Nur ein kleiner Satz erinnert an den großen Streit bei der Tripartite vor einem Jahr. „Die Diskussionen zwischen den Sozialpartnern zum Thema Elternurlaub dauern an“, steht kurz und knapp im vor zwei Wochen vorgestellten 37-seitigen nationalen Reformprogramm. Auch ein möglicher Ausgang der Gespräche wird skizziert: Eine Lösung könnte sein, die aktuelle Regelung zu lockern, dass der neue Elternurlaub „besser auf die spezifischen Bedürfnisse von erwerbstätigen Männern und Frauen“ einginge.
Das klingt nach einer raschen Einigung in einer heiklen Angelegenheit: Als der CSV-Finanzinister Luc Frieden im April vergangenen Jahres angekündigt hatte, den Elternurlaub von sechs Monate auf vielleicht vier Monate zu kürzen, hatten die Gewerkschaften lautstark protestiert. Einen Monat zuvor hatte das Europäische Parlament eine Nachbesserung der Rahmenrichtlinie von 1992 zum Elternurlaub verabschiedet. Nach zähem Ringen einigten sich die Straßburger Parlamentarier darauf, trotz Wirtschaftskrise, den europäischen Elternurlaub auf vier Monate auszudehnen, wobei ein Monat nicht auf den anderen Partner übertragbar ist. Damit sollen Väter ermuntert werden, Erziehungsarbeit zu leisten.
Ein Kompromiss ganz im Sinne des Luxemburger Finanzministers, der mit Einsparungen um die 20 Millionen Euro rechnet, sollte diese Reform auch in Luxemburg Wirklichkeit werden (d’Land vom 23.04.10). In Luxemburg gilt derzeit ein sechsmonatiger Elternurlaub, von dem drei Monate am Stück genommen werden müssen. Er kann bei Bedarf auch als einjähriger Teilzeit-Elternurlaub erfolgen.
Kritik am Elternurlaub kam von der Arbeitgeberseite – und von den Liberalen. Lange vor Frieden, im Juni 2007, hatte die DP mit ihrer Forderung, den Elterurlaub auf drei Monate zu kürzen, noch für Proteste aus den Regierungsreihen gesorgt. Die Familienministerin Marie-Josée Jacobs wehrte dies als „gewaltigen Rückschlag“ ab. Fast genau ein Jahr später, im Juni vergangenen Jahres, wiederholte die DP ihre Forderung nach einer „Flexibilisierung“. Die Reaktion des sozialistischen Arbeitsministers Nicolas Schmit fiel verhalten aus: „De Congé parental, deen ass assuréiert, dat garantéiren ech Iech.“ Da hatte sich in Brüssel der neue Kompromiss durchgesetzt – und in Luxemburg die Erkenntnis, dass entgegen politischer Absichtserklärungen mit der Maßnahme nicht mehr Arbeitsstellen geschaffen wurden und trotz Unübertragbarkeit nur rund 24 Prozent der Väter den Elternurlaub in Anspruch nehmen. Eine genaue Auswertung will die Regierung 2012 vorlegen.
Egal, wie diese ausfällt, es sieht so aus, als könnten die Liberalen doch Recht behalten und könnte die Kürzung schon bald kommen. Unterstützung gibt es vom Comité du travail féminin (CTF). Das Gremium, in dem Gewerkschaften, Arbeitgebervertreter, Ministerium und Frauenorganisationen als Quadripartite zusammen beratschlagen, hat auf eigene Faust Verbesserungsvorschläge zum Elternurlaub vorgelegt (offenbar denkt nach mehr als 25 Jahre Bestehen des CTF noch immer niemand in der Regierung daran, ihn bei wichtigen Fragen zu konsultieren). In seinem noch unveröffentlichten Gutachten, das neben dem Chancengleichheitsministe-rium auch dem Land vorliegt, stellt es ausdrücklich fest, eine „réduction pure et simple“ des Elternurlaubs komme nicht in Frage. Schließlich handele es sich bei der Richtlinie um Mindeststandards. Länder, die darüber hinaus bessere Kondi-tionen anbieten, sollen diese nicht einfach zurückschrauben. So will die Europäische Union Sozialdumping verhindern.
Vielmehr, so argumentiert das Komitee, müsse eine Kürzung, sollte sie politisch gewollt sein, mit ausgleichenden Maßnahmen abgefedert werden. Anders ausgedrückt: Das Komitee kann sich mit einem gekürzten Elternurlaub anfreunden – aber nur, wenn dieser durch ein neues Entgeltsystem ergänzt würde. Bisher bekommt eine Mutter oder ein Vater, die ihr Kind (bis fünf Jahre alt) während sechs Monaten daheim erziehen will, pauschal 1 778,31 Euro monatlich vom Staat, unabhängig davon, was sie oder er in seinem regulären Beruf verdient. Das Komitee schlägt nun eine proportionale Entschädigung vor, ähnlich wie es sie in Norwegen gibt. Dort haben Mutter oder Vater jeweils Anspruch auf 46 Wochen Elternzeit mit vollem Entgelt, wenn sie oder er sich nach der Geburt um das Kind kümmert. Alternativ kann ein Elternteil 56 Wochen Elternzeit wählen und bekommt dann vier Fünftel des vorigen Verdienstes.
Insbesondere um das Ziel zu erreichen, Väter für die Erziehungsarbeit zu gewinnen, kann sich das Komitee eine Kürzung vorstellen. Wobei Eltern die vier Monate dann flexibler nehmen können sollen, mittels Zeitkonten beispielsweise. Die Unübertragbarkeit müsse aber bleiben. Bei einer proportionalen Regelung müsse es zudem einen Mindest- und einen Höchstbetrag geben. So sollte der neue Elternurlaub mindestens mit dem Mindesteinkommen, 1 757,56 Euro monatlich pro Person, und maximal bis 2,5 Mal den Mindestlohn, also rund 4 395 Euro im Monat, vergütet werden. Das könnte ein Anreiz für Eltern mit höherem Einkommen sein, die derzeit eher nicht für die Erziehungsauszeit zu gewinnen sind, meint das Komitee.
Ob das als Lockvogel ausreicht, sei dahin gestellt: In Norwegen liegt der Höchstbetrag für Eltern, die ihr Kind daheim erziehen wollen, beim Sechsfachen des Mindestlohns – das sind etwa 50 000 Euro. Dort nehmen rund 90 Prozent der Väter ihren Teil des Elternurlaubs wahr.