Letzten Freitag, halb 8, im Escher Ciné Belval: Paul Thiltges Distribution lädt ein zur Vorpremiere zweier Kurzfilme, die mit Unterstützung des Luxemburger Filmfonds gedreht werden konnten. Der große Saal füllt sich schnell. Es scheint ein interessiertes Publikum zu geben. Und eine Bestätigung dafür, dass es sich lohnt, seitens der öffentlichen Hand junge Filmemacher zu unterstützen. Genau das ist hier passiert. Denn ohne Hilfe des Filmfonds wären diese zwei Produktionen wahrscheinlich nie zustande gekommen. So jedoch bekamen Ben Andrews und Jeff Desom eine Chance, auf sich aufmerksam zu machen – und sie haben sie genutzt.
Schon der kleine Clip Morgenrot von Jeff Desom, der vor den eigentlichen Filmen gezeigt wurde, zeugt von hoher handwerklicher Qualität und großem Einfallsreichtum – und von Desoms Liebe zu den Anfängen der 7. Kunst. In merkwürdig altertümlichen Schwarz-weiß-Bildern schwebt die Kamera über die Häuserschluchten von New York und sieht einem Klavier beim freien Fall aus dem obersten Stock eines Wolkenkratzers zu – ein Kleinod zur betörenden Musik von Hauschka.
Doch jäh wird man aus dieser verträumten Szenerie herausgerissen. Ben Andrews Dawning führt in eine radikal andere Welt, einen anderen Erzählstil und eine Bilderwelt, die nichts von der Beschaulichkeit der Desom’schen Ästhetik hat. Es geht um vier junge Menschen unserer Zeit (Jules Werner, Tom Leick, Sonia Gleis und Fred Neuen), die sich die Nächte in Diskos um die Ohren schlagen und tagsüber versuchen, sich für den nächsten Abend in Form zu bringen.
An diesem Abend jedoch ist etwas fatal schiefgelaufen – man weiß nicht was, doch das Unheil hängt spätestens dann bedrohlich im Raum, als Marc (Jules Werner) morgens blutverschmiert in seinem Bett liegt. Erst kurz vorm Ende wird man wissen, was eigentlich passiert ist. Andrews spielt gekonnt mit den Spekulationen, die sich im Kopf des Betrachters auftun. Er hält sein Publikum lange hin, und baut so gezielt eine Spannung auf, die bis zum letzten Moment anhält. Er setzt dabei bewusst auf Gegensätze. Bei den Charakteren – Jules Werner hier phlegmatisch, sogar in Unruhe und Zorn, Tom Leick als dessen Freund hektisch und zappelig, der Inbegriff – bei der Musik, bei den Bildern. Laut und leise. Alles ist wohlkonstruiert, gut durchdacht. Ein wenig zu viel vielleicht, aber es ist klar, dass man als junger Künstler zeigen will, was man drauf hat.
Dawning ist ein aggressiver Film. Schrille Diskoszenen werden in schneller Abfolge in die Augen der Zuschauer geschossen – in bedrohliches Schwarz-Rot getaucht. Doch auch die Bilder vom „Morning after“ stechen, trotz vordergündiger Ruhe, ins Auge. Sie sind in ein Weiß getaucht, das in seiner Überhelle abstößt.
Ganz anders bei X on a Map. Desom setzt auf sanfte Töne. Sowohl in seiner Ästhetik als auch in der Dramaturgie seiner Geschichte. Hellblau in allen Schattierungen dominiert die Welt zweier junger Menschen, die in derselben Firma arbeiten. Er (Sean Biggerstaff) als Kartenzeichner, sie (Vicky Krieps) als Falterin. Wenn morgens Scharen von Mitarbeitern in graublauen Anzügen mit den ewiggleichen Hüten aus dem Lift in die Büros strömen, kann man sich das Ausmaß der Eintönigkeit in diesen Mauern nur allzu gut vorstellen. Er versucht sie zu verführen, indem er sie ins Archiv, seine Fluchtmöglichkeit aus dem grauen Alltag, lockt. Dort lagert ein alter Schwarz-weiß-Film über Columbus‘ erste Fahrt über den Atlantik. Und sogar in diesen wunderbar der Frühzeit des Kinos nachempfunden Szenen, schwächt er die Dramatik ab. Eben durch den Stilbruch, durch diesen Ausflug in vergangene Filmzeiten. Sogar die skurrilen Bilder der von Skorbut befallenen Matrosen wirken noch versöhnlich. Alles steuert auf ein Happy-end zu, ob es jedoch dazu kommt…?
X on a Map präsentiert sich so vielleicht ein wenig zu verspielt, doch auch das kann man dem jugendlichen Eifer anrechnen. Potenzial haben beide – Andrews wie Desom. Bitte weiter fördern!