Die kleine Zeitzeugin

Panik im Puppenhaus

d'Lëtzebuerger Land vom 07.03.2025

Das Monster kommt auf die Weltbühne gestampft, der Hauptdarsteller wird enthauptet, weil er hat versucht sich zu behaupten. Und dann findet ein großes Beben statt und obwohl Welt schon geimpft ist und den Abwehrzauber schon geübt hat, bekommt sie einen Riesenschreck, den sie Schock nennt. Sie wird übertrumpelt und die kleine niedliche Welt geht unter. Das kleine, schmucke Reservat, einst Europa genannt. Die schön polierten Kulissen, die Paläste von deren Balkonen noch echte König/innen wunken, die Opernhäuser, die Fußgänger- und Radfahr- und Industrie- und Palliativzonen, die gepflegten Windparks, die Universitäten, die, so ging die Sage, für alle da waren, die Sicherheitskonferenzen, die Friedhöfe mit ihren Jogger/innen, alles wackelt und verrutscht, und von überall her sind spitze Schreie hörbar und die Münder der Regierenden klaffen vor Entsetzen wie die Münder von Frischverstorbenen und ihre Augen auch. Denn wer hätte das gedacht?

So etwas? Dass es das geben könnte? Und das vom friend, vom best friend, der schlimmste Verrat überhaupt, best friend lässt dich sitzen stehen hängen, es gibt keine Freund/innen mehr. Wir sind Waisenkinder. Ganz allein, mutterseelenallein. Daddy ist dann mal weg, Daddy geht fremd, Daddy hat einen anderen, einen bad boy auch noch, den worst boy überhaupt, schauderschauder, so überströmt es den zivilisierten Menschen aus dem freundlichen Reservat. Transatlantis ist untergegangen.

Und die Aktien schießen nach oben, und Rheingold gleißt am Horizont, und nette Leute, die vom Frieden träumen lästern über den Planeten der Waffen, und andere nette Leute, die ebenfalls vom Frieden träumen, lästern über gefährliche Humanitäter. Und aus dem Maul des Monsters schlägt der Odem von Pestilenz, und der Papst legt sich ins Spital.

Und wir stehen da mit unseren Mozartkugeln, wo ist die Armbrust? Und ein großes Wehklagen hebt an und ein hektisches Gekrabbel im Ameisenhaufen, Gebrabbel auch. Alles brabbelt demokratisch durcheinander und ist durcheinander und alles redet aufeinander ein, dass wir jetzt gefälligst aufwachen und erwachsen werden, während wir uns die Augen reiben. Erwachsen werden, erwachsen werden, jetzt aber schnell. Gerade noch forever young, mit den friends, die an allem schuld waren, das war so entspannend. Eben war es noch schön. Eben war es noch Corona und Greta und all das Romantische, und die attraktiven Virologen saßen in den Talk Shows, jetzt haben vergrübelte Militärhistoriker/innen und Strateg/innen das Feld übernommen, das ein Schlachtfeld ist, und beim Aussprechen des Wortes Schlachtfeld zuckt niemand mehr zusammen, das geht schon alles wie geschmiert. Das geht schon routiniert. Die Chance auf einen Weltkrieg steht bei 80 Prozent, Quarkus Glanz findet das hoch. Aber man kann vielleicht noch was machen. Nur was?

Alle Europäer/innen sollen jetzt zusammenstehen wie ein Mann, wie ein Superman, supermotiviert, während in den Safes und Köpfen gekramt wird nach Zutaten für so einen Krieg, es fällt uns bestimmt noch was ein! Andererseits, mulmigmulmig, wie geht so ein Krieg eigentlich, gekriegt haben den ja immer die andern, Profis sind wir ja nicht mehr. Wir waren ja eher die Zuschauer/innen, wir hatten das ja hinter uns in unserer europäischen Erhabenheit. Aber je mehr die Expert/innen ihre Expertisen liefern und je lauter die Wir-schaffen-das-Stimmen werden, desto kleinlauter werden die Nachsätze. Vielleicht doch nicht. Vielleicht doch noch mal.

Vielleicht pilgert Starmer doch noch mal und Macron hofiert. Und Selenskyj  zieht sich schön an, er hat ja jetzt auch einen schönen Brief geschrieben.  En hätt sech jo och kennen zerguttstert undinn! Das haben unsere Kaffee- und Kuchen- und Küchenweisen ja schon professionell kommentiert, wie der geschundene Präsident eines geschundenen Landes seinen Kotau korrekt nach Knigge vor einem Tyrannen zu absolvieren hat. Weil Herr ist Herr und Max ist Max und Russland ist Russland und Amerika Amerika. Die Ukraine bloß die Ukraine. Die Ukraine ist bloß. Während Macron schon mal prophylaktisch seine Atomwaffen zückt. Atomsprengköpfe, 290.

Michèle Thoma
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