Falls Raucher sich den Staatshaushaltsentwurf fürs nächste Jahr durchlesen, könnte Artikel 12 im Budgetgesetz sie freuen. Darin steht, der „gemeinsame Akzisensatz ad valorem“ auf Zigaretten werde von 45,84 Prozent auf 40,04 Prozent gesenkt. Eine Steuer ad valorem wird unmittelbar auf den Preis erhoben. Bei Zigaretten ist das ein gewichteter Durchschnitt der Ladenverkaufspreise. So dass durch die neue Reglung Zigaretten ab 1. Januar ein Stück billiger würden.
Bedenkt man, dass in Frankreich vor zwei Wochen beschlossen wurde, bis November 2020 die Tabakakzisen nach und nach so stark anzuheben, dass eine Packung Zigaretten dann bis zu zehn Euro kosten kann, und dass in Belgien die Zigarettenakzisen schon 2016 erhöht wurden und Anfang dieses Jahres ein weiteres Mal, dann macht Budgetgesetzartikel 12 einen erstaunlichen Eindruck.
Ein Sprecher des Finanzministeriums beruhigt jedoch: Die Senkung des „gemeinsamen“ Akzisensatzes werde durch eine im selben Umfang erhöhte „autonome“ Akzise ausgeglichen. Die Zigarettenpreise bleiben also, wie sie sind.
Dass das so nicht im Budgetgesetzentwurf steht, liegt daran, dass Luxemburg und Belgien die Akzisensenkung gemeinsam vornehmen. Die 1922 beschlossene belgisch-luxemburgische Wirtschaftsunion (UEBL) ist auch eine Akzisenunion. Auf ihrer Grundlage erheben beide Länder jeweils gleich hohe Verbrauchssteuern auf Tabakwaren, Mineralölprodukte und alkoholische Getränke. Darüberhinaus wendet jedes Land noch eigene, autonome Akzisen an – oder auch nicht. Zur Änderung einer autonomen Tabakakzise genügt eine Verordnung, die der Finanzminister herausbringen muss. Die fiskalische Übung mit Belgien dagegen muss per Gesetz verabschiedet werden, und deshalb ist sie im Haushaltsgesetzentwurf verankert.
Damit könnte es der Erklärungen schon genug sein. Doch interessanterweise senken Luxemburg und Belgien den gemeinsamen Steuersatz auf Zigaretten, obwohl keine der beiden Regierungen sie verbilligen will. In Belgien wird sogar diskutiert, die Zigarettenbesteuerung 2018 und 2019 noch weiter verschärfen. In Luxemburg soll die Senkung zumindest auf Null kompensiert werden. Und: Der gemeinsame Steuersatz sinkt ab 1. Januar auf Wunsch Bel-
giens. Land-Informationen nach besteht dieser Wunsch schon seit ein paar Jahren, Luxemburg ist jedoch erst jetzt bereit, mitzuziehen.
Warum? – Vom Finanzministerium ist dazu nur zu erfahren, die belgische Regierung habe „erst jetzt offiziell“ um die Senkung des gemeinsamen Steuersatzes gebeten. So dass man nicht sagen könne, Luxemburg habe sich bisher quergelegt. Das Ministerium teilt auch mit, die Akzisenlage ab 1. Januar werde keine Auswirkungen zuungunsten Luxemburgs auf die Umverteilung der Einnahmen aus dem Topf der UEBL haben. Prinzipiell wären solche Auswirkungen möglich: Da sämtliche Verbrauchsteuern, die beide Länder gemeinsam erheben – ob auf Diesel oder Benzin, auf Alkoholika oder auf Zigaretten, Zigarren und Rolltabak –, gesammelt und später umverteilt werden, steht zwangsläufig weniger zur Umverteilung zur Verfügung, nachdem ein gemeinsamer Akzisensatz gesenkt wurde.
Im Staatshaushaltsentwurf für nächstes Jahr sieht es danach zumindest ein wenig aus: Für dieses Jahr wird damit gerechnet, dass Luxemburg 932,1 Millionen Euro in den Topf der UEBL einzahlt und 882,1 Millionen zurückerhält. Nächstes Jahr sollen es jeweils acht Millionen Euro weniger sein, die gemeinsamen Einnahmen der UEBL also offenbar sinken. Doch schon 2019 – so ist es im Mehrjahres-Haushaltsentwurf geplant –, flössen aus Luxemburg 936,1 Millionen Euro an die UEBL und 891 Millionen von ihr zurück. Sofern nichts dazwischenkommt, ginge in den beiden Jahren danach die Entwicklung so weiter. 2021 nähme Luxemburg für die UEBL 961 Millionen Euro ein und erhielte 916 Millionen rückerstattet. Das wäre zwar weniger als die knapp eine Milliarde im Vorkrisen-Jahr 2007. Aber damals kassierte die Staatskasse an autonomen Luxemburger Akzisen nur 136,6 Millionen Euro auf Mineralölprodukte, während es 2021 fast 50 Millionen mehr sein sollen. Die autonomen Zigaretten-Akzisen wiederum trügen mit 169 Millionen Euro 2021 zweieinhalb Mal mehr ein als 2007.
Was Finanzminister Pierre Gramegna (DP) und seine Kolleginnen und Kollegen in der Regierung da geplant haben, erweckt nicht gerade den Anschein, als stecke darin ein Ansatz „weg vom Spritexport“ und damit auch „weg vom Tankstellengeschäft“. Sich in diese Richtung zu begeben, hatte der vor einem Jahr von Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) vorgestellte Bericht des Kölner Finanzwissenschaftlers Dieter Ewringmann geraten. Nicht zuletzt, weil Luxemburg zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens im Rahmen der EU-Lastenteilung seine Treib-
hausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent reduzieren soll: Das wäre eine doppelt so große Anstrengung wie die minus 20 Prozent, die bis 2020 erreicht werden müssen. Ihr nachzukommen, wäre kaum zu haben ohne Drehen an der Akzisenschraube, vor allem beim besonders niedrig besteuerten Diesel. Doch das Tankstellengeschäft ist ein „Paket-Geschäft“. Luxemburg hält durch niedrige autonome Akzisen im Vergleich zum nahen Ausland nicht nur Kraftstoffe preiswert, sondern auch Tabak. Außerdem alkoholische Getränke, auf die mitunter nur eine UEBL-Akzise erhoben wird und keine autonome Luxemburger Steuer.
Und das Finanzministerium bestätigt, dass in den Planungen der ziemlich hohen Einnahmen auf Zigaretten für die Staatskasse, die laut Mehrjahreshaushalt zwischen 2017 und 2021 um 63 Prozent zulegen sollen, wachsender Tabaktourismus antizipiert wird. Wenngleich nicht nur, die Entwicklung der Einwohnerwahl zum Beispiel sei in den Simulationen ebenfalls berücksichtigt. Aber steigen die Preise pro Zigarettenpackung in Frankreich allmählich bis auf zehn Euro, werden Einkäufe im billigeren Ausland natürlich attraktiver. Für Belgien gilt das auch: Schon als die Regierung in Brüssel zum 1. Januar 2016 die Zigarettenbesteuerung ein erstes Mal verschärft hatte, nahm der belgische Fiskus bis Ende vergangenen Jahres 151 Millionen Euro weniger aus Akzisen ein als geplant. Der Zigarettenherstellerverband Cimabel erklärte, das sei kein Wunder, denn belgische Raucher könnten sich leicht im Ausland eindecken. Täten sie das, dann „vor allem in Luxemburg“.
Da die belgische Regierung dieses Jahr eine zweite Akzisenerhöhung vorgenommen hat und weitere im Gespräch sind, kann man sich durchaus die Frage stellen, ob Luxemburg dem Nachbarland nicht nur als traditioneller Akzisen-Nettozahler über den UEBL-Topf mit jährlich 40 bis 50 Millionen Euro beistehen, sondern seine Zigarettensteuern ebenfalls deutlich erhöhen sollte. Ungesund ist Rauchen immerhin auch. Die Menge der hierzulande verkauften Zigaretten – zwei Drittel davon an Tankstellen – ist mit drei Milliarden jährlich so groß, als würde jeder der knapp 600 000 Einwohner an jedem Tag eines Jahres 13 Zigaretten rauchen. Da in Wirklichkeit nur ein Fünftel der über 14-jährigen Bevölkerung raucht, kann man sich ungefähr vorstellen, dass ein großer Teil der Ware grenzüberschreitend verkauft wird.
Zum letzten Mal angehoben wurde die Luxemburger Zigarettenbesteuerung zum 1. Februar dieses Jahres – in genau jenem Umfang, um den sie zum 1. Februar 2015 für zwei Jahre gesenkt worden war, um die Wirkung der damals in Kraft getretenen Mehrwertsteuererhöhung abzuschwächen. Seit Februar liegt die Gesamt-Akzisenbelastung bei 123,77 Euro auf 1 000 Zigaretten. Das ist nicht weit weg vom Minimum von 115 Euro, das die EU-Tabaksteuerrichtlinie vorschreibt. Die Regierung hat darüberhinaus noch festgelegt, unter 116 Euro dürfe die Gesamt-Akzisenlast auf Zigaretten hierzulande keinesfalls sinken. So nah am EU-Minimum operiert Luxemburg nicht mal mit seinen Dieselakzisen.
Zumindest zurzeit jedoch sieht es nicht so aus, als könnten die Zigarettensteuern demnächst noch über die gemeinsam mit Bel-
gien vereinbarte Anpassung hinaus geändert und regelrecht erhöht werden. Vom Finanzministerium heißt es, Pläne in diese Richtung gebe es für 2018 nicht. Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) lässt auf die Frage, ob, was in Frankreich und Belgien beschlossen wurde, um der öffentlichen Gesundheit willen nicht nachahmenswert sei, durch ihre Sprecherin ausrichten, auch in Luxemburg würden die Zigarettensteuern „stetig in die Höhe gehen“. Wann das wieder so sein sollte, ist dagegen nicht zu erfahren, nur noch, dass mit dem Finanzminister vereinbart sei, dass er seine Kollegin aus dem Gesundheitsressort „vor jeder Akzisenentscheidung informiert“. Die Entscheidung ist demnach in erster Linie eine fiskalische, keine gesundheitspolitische.
Unverständlich ist das nicht. Die Akziseneinnahmen aus dem Tankstellengeschäft sind nicht so einfach verzichtbar. Dieses Jahr sollen der Staatskasse insgesamt 1,16 Milliarden Euro aus Akzisen zufließen. 2021 sollen es 1,27 Milliarden sein. In dieser Größenordnung hatten die Einnahmen auch in den letzten 15 Jahren gelegen, und da Luxemburg noch den Wegfall der Mehrwertsteuereinnahmen aus dem elektronischen Handel wegstecken muss, ist eine ganz neue Akzisenpolitik nicht leicht zu definieren.
Zumal auch die Politik der Nachbarländer eine Wirkung hat. Zu vermuten ist, dass die Zigarettenakzisen in Luxemburg angehoben werden könnten, sobald in Deutschland eine neue Regierungskoalition steht und festgelegt hat, wie sie es mit den Tabaksteuern zu halten gedenkt. Im Unterschied zu Frankreich und Belgien wurden sie in Deutschland schon seit Jahren nicht mehr angetastet – aus Furcht, ostdeutsche Raucher könnten sich massiv in Polen und Tschechien eindecken. Dass die Ladenpreise pro Zigarettenpackung in Deutschland, je nach Sorte, bisweilen nicht einmal mehr zehn Prozent über denen in Luxemburg liegen, war 2015 der Grund gewesen, die Akzisen hierzulande zeitweilig zurückzufahren, nachdem die TVA erhöht worden war. Das Finanzministerium hatte damals geschätzt, ohne diesen Kniff, den die EU-Tabaksteuerrichtlinie ausdrücklich gestattet, könnten der Staatskasse 50 Millionen Euro an Akzisen von deutschen Kunden verloren gehen und für diese das ganze „Paket“ aus Waren an Luxemburger Tankstellen nicht mehr interessant genug sein. Nicht einmal der besonders günstige Kaffee: Dass es in Luxemburg keine Kaffeesteuer gibt, spricht besonders Kunden aus Deutschland an, wo ein Kilo Röstkaffee mit 2,19 Euro besteuert wird.
Bleibt nur noch darauf zurückzukommen, dass auf belgischen Wunsch ein gemeinsamer Steuersatz auf Zigaretten zum 1. Januar sinken soll, obwohl im Nachbarland Tabakwaren immer teurer werden sollen. Das Besondere an Tabaksteuern ist, dass die EU dafür zwei Steuerarten vorschreibt: Neben der Akzise ad valorem auf den gewichteten Durchschnitt der Ladenverkaufspreise wird eine weitere Akzise auf die Menge erhoben; bei Zigaretten auf 1 000 Stück. So dass in Luxemburg und Belgien vier Steuersätze gelten: je ein gemeinsamer UEBL-Satz auf Preis und Menge plus je ein autonomer Satz der Länder auf beide Kategorien.
Tendenziell sind beide UEBL-Partner schon seit längerem dabei, die Zigarettenakzisen weniger von der Preisentwicklung abhängig zu machen, weil die nun mal volatil ist, und im Gegenzug die Mengensteuer anzuheben. Die derzeitige belgische Regierung versucht das besonders konsequent und hat sich diesen „Switch“ sogar 2014 in ihrem Koalitionsabkommen vorgenommen.
Tritt am kommenden 1. Januar die jüngste Akzisen-Abmachung mit Luxemburg in Kraft, liegen auf in Belgien verkauften Zigaretten dann insgesamt 40,04 Prozent Preissteuern, während in Luxemburg wie bisher 46,65 Prozent gelten. Die autonome Akzise ad valorem auf Zigaretten wurde in Belgien schon vor ein paar Jahren auf null gesenkt, in Luxemburg dagegen steigt der autonome Satz ad valorem von bisher 0,81 Prozent auf 6,61 Prozent. Man kann sich fragen, weshalb Luxemburg nicht, wie Belgien, ebenfalls die Akzise auf den Preis noch weiter senkt und die auf die Menge erhöht. Eine unverändert hohe Gesamt-Akzisenbelast ließe sich auch auf diese Weise erreichen. Vom Finanzministe-
rium ist darauf keine Antwort zu erhalten. Klar ist aber, dass ein „Switch“ zwischen beiden Steuerformen Einfluss auf den Markt hätte: Sinkt die Akzisenbelastung auf dem Preis und steigt die auf der Menge, würde das preiswertere Sorten besonders treffen.
In Belgien ist das ein Politikansatz: „Billig-Zigaretten“ seien womöglich noch gesundheitsschädlicher als teurere und erleichterten gerade Jugendlichen den Einstig ins Rauchen. So eine Debatte wurde in Luxemburg noch nie geführt; fest steht aber, dass der einzige Luxemburger Zigarettenproduzent zwar kein Billiganbieter ist, aber die Preise der großen Konkurrenz stets ein wenig zu unterbieten versucht. Hierzulande keinen „Switch“ vorzunehmen, könnte ein Stück Protektionismus sein. Oder man will einfach den Markt nicht in Unruhe versetzen. Bis auf weiteres. Bis vielleicht die Anfang des Jahres eingesetzte Arbeitsgruppe zum Thema „Tankstellengeschäft“ unter Leitung des Finanzministers Schlussfolgerungen aus der Ewringmann-Studie und angesichts der neuen Klimaziele zieht. Aber ob das noch vor den Wahlen der Fall sein wird, ist nicht gesagt. Aus dem Finanzministerium ist lediglich zu erfahren, die Arbeitsgruppe bestehe und tage.