In Anwesenheit des Großherzogs, der Großherzogin, des Erbgroßherzogs, der Erbgroßherzogin und der Regierung feiert die Handelskammer am heutigen Nachmittag auf dem Kirchberg ihr Dodransbicentenarium. Sie war am 1. Oktober 1841 von König-Großherzog Wilhelm II. gegründet worden, um „[d]er Regierung Ansichten über die Beförderungsmittel des Handels und der Industrie“, „[d]ie Ursachen, welche deren Fortschritte hemmen“, und ihr „alle verlangte Nachweisungen zu geben, Alles jedoch ohne sich auf irgend eine Weise in die Verwaltung des Landes einmischen zu können“. Und auch wenn sieben der elf Wirtschaftszweige, aus denen sie sich ursprünglich zusammensetzte, inzwischen verschwunden sind, es immer wieder zu Interessenswidersprüchen zwischen der exportorientierten Großindustrie und mittelständischen Ladengeschäften, zwischen Schwerindustrie, Banken und Briefkastenfirmen kam, wusste sie sich über fast zwei Jahrhunderte, drei Kriege und eine Revolution stets anzupassen.
Die anfänglich 21 Mitglieder zählende Kammer, die heute oft mit abschätzigem Unterton „Lobby“ genannt würde, wurde 1924 durch Gesetz in den Rang einer staatlichen Institution mit Zwangsmitgliedschaft erhoben. In jener Zwischenkriegszeit, als die soziale Frage mit liberalem Paternalismus und katholischer Sozialenzyklika korporatistisch geglättet werden sollte, bekam die Handelskammer zusammen mit den anderen bei dieser Gelegenheit gegründeten Berufskammern einen festen Platz in der gesetzgeberischen Prozedur eingeräumt, mit Gutachter- und Initiativrecht.
Ein ähnliches Statut gibt es vielleicht nur noch in Österreich, und das bereitet der Handelskammer manchmal Mühe, Beiträge bei ihren eher verständnislosen nicht-Luxemburger Mitgliedern zu erheben. Dass dieses Statut auch sonst manchmal Unbehagen auslöst, nach den peinlichen Erfahrungen mit DAF, Terza via und Estado novo, erkennt man daran, dass die Berufskammern merkwürdigerweise an der Gesetzgebung beteiligt sind, ohne dazu durch eine dem Gesetz übergeordnete Rechtsnorm befugt zu sein. Doch mit der geplanten Gesamtrevision sollen die Berufskammern nun in den Verfassungsrang erhoben werden. Weil die Unternehmer aber längst über andere als im Beschluss von 1841 aufgezählte Mittel und Organisationen verfügen, um sich „in die Verwaltung des Landes einmischen zu können“, wurde die Handelskammer im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu einem universellen Dienstleistungsunternehmen für Betriebe, der Beratung, Fortbildung und die Suche nach Auslandsmärkten anbietet und mit einem Heer von Funktionären den Experten- und Gutachterkrieg zugunsten niedriger Lohnquoten und niedriger Steuern gegen die ebenfalls aufgerüstete Salariatskammer führt.
Es mutet rätselhaft an, dass, bei allen Versuchen, die Institutionen zu reformieren, zu modernisieren und dem Schlanken Staat anzupassen, die politischen Parteien in ihren Wahlprogrammen stets das Parlament, den Staatsrat, die Justiz, die Monarchie und die Kirchenfabriken zu reformieren oder abzuschaffen versprechen, aber nie eine Reform oder Abschaffung der Berufskammern ankündigen. Dabei könnte es durchaus vernünftig erscheinen, den Dschungel von oft mit den gleichen Vertretern besetzten Berufsverbänden, Komitees, Räten und Tripartiten zu lichten, die oft die gleichen Stellungnahmen produzieren. Aber, wie so oft, liegt des Rätsels Lösung vielleicht in der Geschichte: Mit nunmehr 175 Jahren gehört die Handelskammer zu den ältesten Einrichtungen des kurz vor ihrer Gründung in Wien erfundenen Nationalstaats, älter als seine Verfassung, sein Parlament, die Dynastie oder das Bistum. Ohne dass es sich dessen bewusst wäre, wurde vielleicht seit 1841 das ganze weitere Großherzogtum auf dem soliden Fundament der Handelskammer errichtet.