Vor drei Wochen beschloss die CSV/LSAP-Koalition, ihre wegen einer Fortsetzung der Indexmanipulation schwelende Regierungskrise auf den Herbst zu vertagen. Dann erklärte Premier Jean-Claude Juncker in seiner Erklärung zur Lage der Nation, dass er während der Tripartite-Verhandlungen zwei Vorschläge zur Manipulation des Indexes gemacht hatte: die „strukturelle“ Entfernung der Erdöl-, Alkohol- und Tabakpreise aus dem Index-Warenkorb und die „krisenkonjunkturelle“ Berechnung jeder Index-Tranche auf höchstens den doppelten Mindestlohn. Beide Ideen sind nicht ganz neu.
Um Erdöl-, Tabak- und Alkoholpreise nach dem Vorbild des 1994 in Belgien eingeführten „Gezondheidsindex“ aus der Liste der Waren zu streichen, mit deren Preisentwicklung jeden Monat die Teuerung errechnet wird, hatte der Premier eine einleuchtende Begründung: Dem „Metzler op der Cap“ – gemeint kann nur die Boucherie-charcuterie Paul Faber-Lopez in der Route d’Arlon in Capellen sein – sei nicht zuzumuten, dass er seinem Personal höhere Löhne zahlen muss, wenn die Konjunktur anspringt, eine Ölplattform versinkt oder ein Krieg bei einem Erdölfeld ausbricht.
Diese Variante „bevorzugte“ der Premier, denn sie hat mehrere Vorteile: Sie lässt sich mit umweltschützerischen und gesundheitspolitischen Argumenten rechtfertigen, durch sie sparen alle Betriebe Lohnkosten, und diese Indexmanipulation wäre endgültig. Um seinen Vorschlag schmackhafter zu machen, hatte der Premier angeboten, nicht alle Erdölprodukte aus dem Index-Warenkorb zu entfernen, sondern, wie in Belgien, die Entwicklung der Heizölpreise weiterhin zu berücksichtigen. Immerhin sind schon die Spirituosenpreise aus dem Warenkorb gestrichen, ist die Gewichtung der Treibstoff- und Tabakpreise zwecks Ausklammerung des Tanktourismus drastisch gesenkt, so dass Luxemburg seit einem Jahrzehnt zwei Indizes unterhält, einen EU-weit harmonisierten und einen „nationalen“ Index für die Gehälter- und Rentenanpassungen.
Der „nationale“ Index ist seit Januar 2000 um durchschnittlich 2,5 Prozent im Jahr gestiegen, unter Ausschluss der Treibstoffpreise wären es 2,4 Prozent gewesen, die Entwicklung lief weitgehend parallel. Das heißt, dass ohne Benzin- und Dieselpreise die Indextranchen höchstens um einige Monate verzögert worden wären, ausgefallen wäre wohl keine. Bis Mitte des Jahrzehnts stieg der Index ohne Treibstoffpreise sogar schneller als derjenige mit; nur 2008 bewegten sich die beiden Indizes vorübergehend auseinander, als die Erdölpreise ein Rekordniveau erreichten, ehe sie durch die rückläufige Nachfrage in der Krise wieder sanken.
Die „strukturelle“ Indexmanipulation wäre damit weniger eine kurzfristige Entlastung der Unternehmen, als eine mittel- und langfristige Versicherung gegen eine Explosion der Erdölpreise, soweit sie von einem Anstieg der Nachfrage, einem Rückgang der Reserven oder Akzisenerhöhungen verursacht werden kann.
Als Alternative zu der von ihm bevorzugten Indexmanipulation hatte Jean-Claude Juncker vorgeschlagen, die Einkommen „konjunkturell“, das heißt erst einmal für zwei Jahre, nur bis zur doppelten Höhe des Mindestlohns anzupassen. Beim gegenwärtigen Index-Stand würde also kein Einkommen um mehr als 84,14 Euro erhöht.
Ende April hat sich die CSV für diese kurzfristig wirksame „Deckelung“ des Indexes ausgesprochen und sie „sozialer Index“ getauft. Allerdings ist sie weder für die Betriebe noch für die Lohnabhängigen und Rentner besonders sozial. Mittelständische Betriebe, Handwerk und Handel, die den meisten ihrer Beschäftigten weniger als den doppelten Mindestlohn oder 3 365,52 Euro zahlen, würden weiterhin zur vollen Indexanpassung gezwungen und so keinen Cent Lohnkosten sparen. Dagegen profitierten beispielsweise die Banken, die oft höhere Gehälter als den doppelten Mindestlohn zahlen und diese nur teilweise an die Inflation anpassen müssten. Für die Bezieher von Einkommen über dem doppelten Mindestlohn führte die Begrenzung zu Reallohnsenkungen, die um so ausgeprägter wären, je höher die Inflation stiege.
Trotzdem wird die CSV wird den meisten Gewerkschaften und Parteien vorhalten können, dass sie irgendwann einmal schon eine Höchstindextranche vorgeschlagen hatten. Allerdings hatten die meisten dies in Verbindung mit einer Mindesttranche verlangt, um daraus einen „sozialen Index“ zu machen. Dies war aber meist mit der Warnung vor einer schleichenden Umverteilung abgelehnt worden. Denn durch die Mindest-Tranchen würden die mittelständischen Betriebe mehr zahlen müssen und die Banken könnten durch die Höchst-Tranche sparen. Außerdem war gewarnt worden, dass es insbesondere in Zeiten hoher Inflation zu Reallohnerhöhungen niedriger und Reallohnkürzungen höherer Einkommen käme, so dass im Laufe der Indexanpassungen der Einkommensfächer verringert und die kollektivvertraglich ausgehandelte Lohnhierarchie zerstört würde, wo das Index-System doch nur dazu da sei, Gehälter und Renten vor der Geldentwertung zu schützen.
Die Regierung hatte schon vor 25 Jahren den Wirtschafts- und Sozialrat gebeten, die Idee einer maximalen Index-Tranche zu überprüfen. Nach drei Jahren Bedenkzeit hatte der Rat sie in seinem Gutachten vom 9. Dezember 1988 einstimmig abgelehnt. Denn er befürchtete zweigleisige Kollektivvertragsverhandlungen für Lohnkategorien mit vollem und mit teilweisem Inflationsausgleich und Dilemmata bei der Berechnung verschiedener Sozialleistungen.
Dass aber heute sogar der Handwerkerverband die „Deckelung“ unterstützt, obwohl er gar nicht davon profitiert, zeigt, dass es den Unternehmern inzwischen nur noch darum geht, dass in der Index-Frage überhaupt etwas geschieht.