Übernächste Woche, am 11. Oktober, wird die neue Parlamentssession eröffnet, am Tag danach soll der Haushaltsentwurf für nächstes Jahr hinterlegt werden. Die Eröffnung der zweitletzten Session der liberalen Koalition ist auch der Auftakt eines knapp dreijährigen Wahlkamps für die Gemeindewahlen im Oktober nächsten Jahrs, für die Kammerwahlen im Oktober 2018 und für die Europawahlen im Juni 2019.
Deshalb organisiert die CSV am Wochenende zuvor, am 8. Oktober, auf dem hauptstädtischen Geesseknäppchen eine „Konvent“ genannte Krönungsmesse für ihren Spitzenkandidaten Claude Wiseler in Anwesenheit aller Delegierten der National- und Bezirkskongresse. Mit dieser Veranstaltung, bei der Claude Wiseler auch einen ersten Entwurf seines Wahlprogramms vorstellt, will die Partei in den Wahlkampfmodus übergehen. Ob ihr das gelingen wird, muss sich bei der dünnen Personaldecke noch zeigen.
Dafür versucht die Regierungskoalition nach den Pannen der ersten Hälfte der Legislaturperiode, in den kommenden Monaten endlich einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dazu muss die bevorstehende Regierungsumbildung möglichst glatt über die Bühne gehen, wenn der seit Jahren den Arbeitsmarkt abgrasende Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) endlich von der Nachwuchsabgeordneten Tess Burton abgelöst werden soll. Das kann manchmal an Kleinigkeiten scheitern, wie der von der Europäischen Zentralbank zu lösenden Frage, ob ein Mann wie Ex-Wirtschaftsminister Henri Grethen (DP), der gut genug war für den Europäischen Rechnungshof, auch qualifiziert genug ist für den Verwaltungsratsvorsitz der Sparkasse.
Doch unabhängig davon haben DP, LSAP und Grüne inzwischen einen mächtigen Verbündeten: das günstige „soziale und wirtschaftliche Umfeld“, das vergangenen Woche auch von der LSAP-Fraktion bei der üblichen Tagung zum Beginn der Kammersession begutachtet wurde, so ihr Sprecher Alex Bodry am Montag. Das hohe Wirtschaftswachstum halte an, die Arbeitslosenrate gehe im zweiten Jahr zurück und dies bei allen Arbeitslosenkategorien und Altersgruppen, die Inflation sei trotz der Mehrwertsteuererhöhung historisch niedrig.
Also setzt die Koalition alles daran, um sich mit der in den nächsten Monaten zu verabschiedenden Steuerreform die Herzen der Wähler zurückzuerobern. Denn dank der verbesserten Wirtschaftskonjunktur müsse die Steuerreform „kein Nullsummenspiel“ mehr werden, so Alex Bodry. Und die Zielrichtung gelte nicht bloß den Mittelschichten (DP), sondern dank der verbesserten Steuergutschrift auch den Haushalten, die weniger verdienen (LSAP).
Nachdem die Regierung bei den Europawahlen, dem Referendum und in den Meinungsumfragen teuer für ihre Sparpolitik und ihren Zukunftspak bezahlt hatte, kündigte sie in der Erklärung zur Lage der Nation im Frühjahr an, die Maastrichter Stabilitätsgötzen zu verbrennen, die sie bis dahin angebetet hatte. Laut Alex Bodry ist sie dabei nicht allein, denn die Abkehr von der Sparpolitik decke sich mit den neuen Empfehlungen internationaler Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, die „keine übertriebene Austerität“ mehr verlangten.
Seit Finanzminister Pierre Gramegna (DP) am Montag auch noch die aktualisierten Konten von 2015 vorlegte, nach denen der Überschuss in der Staatskasse auf 796 Millionen Euro gestiegen ist, fühlt sich die Regierung unter wachsendem Druck, Steuermittel umzuverteilen. Die CGFP „fordert zugleich, die privaten Haushalte, die die für 2017 anberaumte Steuerreform zu einem großen Teil vorfinanziert haben, an dieser überaus günstigen Entwicklung teilhaben zu lassen“. Zudem „dürfte es jetzt jedenfalls schwierig werden, noch Argumente zu finden, um eine Nullrunde im öffentlichen Dienst zu rechtfertigen“.
Auch für den OGBL zeigten die Konten von 2015, welcher Spielraum nun für „positive Maßnahme“ bestehe, so Präsident André Roeltgen nach der Sitzung des Nationalvorstands am Dienstag. Deshalb setzt die Gewerkschaft ihre vor einem Jahr begonnene Kampagne „E Sozialpak fir Lëtze-buerg“ nun fort und kündigt eine „Lohnoffensive“ an, um positive Tarifabschlüsse herauszuschlagen. Die Rentner müssten neben der gesetzlichen Rentenanpassung eine einmalige Prämie von einem Prozent erhalten, und auch die gesetzliche Anpassung des Mindestlohns an die Einkommensentwicklung reiche nicht aus, vielmehr sei eine zehnprozentige „strukturelle Erhöhung“ nötig. Die Gesundheitskasse müsse die Kostenerstattung von Zahn- und Augenbehandlungen erhöhen und der im Zukunftspak verteuerte öffentliche Transport für Passagiere im Rentenalter müsse kostenlos werden.
Wichtig neben der Steuerreform ist für die Koalition aber auch, ob es Innenminister Dan Kersch (LSAP) gelingen wird, in den nächsten Monaten die mit dem Erzbistum ausgehandelte Abschaffung der Kirchenfabriken durchzusetzen. Denn ihr kommt eine hohe symbolische Bedeutung für eine liberale Koalition zu, von der historisch erwartet wird, dass sie immer auch eine antiklerikale Koalition ist.
Politisch weniger delikat ist die ebenfalls bis zum Jahresende geplante Reform der Staatsbürgerschaft. Denn dem grünen Justizminister Félix Braz sei es gelungen, „nach dem Referendum über das Ausländerwahlrecht einen Konsens herbeizuführen“, betonte die grüne Parteivorsitzende Françoise Folmer am Montag. Allerdings wurde die Regierungsmehrheit von dem Erfolg einer Unterschriftensammlung überrascht, die das Luxemburgische zur Amtssprache aufpeppen will, und Françoise Folmer gibt ihr nicht ganz Unrecht, denn viele Leute hätten ein ungutes Gefühl dabei, dass die Luxemburger Sprache zu kurz komme und das Land zubetoniert werde, „die Leute fühlen sich überrannt von den vielen Ausländer, die wir im Land haben“! Aber andererseits könne man „nicht nur auf der luxemburgischen Schiene fahren“.
Dagegen will die Regierung im November Fortschrittsglauben und Handlungsfähigkeit demonstrieren, wenn Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) zusammen mit der Handelskammer den Rifkin-Bericht über die Industrie 4.0 vorstellt. Der grüne Nachhaltigkeitsminister François Bausch lädt zwei Tage lang an den immer wieder geforderten Zukunftstisch.
Delikater sind für LSAP und Grüne die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, da sie von der eigenen Wählerschaft und Parteibasis weitgehend abgelehnt werden. Weil die Regierung sich aber in den nächsten Wochen zum Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) der Europäischen Union mit Kanada bekennen will, muss nun das Terrain vorbereitet werden. Alex Bodry sah am Montag „positivere Änderungen“ am Ceta und konnte nichts Anstößiges an Schiedsgerichten zum Investitionsschutz finden, da sie nur Diskriminierungen ahnden und bestrafen sollen, wie es schon lange zur Luxemburger Rechtspraxis gehöre. Aber die „Linkssozialisten“ in seiner Partei und der OGBL lehnen das Abkommen ab. Parteivorsitzender Christian Kmiotek betonte mutig und prinzipiell: „Wir Grüne sind für Handelsabkommen.“