Bei einem kürzlichen Spaziergang in und um Osweiler fiel mir auf, wieviele schöne, gut erhaltene und geschmackvoll restaurierte Häuser in diesem bereits 698 als Oxinvillare (der Name ist im Brunnen in der Dorfmitte eingraviert) erwähnten Dorf der Gemeinde Rosport zu bewundern sind.
Umso interessanter war es, dann abends in dem schönen Buch von Christina Mayer über den Kanton Echternach mehr darüber zu sehen und zu lesen. Fast zwanzig Seiten sind darin der Ortschaft Osweiler gewidmet.
Dieser Katalog der erhaltenswerten Kulturgüter und Ensembles des Kantons Echternach, der im Rahmen der “Topographie der Baukultur des Großherzogtums Luxemburg” erschien, ist nicht nur billig (er kostet, wohl dank staatlicher Zugabe, nur 32 Euro), sondern auch eine wahre Freude für den interessierten Betrachter unserer Land- und Ortschaften. Man erfährt sehr viel Gescheites über den Kanton, seine Geschichte, den Zusammenhang zwischen Bau- und Kunstgeschichte und der Siedlungsgeschichte sowie der Topographie. Das hervorragende Lay-out und die vielen intelligent aufgemachten Abbildungen fördern die Lesbarkeit des wissenschaftlich fundierten und gründlich recherchierten Werkes.
Die Begeisterung über dieses Buch hat nicht nur mit Osweiler und dem Kanton Echternach zu tun. Sie wird auch durch die Bezeichnung „Band 1” hervorgerufen, die das Werk trägt. Dies wird von Kulturministerin Octavie Modert im Vorwort so erklärt: „Das nationale Denkmalamt, der ‚Service des sites et monuments nationaux‘, bereitet derzeit, zusammen mit den Gemeinden, ein landesweit flächendeckendes Inventar (der schützenswerten Objekte) vor (...).“
Das heißt, dass wohl eines Tages 12 Bände – für jeden Kanton einen „Katalog der erhaltenswerten Kulturgüter und Ensembles“ – zur Verfügung stehen werden. Eine beträchtliche Arbeit, wenn man bedenkt, wie lange dieser erste Band auf sich warten ließ.
Denn in den letzten zehn Jahren wurde das Vorhaben des öfteren erwähnt. Es geht von der Vorstellung aus, dass das Schützenswerte im geschichtlichen Kontext und im Zusammenhang mit der Landschaft und der Ortschaft, in denen es sich befindet, dargestellt und erklärt wird. Damit soll die Sensibilität der Besitzer sowie der staatlichen und kommunalen Autoritäten für den Erhalt der kulturellen Bau- und Kunstdenkmäler geschärft werden. Also anstatt mit der gesetzlichen Keule mit intelligenter Aufklärung und der Überzeugungskraft des Schönen den Denkmalschutz verbessern.
Doch zwischen dem (von vielen als einzig geltenden) Recht auf freie Verfügung des Privatbesitzes und dem Recht der Allgemeinheit auf Erhalt von Kulturgütern sind die Konflikte vorprogrammiert. Hinzu kommt, dass der Bevölkerungszuwachs den Druck auf die Gemeinden in den letzten Jahren massiv verstärkt hat. In vielen Ortschaften schießen neue Residenzen aus dem Boden, oft auf Kosten alter Bausubstanz. Dort wo die Bebauungspläne es erlauben, zertrümmert die Abrissbirne mal auch schöne und für das Ortsbild wichtige Bauten. In der Hauptstadt stammt der Bebauungsplan aus dem Jahr 1992. Inzwischen hat sich, wie Bürgermeister Helminger zugeben musste, die Sensibilität für bestehende Bausubstanz entwickelt. Die Aufregung um den Abriss eines schönen Hauses in der rue Glesener hat sich noch nicht gelegt. Wohl hat der Gemeinderat vor kurzem fünf Jugendstil-Häuser in der avenue Pasteur mit Hilfe des Service des sites et monuments sozusagen in letzter Minute gerettet. Aber in der Hauptstadt selbst sind zentrale Objekte des Stadtbildes, wie zum Beispiel das Ensemble um die Kathedrale, das Vereinshaus, den Knuedler nicht denkmalgeschützt. Was der Gemeinde erlaubt, mit der lauwarmen Zusage zweier Unesco-Experten einen drastischen Eingriff im Herzen der Stadt vorzunehmen.
Das Denkmalamt ist die zentrale Instanz für den Denkmalschutz in Luxemburg. Laut Angaben im parlamentarischen Kulturausschuss im März 2009 sind 930 Objekte geschützt. 650 Objekte enthält das zusätzliche Inventar. Im Laufe eines Jahres durchlaufen etwa 60 Objekte die Prozedur. Aber auch die Denkmalschutzautorität sieht nicht alles, was im Land geschieht. Und solange das Inventar nicht besteht, kann über die Bausubstanz beliebig und mit gutem Gewissen entschieden werden.
Von Fachleuten war der Vorschlag gekommen, alle Bauten, die vor 1950 entstanden sind, unter die Bedingungen des „Inventaire supplémentaire“ zu stellen. Damit würde verhindert werden, dass interessante Bauten aus Unwissenheit oder absichtlich verschwinden, da Änderungen an solchen Gebäuden dem Amt wenigstens gemeldet werden müssten. Vor dem Aufschrei gegen solche „Bevormundung“ wurde der Vorschlag von der Politik schnell fallengelassen.
Nun ist der Denkmalschutz heute durch ein Gesetz von 1983 geregelt, das immerhin über ein Vierteljahrhundert alt ist. Inzwischen hat sich die Wahrnehmung des Schützenswerten rasant entwickelt. Nicht nur sehr alte Kirchen, Klöster, Schlösser, Stadtmauern sind als „Denkmäler“ relevant, auch Privathäuser aller Stilarten bis in die Gegenwart - Bauern-, Arbeiter-, Bürgerhäuser; Werkstätten, Industriegebäude, Sportstätten, Friedhöfe, ganze Strassenzüge, historisch gewachsene Plätze, Brücken sind es ebenso.
Um das bestehende Gesetz an die Zeit anzupassen, wurde die Gesetzesvorlage 4715 am 17. Oktober 2000 deponiert.
Zwischen 2000 und 2009 gab es dazu drei Gutachten des Staatsrats, drei Besserungsantragsreihen des parlamentarischen Kulturausschusses, eine Reihe von Besserungsanträgen der Regierung. In 39 (!) Sitzungen des Ausschusses wurde mehr oder weniger lange darüber verhandelt, davon in drei gemeinsamen mit dem Innenausschuss, zwei Gutachten der Handelskammer und ein Gutachten des Mouvement écologique lagen vor. Auf Grund rechtlicher Bedenken, die am 10. März 2009 in allerletzter Minute vorgebracht wurden, war Schluss. Funkstille seither.
Nun schläft der Immobilienmarkt nicht, bis dass ein neues Gesetz steht. Die Gemeinden entwickeln sich weiter. Die Hoffnung, dass der Denkmalschutz flächendeckend systematisiert wird, beruht daher auf den Gemeinden und ihre Zusammenarbeit mit dem staatlichen Amt. Im August 2010, so sagt es das Gesetz vom 19. Juli 2004 über die Gestaltung der Gemeinden und die Stadtentwicklung, sollen die Bebauungspläne der Gemeinden erneuert werden. Dies wird sicher die Gelegenheit sein, die vielen Instrumente der Landesplanung in die gestaltende Wirklichkeit der Gemeinden einfließen zu lassen, wie zum Beispiel die sektoriellen Pläne, zu denen besonders jener über die zu schützenden Landschaften („grands ensembles paysagers“) gehört, aber auch die Vorhaben für städtische Ballungsgebiete („communautés urbaines“), die Grünpläne („plans verts“), die Umweltauflagen und schließlich der Denkmalschutz.
Letzteres wird schwierig sein, wenn kein Inventar wie jenes für den Kanton Echternach besteht. So bleibt nur zu hoffen, dass die Gemeinden schon mal selbst auf interessante Gebäude und Häuser aufpassen und sie in ihrem Plan vorbeugend schützen, besser mehr als weniger!