In einem Unicafé in London stellt ein Student seinen leeren Becher am Zuckerstand ab, an dem andere Studenten ihren gerade gekauften Kaffe verfeinern. Er füllt ihn mit Milch, nimmt anschließend den gelöcherten Metall-Deckel des Kakaostreuers ab und schüttet reichlich braunes Puder in die Milch. Nach kurzem Umrühren ist der kostenlose Kakao fertig. Die Studenten, die am Kaffeestand Schlange stehen und auf ihr bezahltes Getränk warten, scheinen nicht sonderlich über das Handeln des Studenten erstaunt zu sein. Schließlich gehört Sparen auch zu ihrem täglichen Leben, vor allem in einem Land, in dem Universitäten für ihre horrende Einschreibegebühren bekannt sind.
Ein Bachelordiplom, das sich über drei Jahre zieht, kostet in Großbritannien bis zu 4 000 Pfund jährlich, für Masterabschlüsse muss man bis zu 19 000 Pfund hinblättern. Wie diese Kosten finanziert werden, bleibt jedem einzelnen Studenten überlassen, der Betrag muss jedenfalls an vielen Universitäten am ersten Tag gänzlich bezahlt werden.
Als Luxemburger hat man bekanntlich die Möglichkeit, eine Studienbeihilfe beim Staat anzufragen (dies hängt vom Einkommen der Eltern und anderen Faktoren ab). Bevor man diese Beihilfe gewährt bekommt, muss jedoch ein Beleg der Universität eingereicht werden. Die Gebühren müssen also mit dem eigenen Geld bezahlt werden.
Was macht man, wenn eine mehrstellige, negative Zahl auf dem Kontoauszug klafft, die Studienhilfe wohl erst in einigen Monaten eintreffen wird und ein Teilzeitjob noch in der neuen Stadt gefunden werden muss? Man wiederholt sich, dass es sich lohnt, für die gewünschte Bildung eine Riesenmenge Geld auszugeben, erwähnt dasselbe auch noch einmal den Eltern im Telefongespräch und kauft Tiefkühlgemüse zu herabgesetztem Preis in übergroßen Packungen.
Natürlich weiß ein Student, der in England studiert, auf was er sich einlässt. Ist man an einer Universität angenommen, heißt es, jobben und sparen. Die Lebenshaltungskosten in London – einer der teuersten Städte in Europa – sind beachtlich. Studenten, die in London nicht all zu weit weg von Universitäten leben wollen, müssen auch in einer Wohngemeinschaft mit einer Miete von 400 bis 600 Pfund rechnen. Um unnötige Kosten zu vermeiden, sollte man die Wechselkurse immer im Auge behalten. Eine Miete von 600 Pfund kann so schon mal 800 Euro kosten. Überweisungen sind demnach sinnvoller, wenn das Pfund niedrig ist.
Studien haben bewiesen, dass Menschen generell am liebsten am Essen sparen. Doch man kann auch mit wenig Geld gesund essen. Bio-Produkte sind in London angesagt und viel erschwinglicher als in Luxemburg. Große Supermarktketten haben zum Beispiel ihre eigene Bio-Produktreihe, die nicht unbedingt teurer ist als konventionelle Produkte anderer Marken. Wer sich nicht gerne ihn riesigen Einkaufshallen verläuft und es vielleicht sogar vorzieht, nur saisonübliche Früchte und Gemüse zu kaufen, kann sich wöchentlich eine Kiste Grünes von einer Bio-Farm außerhalb der Hauptstadt liefern lassen. Eine große Kiste mit frischem Gemüse kostet rund 17 Pfund und reicht für mehr als vier Personen pro Woche. Dies ist somit ein sehr gesundes Schnäppchen, das vor allem in Wohngemeinschaften Sinn macht (außerdem riecht man in London selten frische Erde).
Restaurants gibt es in London unzählige, und Studenten wissen, wo es die besten Deals gibt. So gibt es zum Beispiel im angesagten Viertel Hackney im Nordosten der Stadt eine Straße, in der thailändische Restaurants die Kundschaft ermutigen, eigene Getränke mitzubringen. „Bring your own Booze“ (Bring deinen eigenen Suff) nennt sich das Konzept, das auch an Wochentagen für lange Warteschlangen vor den Restaurants sorgt. Märkte bieten nicht nur preiswerte Lebensmittel, sondern auch diverse Imbissstände. So kann man auf dem Brixton-Market zum Beispiel karibische und lateinamerikanische Küche zu niedrigen Preisen genießen, im Sunday Up Market in der bekannten Brick Lane werden an Sonntagen Spezialitäten aus aller Welt gekocht. Argentinisches Steak, brasilianische Würste, äthiopische Wraps, Tibetanische Knödel und viele andere Mahlzeiten werden hier für Preise zwischen drei und fünf Pfund angeboten: Preise, die für solche Delikatessen in Luxemburg undenkbar sind.
Alkohol ist in England mehr als salonfähig. Obwohl Alkoholpreise in Pubs ziemlich hoch sind, legen die Supermärkte großen Wert darauf, dass jeder sich seinen Kater leisten kann. Bei den Angeboten ist man allerdings erst einmal sprachlos: einen halben Liter Bier kann man für 50 Pence kaufen (zwei Liter Cider sind für 1,30 Pfund zu haben). Kein Wunder also, dass Hauspartys sehr angesagt sind.
Wer billig in London ausgehen will, muss sich informieren. Kinotickets in London kosten zum Beispiel bis zu zehn Pfund, es macht also Sinn, den Studentenausweis immer mit sich zu tragen. Doch auch hier gibt es billigere Alternativen: Im Coronet, einem ehemaligen viktorianischen Theater in Notting Hill, können sich Studenten an Montagen Filme für nur 4,50 Pfund ansehen, das Prince Charles Cinema zeigt am gleichen Tag zwei Kultfilme für 12 Pfund. Filme werden auch manchmal in Universitäten gezeigt. Banksy bot so am Anfang des Jahres Studenten des London College of Communication eine Premierevorstellung seines Films in einem Auditorium der Universität.
Auch auf Theater muss man als Student nicht verzichten. Das National Theatre bietet Stehplätze für fünf Pfund an, das Royal Court Theatre bietet eine Stunde vor Beginn der Stücke acht Plätze für jeweils zehn Pence an. Clubs und Pubs, die Eintritt verlangen, verteilen oft in der Nacht zuvor Flyer, mit denen man zu reduziertem Preis oder sogar kostenlos eingelassen wird. Webseiten, wie Time Out, bieten ebenfalls ausdruckbare Gutscheine für Ausstellungen, Restaurants und Events. Der Eintritt für Dauerausstellungen in Londons beeindruckenden Museen ist generell kostenlos, das Angebot ist überwältigend.
Die beste Indiemusik kann man in den Shops des bekannten Rough Trade Plattenlabel nicht nur kaufen, sondern auch live und kostenlos miterleben. Man muss sich nur morgens für das jeweilige In-Store-Konzert im Shop ein Armband holen. Bands wie Yo La Tengo, The Kills oder Of Montreal können so in einem ungewohnten Ambiente genossen werden. Diese spontanen Konzerte werden oft nicht auf den Webseiten der Bands angekündigt, es gilt also wieder einmal, nach Flyer und Plakaten Ausschau zu halten und sich auf Newsletter zu abonnieren. Neuerdings bietet der Rough Trade Shop in Bricklane an Sonntagen sogar kostenloses Bowling. Bücher können natürlich in den universitätseigenen Bibliotheken ausgeliehen werden. Studenten der University of the Arts London können sich zum Beispiel auch Comics, Filme und Hörspiele ausleihen. So kann man sich neben Kursusbüchern auch mal zum Entspannen die Godfather-Trilogie mitnehmen.
Armbänder, Flyer, Stehplätze und Online-Tickets sind also die Freunde des Studenten. Da in London sich die wenigsten ein luxuriöses Leben leisten können, sprechen sich Sparmöglichkeiten in Freundeskreisen schnell herum. So erhält man zum Beispiel von einem Freund die Telefonnummer einer freischaffenden Friseurin, die einem die Haare zu Hause und für nur 15 Pfund schneidet, oder man lässt seine Hausarbeiten und Projekte in dem Copyshop binden, wo eine Freundin arbeitet und freundschaftlichen Rabatt erteilen kann.
Dieser Sparsinn wird schnell zum Instinkt, der in London wohl auch noch nach den Studien relevant ist. Letzten Meldungen zufolge ist die Arbeitslosenzahl zu einem fünfzehnjährigen Rekord angestiegen, und viele Studenten, die im letzten September ihre Studien absolviert haben, suchen noch immer nach Jobs. Leben tun sie demnach noch immer wie Studenten, nur ohne Studentenausweis.