Von seinem 21 Seiten dicken Schreiben an Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) hatte Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) erstmals Ende März bei einer lokalen Parteiveranstaltung in Rümelingen öffentlich geredet. Bis vor knapp zwei Wochen schwieg Schneider – weil er die Verhandlungen mit den Ministerkollegen nicht gefährden wollte. Da entfuhr ihm beim LSAP-Kongress in Strassen, dass er von Jean-Claude Juncker nicht einmal eine Eingangsbestätigung auf seinen Brief hin erhalten habe. Schneiders 21 Seiten, die dem Land vorliegen, sind anders als das 65-Punkte-Programm seines Vorgängers Jeannot Krecké kein Ideen-Rundumschlag. Das knappe Dutzend Vorschläge besteht aus gezielten Eingriffen in bestehende Prozeduren. Schneider fordert, die nationalen Aktivitätszonen aus der bestehenden Gesetzgebung zur Kommunalplanung und der städtischen Entwicklung auszuklammern und stattdessen ein Spezialgesetz anzufertigen, das den Anforderungen für die Planung von Gewerbegebieten entspreche. So könnten sie von der Auflage, eines Teilbebauungsplans (PAP) oder eines Flächennutzungsplans (POS) befreit werden. Geht es nach Schneider, sollen Bauprojekte von Allgemeininteresse künftig keine Baugenehmigung vom jeweiligen Bürgermeister mehr benötigen, um zu verhindern, dass sich Gemeinden „aus rein lokalen Ursachen“, der Durchführung von nationalen Infrastrukturprojekten auf ihrem Gelände widersetzen. Auch auf die Gefahr hin, die Gemeindeautonomie zu beschneiden.
„Le caractère d’utilité publique des grandes infrastructures comme la grande voirie, les voies ferrées, les ouvrages électriques, etc. est de nature à justifier une pareille dérogation.“ Aus den gleichen Ursachen müssen laut Schneider das Kommunalplanungsgesetz von 2004 und dessen Ausführungsbestimmungen überarbeitet werden, damit es die Kommunen nicht benutzen können, um in den als Grünzonen ausgewiesenen Gebieten den Bau von Infrastrukturprojekten zu verhindern. Der Sektorplan Schützenswerte Landschaften, der als Vorprojekt vorsieht, dass große zusammenhängende Landgebiete in ihrem „landschaftlichen Zusammenhang zu erhalten“ sind, hat laut Schneider einen „caractère superfétatoire“. Er „riskiere zur großen Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs“ zu werden. Dies weil die darin ausgewiesenen großen Landschaftsensembles nicht von neuen „linienförmigen Infrastruktureinrichtungen“ durchtrennt werden dürfen. „Was“, fragt Schneider, „passiert, wenn eine Stromleitung oder andere linienförmige Infrastruktur“ durch eine solche Zone führen soll, und meint, das Naturschutzgesetz reiche aus, um schützenswerte Gebiete zu erhalten. Dabei sieht Schneider auch mit besagtem Naturschutzgesetz Probleme, weil es dazu führe, dass auch innerhalb von Gebieten, die im Generalbebauungsplan (PAG) zur Bebauung ausgewiesen sind, eine Genehmigung vom Umweltminister gebraucht wird, je nachdem, wie nahe sich die Bauprojekte an einem Wasserlauf oder Waldgebiet befinden. Das hält Schneider für überflüssig, weil der Umweltminister ohnehin seine Zustimmung zum Generalbebauungsplan gibt, der die Gebiete als Bauland ausweist.
Außerdem solle das Naturschutzgesetz nur auf ausgewiesene Grünzonen angewendet werden, damit der Umweltminister nicht um eine Genehmigung gefragt werden muss, wenn in Nähe eines Bauprojektes innerhalb des Bauperimeters ein Biotop liegt. Schwierigkeiten sieht der Wirtschaftsminister auch bei den Ausführungsbestimmungen des Naturschutzgesetzes, welche die Schutzzonen festlegen. Die „europäischen“ Schutzgebiete, im Volksmund „Natura-2000-Gebiete“ genannt, seien erstens ohne vorherige öffentliche Befragung ausgewiesen worden, dies obwohl sie die Eigentumsrechte der Grundstückshalter einschränkten. Zweitens sei „in vielen Fällen festzustellen, dass die Zonen willkürlich festgelegt wurden. Man hat den Eindruck, die Zonen wurden eher festgelegt, um ein Maximum an Flächen zu füllen als aus wahrhaftigen Schutzgründen“. Drittens seien die dazugehörigen Karten dermaßen ungenau, dass es für Besitzer und Verwaltungen gleichermaßen unmöglich sei, festzustellen, welche Parzellen zu den Schutzgebieten gehörten. Viertens müsse das Gesetz dahingehend geändert werden, dass die „nationalen“ Schutzgebiete den Bau öffentlicher Infrastrukturen nicht ausschlössen. Ein fünftes Problem sieht Schneider mit den Umweltgenehmigungen, die nur zwei Jahre gültig und nicht verlängerbar sind. Bei Projekten, die Genehmigungen aus verschiedenen Verwaltungen brauchen, führe das zu Situationen, in denen eine Genehmigung bereits abgelaufen sei, bevor die anderen eintreffen, was außerdem zu Schwierigkeiten mit den Einspruchsfristen führe. In Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfungen (SUP) hält Schneider eine Gesetzesänderung für notwendig, damit diese bei großen Projekten nicht in den verschiedenen Planungsphasen wiederholt, sondern nur einmal durchgeführt werden müssen. Die Kommodo-Prozedur bleibe trotz Reform von 2011 immer noch „schwerfällig“ und viele Firmen seien dadurch gezwungen, in der Illegalität zu arbeiten. Darum schlägt Schneider eine weitere Reform vor, die auf einen Systemwechsel hinausläuft. Für landläufige Kommodos wünscht er ein Meldesystem. Anerkannte Sachverständige sollen im Nachhinein unter Aufsicht der Verwaltungen prüfen, ob die Auflagen und Normen erfüllt wurden.