Achtung, jetzt wird’s albern: Nach dem Erfolg von Krass! hat Guy Rewenig mit Häwwi! ein weiteres Wörterbuch geschrieben, das den Sinn von Wörterbüchern auf den Kopf stellt, indem es das Verständnis der Wörter, die es zu erklären vorgibt, bereits beim Leser voraussetzt. Keine Panik vor Augenwischerei! Ein Wörterbuch im herkömmlichen Sinn will dieses Buch nämlich gar nicht sein. Der Untertitel des Bandes lautet: „Lëtzebuerger Leckzikon“. Es handelt sich also, man ahnt das gleich, um Jokus und Tollerei, um einen Spaß mit vorhandenen und erfundenen Regelhaftigkeiten der luxemburgischen Sprache. Da wissen auch die aus Prinzip Monoglotten auf Anhieb, dass sie sich nicht aus dem Sessel zu hieven brauchen, um in Internetforen boshafte Kommentare über eine unbotmäßige Verunzierung ihres Heimatidiömchens zu hinterlassen.
Dafür, dass das Luxemburgische als Sprache zwischen den Sprachen – zwischen Deutsch, Französisch und neuerdings Englisch – im Laufe seiner Verselbstständigung (Reizwort „moselfränkischer Dialekt“) allerlei kuriose Angewohnheiten angenommen hat, kann der Kompilator dieser sauber geordneten Wortsammlung selbstredend nichts. Er greift auf, was ohnehin herumliegt: die als Limpertsberger Einschlag ausgegebene dünkelhafte Verballhornung französischer Begriffe zum Beispiel, die aus einem Flugzeug ein „Awwio“ und aus schnöden Pfannkuchen mit Zucker „zopuddréiert Krääpen“ macht. Auch um Verschlimmbesserungen der Ausgangssprache („Eemuwwéiert, [...] Kléngt vill méi soffistikéiert wéi dat banalt franséischt ému.“) im gehobenen Alltagssprech aufzuspüren, braucht man eigentlich nur die Lauscher aufzustellen.
So entgeht überdies sogar den weniger Aufmerksamen kaum, dass sich das Luxemburgische mittlerweile weniger dem Französischen als dem Englischen zuwendet und vorgegaukeltes Raffinement vorzugsweise durch vorgegaukeltes internationales Flair ersetzt. Rewenig entfernt den letzten Zweifel an der Lächerlichkeit des Gebrauchs von unnötigen englischen Synonymen, indem er die englischen Begriffe in einer ungeschlachten phonetischen Schreibweise wiedergibt: Wer etwa sein ferienrelevantes Vokabular aufpeppen möchte, findet zwar unter „B“ den Strand („Biitsch“), muss aber unter „O“ nach „Olingklusiff“ suchen.
Mit dem gefundenen Fressen gibt sich Rewenig erwartungsgemäß nicht zufrieden. Er verwendet unterschiedliche Verfahren der Paraphrasierung, die die Worterklärungen regelmäßig in unvorhersehbare Richtungen lenken. Das „Fiitbäck“ umschreibt er zwar durchaus naheliegend mit „Reaktioun, Réckmeldung“, die Beispielsätze driften jedoch in den metaphorischen Gebrauch ab („Wou bleift de Fiitbäck vu mengem neie Shampoing? Ech hunn nach ëmmer Schubber.“). Beim „Fitnesszenter“ nimmt Rewenig dann schon keinen Umweg über die konventionelle Bedeutung mehr: Es handele sich dabei um einen „Exhibitionistentempel“, sowie beim „Zärtiffika“ um einen „dekorativen Ziedel“. Umgekehrt verweigert Rewenig auch gern die Metapher, wo sie unausweichlich scheint. In dieser Logik wird aus dem „Böörnaut“ eine passende Bezeichnung für einen kaputten Herd („kucking mëschiin“).
Bei einer so großen, bereits vorhandenen linguistischen Albernheit und diesem natürlichen anarchischen Potential des Luxemburgischen fallen Rewenigs Quatschwörter, wie „Banditti“ („al Gaunerin“) oder „Bläischnëff“ („Preeskolär-Släng fir Bläistëft“) fast nicht auf.
Interessant wird das Wörterbuch zum einen, wenn Rewenig Neologismen und Worterklärungen auf seine üblichen Themen münzt. Die Kirche bekommt mit Neuschöpfungen wie „Hellegen Hoppeldënschdeg“ (für die Echternacher Springprozession) und „Klaapkabaischen“ (für den Beichtstuhl) ihr Fett weg. Aktuelle Politskandale finden über den „Spëtzelwecker“, die Floskel „nët näischt“ oder das Tätigkeitswort „junckeren“ („bluffen, droplass palaveren“ usw.) ihren Niederschlag.
Besonders hellhörig darf der Leser werden, wo tatsächlich existierende Begriffe in ihrer herkömmlichen Schreibweise auftauchen. Auf stumpfsinnige Patrioten hat es der Autor des „Lëtzebuerger Leckzikon“ dabei ganz besonders abgesehen. Daher wird aus „Heemechtsléift“ eine „Stéierung vun de soziale Reflexer“ und aus dem „Roude Léiw“ ein afrikanisches Tier, das in Luxemburg Asyl beantragt habe. Wenn Rewenig den Luxemburger als „Mënsch, deen zu Lëtzebuerg Steiere bezillt“ definiert, gibt er sich nicht nur als Kritiker, sondern auch als Idealist zu erkennen. Die allgemeine Weltoffenheit, Fortschrittlichkeit und Toleranz des Luxemburgers, die er in seinem Vorwort versuchshalber aus der Empfänglichkeit des Luxemburgischen für fremdsprachliche Einflüsse ableitet, bliebe in der Tat noch zu erweisen.