neumunster oder im Bisserweg – und das möglichst so, dass sie dazu keine Münzen in den Parkautomaten einwerfen. Jeder gesparte Euro ist gewonnen. „Dazu braucht es Köpfchen“, sagt Amin grinsend und tippt sich an die Stirn. Ein Nummernsystem hilft, den Überblick zu bewahren. Zu Stoßzeiten sind schon mal 40 bis 50 Autos ein und auszuparken. „Das ist nichts für schwache Nerven“, betont er. Anspannung zu zeigen, gehört sich nicht. Von einem Voiturier werden, neben gültigem Führerschein, tadellose Manieren verlangt – und selbst in stressigen Momenten immer ein Lächeln auf den Lippen zu behalten.
Auch wenn ein Gast einmal speziellere Wünsche hat, seinen kleinen Chihuahua im Auto mit Wasser versorgt haben will, oder die Ledergarnitur gereinigt haben möchte, erledigen Amin und sein Helfer dies zügig und ohne viel Aufhebens. Der Gast kommt in den Klub, um Privatsphäre zu genießen. Das ist nicht immer einfach. Der Grund ist abends oft belebt, viele Jugendliche nutzen die Kneipen im Viertel als Treffpunkt. Wenn da ein Ferrari oder ein Aston Martin vorfährt, bleibt einigen der Mund offen stehen. Schnell ist die Neugierde geweckt und das Handy gezückt.
Diskretion ist oberstes Gebot. Normalerweise dauert es von der Ankunft, über die Schlüsselübergabe bis zum Parken nur wenige Sekunden. Kaum Zeit, um mitzubekommen, welcher Prominente da soeben der edlen Karosse entstiegen ist. „Manchmal lasse ich besonders Hartnäckige ein Foto aus der Entfernung machen, damit sie Ruhe geben“, sagt Amin, der die Begeisterung für die Luxusschlitten gut nachvollziehen kann. Diese kosten oft so viel wie eine kleine Wohnung: Ein Bentley Mulsanne ist nicht unter 300 000 Euro zu haben, ein Mercedes der S-Klasse beginnt bei rund 130 000 Euro. „Über die Jahre hat sich Vertrauen aufgebaut“, erzählt Amin. Nur einmal sei es vorgekommen, dass ein Gast seinen Autoschlüssel nicht hergeben und seinen silbernen Fort Mustang, Baujahr 1967, lieber selber einparken wollte: „Eine verpasste Gelegenheit“, sagt der Profi-Einparker bedauernd. Seit der gelernte Einzelhandelskaufmann 2010 das Sofitel verließ, um den Fahrdienst von Bekannten aus Paris zu übernehmen, arbeitet er für den Cercle Munster. Der Umgangston zwischen Personal und Gästen ist höflich distanziert, aber freundlich. Man kennt sich, Arroganz und ausfallendes Benehmen seien selten: „Je edler die Gäste, desto mehr Stil haben sie“, sagt Monsieur Amin.
Ein Auto hat etwas Intimes. Es sagt nicht nur etwas über den Geldbeutel seines Besitzers aus, sondern kann Persönliches, sogar Pikantes, aus dem eigenen Leben preisgeben. Wenn ein Gast so betrunken ist, dass er sein Fahrzeug nicht mehr fahren kann, raten ihm Amin und sein Kollege, in Absprache mit dem Chef des Cercle, zu einem Taxi. „Wenn jemand trotzdem fahren will, können wir ihn nicht aufhalten“, sagt Amin. Ob es notorische Sünder gibt, darüber schweigt er eisern. Auch beim selbständigen Wagendienst gilt die Regel: „Was im Hotel geschieht, bleibt im Hotel.“
Amin und sein Mitarbeiter kümmern sich darum, dass die Gäste ihr Fahrzeug in dem Zustand zurückbekommen, in dem sie es abgegeben haben. Für den Fall, dass wider Erwarten ein Unglück geschieht, hat seine Firma eine Versicherung. Ein kleiner Kratzer, eine Delle in der Felge kann teuer zu Buche schlagen: Eine Cragar-Mustang-Felge kostet um die 350 Euro, eine Felge für einen Aston Martin DB9 Volante sogar rund 2 500 Euro. Um sich abzusichern, sind auf der Rückseite des Parkscheins in knappen Worten die Geschäftsbedingungen festgehalten. Für Schäden nach der Übergabe wird nicht gehaftet.
Waschen und Staubsaugen sind im Grundpreis von acht Euro nicht enthalten. Die meisten Gäste zahlen, ohne zu murren, oft gibt es ein üppiges Trinkgeld dazu: „Der Wagenmeister wird im Hotelfach am schlechtesten bezahlt wird. Dafür bekommen wir die höchsten Trinkgelder“, sagt Amin. Besser verdienten nur noch seine weiblichen Pendants. Doch Frauen als Voiturier sind selten, weil man da „gut Grenzen setzen können muss“, umschreibt der 33-Jährige mögliche Schwierigkeiten höflich. 200 Euro und mehr hat er für seinen Service als Trinkgeld schon erhalten: das letzte Mal von einer Kundin, die regelmäßig kommt. Wirklich reich wird Amin durch seine Arbeit nicht, doch um seinen Unterhalt sorgen muss er sich nicht. Nur krank werden darf er nicht, da er als Selbstständiger das volle Risiko trägt: „Zum Glück bin ich nie krank. Im Notfall springt mein Kollege ein“, sagt Amin selbstbewusst. Er hat nicht nur ein gepflegtes Äußeres, sondern wirkt zudem durchtrainiert. In drei Wochen möchte er heiraten. Wo und in welchem Fahrzeug es zur Feier geht, verrät Amin nicht. Diskretion ist eben alles.